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Netflix-Serie „Better Call Saul“Wie man böse wird

Spin-offs sind selten erfolgreich. Dennoch könnte „Better Call Saul“, der Netflix-Ableger von „Breaking Bad“, eine gute Idee sein.

Bob Odendirk zeigt in „Better Call Saul“, wie der Pflichtverteidiger Jimmy McGill zum skrupellosen Anwalt Saul Goodman wurde. Bild: Ben Leuner/AMC

Natürlich weiß auch Bob Odenkirk, dass die meisten Spin-offs Mist sind. Dass sie floppen. Dass sie die Magie der ursprünglichen Serie nicht konservieren können. Nach dem Ende von „Friends“ etwa pressten das Filmstudio Warner und der Sender NBC „Joey“ heraus. Einer der fünf Hauptcharaktere zog einfach um. Und alles sollte so weitergehen wie zuvor. Die erfolgreichste Sitcom der Geschichte müsste sich doch noch irgendwie melken lassen.

Sollte. Müsste. Klappte aber nicht. „Joey“ war so erfolglos, dass NBC einen Großteil der zweiten Staffel gar nicht mehr ausstrahlte.

Ähnlich lief es bei der Serie „Scrubs“: Sie wurde in eine neunte Staffel verlängert, obwohl alles erzählt war. Obwohl sich Hauptdarsteller Zach Braff schon zur Mitwirkung an den vorherigen Staffeln lange hatte bitten (und gut entlohnen) lassen. Trotzdem ging es weiter: mit neuen Hauptdarstellern, neuem Drehort, neuer Story, aber gleichem Titel. 13 Folgen strahlte ABC aus. Dann war Schluss. Die Magie war verflogen. Die Zuschauer längst woanders.

Nun also „Better Call Saul“, das in Deutschland ab Mittwoch beim Video-on-Demand-Anbieter Netflix zu sehen ist. Zehn Folgen in der ersten Staffel. Bob Odenkirk spielt die Hauptrolle: den Anwalt Saul Goodman. „Better Call Saul“ ist ein Ableger von „Breaking Bad“, der Serie über den Chemielehrer Walter White, der Krebs hat, Crystal Meth zu kochen beginnt und zum erfolgreichsten und gefährlichsten Drogenbaron in Albuquerque aufsteigt.

Die Serie

Ab Mittwoch sind die ersten zwei Folgen von „Better Call Saul“ auf Netflix abrufbar. Danach gibt es jeden Dienstag eine neue Folge (Länge: circa 60 Minuten)

Irgendwann braucht er dafür Saul Goodman, einen schmierigen Anwalt mit Büro in einer Vororteinkaufszeile, der skrupellos genug ist, das Drogengeld zu waschen. „Ein Gewissen zu haben, ist teuer“, sagt der. Oder: „Geldwäsche ist nicht mehr das, was es mal war. Gott, ich vermisse die 80er.“ Goodman: ein ekelhafter Typ, mit viel zu großer Klappe, den man gernhaben muss. Ein Mensch gewordener Alf.

Lieblingsliebling der Kritiker

„Breaking Bad“ wurde zum Lieblingsliebling der Kritiker. Bis heute muss es als Beispiel herhalten, wenn es darum geht, wie super TV-Serien sein können – und wie schlecht die meisten anderen sind. Erfinder Vince Gilligan wurde durch die Serie zum Alleserklärer. Im August 2013 lud ihn das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung ein. Thema: Markt und Moral.

Die Fallhöhe für „Better Call Saul“ könnte kaum größer sein. „Es ist nervenaufreibend“, sagt Bob Odenkirk in einem Hotel am Berliner Gendarmenmarkt, wobei der englische Ausspruch „nerve-wracking“ noch dramatischer klingt. Der 52-Jährige weiß, was auf ihm lastet, „eine solche Show zu drehen, die aus einer der beliebtesten TV-Serien entstanden ist“. Er hat Angst vor dem Spin-off. Er kennt die Ableger-Flops. Doch: „Die meisten Spin-offs werden auch nicht von Vince Gilligan und Peter Gould geschrieben.“

Gilligan, der Erfinder, und Gould, der Autor, Produzent und Erschaffer der Figur Saul Goodman, haben alle fünf Staffeln von „Breaking Bad“ geführt. Sie haben ihr Kind nie aus den Augen gelassen. So halten sie es auch beim kleinen Bruder.

