Neuer Trend in den USA: Rauch' mal noch einen Schnaps
Komasaufen ist out, Schnaps im Auge und Wodka rektal auch. Der neue Weg zum Vollrausch führt über die Lunge. Blöd nur, dass der Volldampfrausch gefährlich ist.
Alkoholtrinken macht dick, ist gewöhnlich und irgendwie langweilig. Alkoholrauchen macht schnell besoffen, ist neu und irgendwie bekloppt. Seit ein paar Monaten finden besonders US-Amerikaner Gefallen daran, sich dem Dampf des Alkohols hinzugeben. Dabei gibt es verschiedene Wege zum Volldampfrausch.
Der so genannte Vaportini erinnert entfernt an eine Bong zum Kiffen. In eine Glaskugel wird hochprozentiger Alkohol geschüttet, der langsam von einer Kerze erhitzt wird. Den so entstehenden Dampf inhaliert man durch einen Strohhalm aus Glas, der in der Kugel steckt. In den USA gibt es bereits einige Bars, die ihren Kunden Alkoholrauch aus dem Vaportini anbieten.
Die Erfinderin Juli Palmer verkauft das Gerät auf ihrer Internetseite für 30 US-Dollar. Die Idee sei ihr während eines Urlaubs in Finnland gekommen. Freunde hatten in der Saune Wodka über die heißen Steine gekippt. Sie inhalierten den Dampf und wurden betrunken. Palmer preist ihre Erfindung als „revolutionäre neue Art, Alkohol zu konsumieren“ an. Man brauche weniger Stoff als beim Trinken und nehme weniger Kalorien zu sich.
In Youtube-Videos und auf Internetseiten werden Bauanleitungen für eine selbstgebastelte Vaporizierung-Vorrichtung geliefert. In eine Glasflasche füllt man Schnaps, verkorkt sie und steckt die Nadel einer Ballpumpe durch den Korken. Durch kräftiges Pumpen wird Unterdruck erzeugt, beim Öffnen der Flasche verdampft der Alkohol. Mund drüber, einatmen, fertig. Das Ganze funktioniert auch mit Bier und anderen leichten Alkoholika.
Es geht aber auch ohne technischen Schnickschnack. Um den Alkohol vor dem Verdunsten und damit der Zerstörung zu bewahren, kann er auch mit Trockeneis verdampft werden. Trockeneis in einen Thermobecher, Schnaps drauf, Dampf abwarten, Mund drüber, einatmen, fertig. Dem US-Fernsehsender ABC25 sagte ein Trockeneis-Alkoholdampf-Fan, er habe mit dem Trinken aufgehört, um abzunehmen. Jetzt sei er auf Alkoholrauchen umgestiegen und habe 70 Pfund verloren.
Schneller Rausch
Was ist so besonders am Alkoholrauchen? Im Gegensatz zum herkömmlichen Konsum gerät der Alkohol beim Inhalieren direkt in den Blutkreislauf und damit rasch ins Gehirn. Der Umweg über Magen und Leber entfällt. Deshalb entfaltet der Alkohol beim Rauchen seine volle Wirkung im Hirn, während er beim Trinken bereits im Körper teilweise abgebaut wird. Der Rausch kommt also unmittelbar – ähnlich wie bei Kokain oder Cannabis – und endet auch schneller.
„Die Gefahr dabei ist, dass es schneller zu einer Alkoholvergiftung führen kann“, sagt Rainer Thomasius. Er ist Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf. „Darüber hinaus greift Alkohol die Schleimhäute an. Wenn er inhaliert wird, kann er den gesamten Atemtrakt zerstören. Und die Langzeitfolgen des Alkoholrauchens kennen wir noch gar nicht“, sagt Thomasius.
Beim Rauchen von Alkohol fällt außerdem die natürliche Schutzfunktion des Körpers weg. Wer zu viel trinkt, dem wir übel, der kotzt irgendwann. Wer zu viel Alkohol raucht, dem wird weniger schnell übel, und wenn er sich übergibt, ist das Erbrechen ineffizient. Es ist ja nichts im Magen, was raus muss. Dass beim Alkoholrauchen keine Kalorien aufgenommen werden, ist ohnehin ein Mythos. Auch im Reinalkohol sind Kalorien enthalten, die beim Rauchen aufgenommen werden.
„Dann gibt es Todesfälle“
Noch ist der Trend nicht in Deutschland angekommen. Dem Suchtexperten Thomasius jedenfalls sind bisher keine Fälle von Alkoholrauchern bekannt, die medizinisch versorgt werden mussten. „Wenn vor allem junge Mädchen diesen Trend übernehmen, dann gibt es Todesfälle", sagt er.
Ganz neu ist das Rauchen von Alkohol übrigens nicht. Schon 2004 tauchte in Großbritannien und Japan ein Gerät auf, mit dem Gäste in Bars und Kneipen Alkohol inhalieren konnten. Die Wasserpfeife für Schnaps, oder auch AWOL-Maschine („alcohol without liquid“, also „Alkohol ohne Flüssigkeit“) wurde allerdings von den etlichen Behörden schnell verboten. Der Vaportini ist seit Dezember online zu erwerben und in fast allen US-Bundesstaaten erlaubt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Bombenattentat in Moskau
Anschlag mit Sprengkraft
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz