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Shitstorm wegen rassistischer KarikaturDie Faz und Dr. Mbongo

„Faz.net“ veröffentlicht eine rassistische Karikatur, weist jede Kritik vehement zurück – und entschuldigt sich dann schließlich doch.

Nicht rassistisch, findet jedenfalls die Faz Bild: Screenshot faz.net

Am Ende des gestrigen Arbeitstages hatte die Social-Media-Redakteurin des Online-Auftritts der Frankfurter Algemeinen Zeitung wohl nervöse Zuckungen in den Fingern. Immerhin war sie seit nachmittags damit beschäftigt, folgenden Satz in verschiedenen Variationen wieder und wieder zu twittern:

„Es zeigt jedoch ein Ressentiment so grotesk vergrößert, daß es dadurch lächerlich wird“

„Es vergrößert vorhandene Ressentiments ins Unwahrscheinliche und macht sie dadurch lächerlich.“

„Es vergrößert ins Groteske und macht das Ressentiment dadurch lächerlich.“

„Es“ – das ist in diesem Fall eine Karikatur auf faz.net, die dort seit zwei Wochen einen Text zum Ärztemangel auf dem Land bebildert. Twitter-Nutzer haben das Bild rausgekramt und zum „unverhohlenen Rassismus des Monats“ erklärt.

Es zeigt einen alten Patienten an der Hand eines Krankenpflegers, daneben eine schwarze Figur mit überdimensionierter Maske auf dem Kopf und Lendenschutz um die Hüfte, die um ein Feuer tanzt. „Praxis Dr. Mbongo. Viele Heilung. Alle Kasse.“ steht auf seinem Praxisschild, die Bildunterschrift lautet: „Deutschland profitiert von eingewanderten Fachkräften.“

Twitter war – natürlich – empört und schoss seine ganze Wut gegen den offiziellen Account der FAZ. Der antwortete, die Karikatur spieße ledliglich auf, was so mancher Deutsche heimlich denke. Das könne böse und hintersinnig sein, rassistisch aber jedenfalls nicht.

Heißt also: Wenn viele Menschen denken, dass der Landarzt der Zukunft ein Medizinmann aus dem Dschungel ist, der mit seinem Hokuspokus und Kauderwelsch auf arme alte Patienten losgelassen wird, dann kann das nicht rassistisch sein. Interessante Argumentation. Sie gibt dem Nationalsozialismus, dem Völkermord in Ruanda, der Ausländerhetze in Hoyerswerda, Mölln und Rostock-Lichtenhagen Anfang der 90er Jahre eine ganze neue Dimension.

Faz.net aber blieb dabei: Wir haben nichts falsch gemacht. Kritikresistent wie eine Teflon-Pfanne.

Shitstorm-Management-technisch ist diese Strategie nicht besonders gewinnbringend. Das hat Karl-Theodor zu Guttenberg nach seiner Doktorarbeit feststellen müssen, das hat der ADAC gemerkt, und das hat die taz gemerkt, als sie vor der Europawahl eine Anzeige der AfD druckte: Sich stur zu stellen ist der Katalysator eines jeden Skandals. Wenn auch nur ein fleißiger Rechercheur die Lüge enttarnt und Dutzende Leser öffentlich ihre Wut kundtun, bläht sich die Empörung immer weiter auf – ein Lehrstück für alle Öffenlichkeitsmitarbeiter, Social-Media-Redakteure und PR-Berater: erst denken, dann twittern.

Mittlerweile hat sich faz.net per Twitter entschuldigt. Manchmal sind eben auch die klügsten Köpfe ein bisschen langsam.

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21 Kommentare

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  • Stimme den beiden unter mir auf ganzer Linie zu.

     

    "Deutschland Schwarz Weiß", von Noah Sow, sollten einige hier mal lesen.

  • Ich komme angesichts der Kommentare aus dem Staunen gar nicht mehr heraus!

    Bitte stellen Sie sich doch mal die selbe Karikatur mit einem "humorvoll überzeichneten" jüdischen Arzt vor, oder einem arabischen Arzt im Arafat-Look oder einer Blondine - die zugehörigen humorvollen Arztschilder überlasse ich mal Ihrer Fantasie.

    Bei einigen Kommentatoren scheint mir im Unterton mitzuschwingen: "Jetzt darf man sich nicht mal mehr über ... äh ... Mitbürger mit schwarzem Hintergrund lustig machen!" Nein, darf man nicht! Jedenfalls nicht in dieser bestenfalls gedankenlosen, schlimmstenfalls hetzerischen Art und Weise!

    Die Umdeutungsversuche einiger FAZ-Versteher hier muten geradezu putinesk an! Aha, dem FAZ-Leser wird also der Spiegel vorgehalten ... ach nee, den Landeiern wird der Spiegel vorgehalten ... oder doch nicht? Der Kirchturm im Bild macht alles wieder gut, und warum werden die Karikaturisten nicht direkt kritisiert, sondern die arme FAZ?