Und sie begehen nicht den Fehler, einfach die Geschichte von einem der Hauptcharaktere weiterzuführen. Die sind durch. Nein, sie haben den wohl beliebtesten Nebencharakter genommen und erzählen dessen Vorgeschichte: Wie wurde Saul Goodman zu Saul Goodman? Dafür springen die Macher sechs Jahre vor das erste Treffen mit Walter White: Saul Goodman heißt noch Jimmy McGill. Ein Pflichtverteidiger. Ein Verlierer, der sich rund ums Gerichtsgebäude nicht einmal gegenüber dem Parkplatzwächter durchsetzen kann (auch ein alter Bekannter aus „Breaking Bad“: Jonathan Banks alias Mike Ehrmantraut).

Im Grunde die Geschichte von „Breaking Bad“

Und so beginnt sie, die Geschichte darüber, wie aus einem Mann, der doch nichts Böses will, ein Mann wird, der nur Böses tut. Es ist im Grunde die Geschichte von „Breaking Bad“. Trägt das ein zweites Mal? Odenkirks Antwort lautet wieder: Vince Gilligan. „Vince macht mit seiner Ausdrucksweise klar, dass Leute sich nicht einfach so fundamental ändern. Sie verändern sich, weil sie in einen Schmelztiegel geworfen werden. Und dann steigt eine andere Person daraus empor.“

Bei „Breaking Bad“ war es faszinierend, dieser Einschmelzung und Neuentstehung zuzuschauen. Zu sehen, wie all das Böse, das in einer Person Winterschlaf hält, langsam geweckt wird. Bis Walter White am Ende – nach vielen Morden, viel Geld, viel Zerstörung – zu seiner ruinierten und gequälten Frau sagt: „I did it for me. I liked it.“

Diese große Wandlung könnte auch in „Better Call Saul“ gelingen. Die Macher hatten zumindest viel Zeit, sich auf den neuen Erzählstrang vorzubereiten. Schon ein Jahr nachdem Odenkirk zum ersten Mal am Set von „Breaking Bad“ stand, habe ihn Vince Gilligan gefragt, was er von einem Spin-off mit Saul halten würde. „ ’Glaubst du, dass das eine Serie hergibt?‘, fragte er mich, und ich habe gesagt: ’Wenn du die Serie schreibst, dann wird es eine gute Serie.‘ “ Würde Odenkirk das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung leiten, er hätte Gilligan wohl auch eingeladen. Thema: egal.

Saul Goodman bietet noch genug Material

Und so haben sich die „Breaking Bad“-Macher tunlichst zurückgehalten, zu viel von Goodman preiszugeben. Keiner weiß, wohin der Anwalt nach Feierabend fährt, wo er wohnt, wer er überhaupt ist. Saul Goodman bietet noch genug Material, das einzuschmelzen sich lohnt.

Auch beim Sender AMC, der die Serie in den USA ausstrahlt, ist das Vertrauen in Gilligan, Gould und Odenkirk groß. Sie haben schon eine weitere Staffel mit 13 Folgen geordert.

Dass sich das lohnen könnte, beweist – ausgerechnet – ein anderes Spin-off: „Frasier“ war 1993 nicht mehr als die Fokussierung auf den Charakter Dr. Frasier Crane aus der Ursprungsserie „Cheers“, das bereits zwölf Jahre gelaufen war und 27 Emmys eingesackt hatte. Als „Frasier“ 2004 endete, hatte es 37 Emmys gewonnen – und an „Cheers“ erinnerte sich kaum noch jemand.

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2 Kommentare

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  • Aber dieses „I did it for me. I liked it.“, sagte WW doch in einem Telefonat mit seiner Frau, wissend, dass dieses von der Polizei abgehört wird, um jeden Verdacht von seiner Frau zu nehmen, oder irre ich?

    • @longestmountains:

      Hat ja keiner in der TAZ offentlich behauptet die Serie gesehen oder verstanden zu haben.