    Man weiß bei so viel geballtem Unsinn ja gar nicht wo man anfangen soll!

  • Rassismusvorwürfe sollten uns vor allem dann zu denken geben, wenn wir selbst auf Anhieb keinen Rassismus in den kritisierten Äußerungen erkennen können. Denn dies zeigt uns im Normalfall, dass andere Menschen sich durch eine Denkweise verletzt oder angegriffen fühlen können, die wir schon so internalisiert haben, dass uns rassistische Denkfehler nicht einmal mehr auffallen.

     

    Warum die Hausarztkarikatur trotz der von meinen Vorrednern zu Recht angemerkten anderweitigen zentralen Botschaft dennoch rassistisch ist:

     

    Nicht rassistisch ist das thematisierte Problem der intellektuellen Landflucht,der Verweis auf den Zerfall des Berufs-Ethos und all die anderen Botschaften die aus der Karikatur herausgelesen werden können.

     

    Rassistisch ist aber, dass der "Scharlatan", der die Praxis übernimmt, durch eindeutig ethnische Merkmale von einem "seriösen Arzt" abgerenzt wird.

    Rassistisch ist auch, dass er durch von den Zeichnern bewusst eingebaute sprachliche Fehler, durch seine Körperhaltung etc. bewusst ins Lächerliche gezogen wird.

    Rassistisch ist aber vor allem der Untertitel: "Deutschland profitiert von eingewanderten Fachkräften". Denn hier zeigt sich ganz klar, dass es eben nicht nur um das Problem der Hausarztnachfolge geht. Sondern das Problem zwischen einem seriösen Arzt und einem Scharlatan zu unterscheiden wird hier 1. als nationales Problem konstruier ("Deutschland"), 2. wird dies eindeutig als eine Dichotomie zwischen deutschen Ärzten und eingewanderten Ärzten konstruiert, und 3. wird allgemein auf "eingewanderte Fachkräfte" abstrahiert.

     

    Da kann man noch so oft wiederholen, dass die zentrale Botschaft der Karikatur eine andere sein mag - rassistisch bleibt sie dennoch. Und dass uns dies nicht mehr auffällt, sollte uns zu denken geben.

    • @Catta:

      Danke für die klare Beschreibung!

  • Der Kirchturm bringt den Aspekt des Hokus-Pokus in unserer Kultur ins Spiel, in der gerade die Oberschicht nicht vor dem Besuch von Schamanen, die aber entgegen der Darstellung eher in teuren Vierteln residieren, zurück.

     

    Das allerlei der Anspielungen erschwert die Erfassung der Zielrichtung des Cartoons. Wird der Schwarze angegriffen? Nein, er ist nur Mittel zum Zweck.

    Klischees sind in Karikaturen unvermeidlich. Hier wird die Aussage aber unklar, weil eine Antiesoterische Stoßrichtung nicht ausgeschlossen werden kann.

  • Für mich diese Zeichnung nichts als ein humorvoller Fingerzeig auf ein ganz konkretes Problem der intelektuellen Landflucht. Aber auch das Problem des Verfalles von Berufs-Ethos (auch in Politik, Verwaltung, Justiz) die direkt und unmittelbar im Konzept des Neo-Liberalismus beabsichtigt verankert ist.

     

    Diese Karikatur ist großartig und trifft glashart, was sie treffen will.

  • Man kann die Karikatur auch anders sehen. Ich habe sie nicht als problematisch gefunden. Ansonsten darf Karikatur/Satire alles, fast alles.

     

    Obwohl Landärzte deutlich mehr Patienten haben will keiner aufs Land. Die (alten) Patienten wären froh, wenn sie irgendeinen bekämen, selbst einen Naturheiler ohne Schulmedizinausbildung.

    Und wahrscheinlich zu Recht, da es oft um das Zuhören, um Psyche, um Anteilnahme geht.

    So what?

     

    Aber die Empfindlichkeit sobald nur irgendwie eine Frau, ein Ausländer (darf man das überhaupt noch so sagen) oder eine geschlechtliche Orinetierung im Spiel sind, ist manchmal extrem.

     

    Würde ich mit der gleichen Empfindlichkeit die tägliche Wahrheit-Seite der taz betrachten, müsste ich ja täglich shitstormen.

  • Ähm, wenn ich mal so ganz naiv dazwischenfragen darf: Warum regen sich denn alle über das Medium (FAZ) auf und nicht über die Urheber der Karikatur, Greser & Lenz? Die müssten doch mindestens ebenso rassistisch sein wie die FAZ, der Logik zufolge.

     

    Übrigens: Die notorischen Rassisten G&L arbeiten seit Jahrzehnten auch für die Titanic - und wäre die Karikatur dort erschienen, hätte - jede Wette - kein Hahn danach gekräht.

     

    Ach, ich denke, ich habe meine Frage soeben selbst beantwortet. Ist eben schöner, mediale Feindbilder zu bedienen.

  • Nun wird der eigentliche Kern verschwiegen. Dass nämlich der deutsche Doktor mit ebensohoher Wahrscheinlichkeit an Homöopathie und Akkupunktur glaubt (oder nichts dabei findet) wie ein afrikanischer Arzt an spirituelle Geistkonzepte oder ein asiatischer an Energieflüsse.

    • @Felix Riedel:

      Das wird meines Erachtens gerade nicht verschwiegen, sondern vom Kirchturm der wie zufällig im Bildhintergrund lauert dem Betrachter aufgedrängt.

       

      Die Bildbeschreibung des Tazartikels wollte dieses Detail aber auch unbedingt übersehen - wahrscheinlich weil unter den Abonennten der Taz signifikant viele Schamanen und Esoteriker europäischer Verblödungstraditionen sind.

  • Ist das nun wirklich rassistisch? Oder wird der gemeine Spießer auf die Schippe genommen?

  • "Manchmal sind eben auch die klügsten Köpfe ein bisschen langsam"

    Leute, ernsthaft. Ihr richtet über die vermeintlich Dummen der FAZ? Wo leben wir denn, dass man nicht mal mehr eine solche Karikatur veröffentlichen und dann dazu stehen darf?! Die FAZ muss sich für gar nichts entschuldigen.

  • hmmm ... mein Kommentar vorhin ist vielleicht einen Hauch zu heftig ausgefallen (wo ist die Lösch-Funktion?). Aber "Stürmer" war tatsächlich die erste Assoziation, die mir durch den Kopf jagte, als ich nach einem kurzen Moment des fassungsosen Erstaunens realisierte, was diese Karikatur darstellt... und dann auch noch in der meinungsbildenden FAZ!

    Ich bin jedenfalls stinksauer.

  • Eine Karikatur ist eine Überzeichnung. Sie kann und darf alles darstellen. Zum Beispiel im zwischenzeitlich eingestellten Lifestyle-Magazin "Der Stürmer". Darin durfte Karikatur auch eine ganze Menge. Irgendwie erinnert das Bild in der FAZ sogar ein bisschen an den Stürmer.

    Stürmer: "Deutsche, kauft nicht beim Juden!!!"

    FAZ: "Deutsche, geht nicht zum ...!!!"

  • Und durch genau solche Bilder/Karikaturen entsteht bzw. hält sich doch erst das Bild in den Köpfen der Weißen; in Afrika laufen die meisten Menschen ja eh nackt oder nur mit Lendenschutz bekleidet herum, tragen bunte Masken und tanzen gern im Urwald um ein Feuer.

    Eine Schande ist es, dass so etwas ungestraft veröffentlicht werden darf!

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Die FAZ hat offenbar ihre eigene Leserschaft auf's Korn genommen. Das ist Satire, aber kein Rassismus, denn zu dessen Feststellung reicht es nicht aus, Mohrenkopf oder Negerkuss zu sagen, sondern man muss auch abfällig von jenen Menschen denken, die als Vorlage für diese Süßigkeiten herhalten müssen.

  • Eine Karrikatur ist eine Überzeichnung.

    Sie darf und kann alles dastellen. Das viele Menschen das nicht verstehen zeigt dieser Artikel, genau wie damals die Proteste gegen die Mohamedkarikaturen.

    Karikaturen legen den finger in die Wunde. Nicht jedem gefällt das.

  • Was hat der Völkermord in Ruanda eigentlich damit zu tun ? Ist das einfach eine rhetorische Figur mit der eine Million Leichen auf den Zeichner gekippt werden?

  • "Die Karikatur spieße ledliglich (sic!) auf, was so mancher Deutsche heimlich denke. Das könne böse und hintersinnig sein, rassistisch aber jedenfalls nicht."

     

    Nein, der Akt des Aufspießens ist auch nicht rassistisch, auch nicht bei dieser Karikatur von Greser&Lenz, die übrigens auch sehr schöne Klischee-Chinesen zeichnen. Das, was so mancher denkt, kann natürlich rassistisch sein. Die Shitstormer bekommen diese Differenzierung anscheinend ebenso wenig zustande wie die taz.

    • @Carsten Fritz:

      Tut mir leid, da muß man sich nicht mit der Feinsinnigkeit des "Mitbekommens" brüsten. Die Differenz existiert real, z.B. in der Diskriminierung Dunkelhäutiger auch hierzulande. Der karikaturistische Fettnapf ist weit hergeholt und daneben. Man muß die Angst vor Verständnisschwierigkeiten nicht auch noch scharz einfärben und darüber hinaus mit Unverstand bzw. Rückständigkeit kontaminieren.

  • Die FAZ, ansonsten vornehm daherkommend, zeigt auch einmal das verborgene Gesicht des deutschen Bürgertums.