Heinz Buschkowsky geht: Der Integrationsverweigerer
Er spricht eine deutliche Sprache. Und er polarisiert: Buschkowsky beherrschte die Inszenierung und machte sich und Neukölln berühmt.
BERLIN taz | Dass ein Kommunalpolitiker in den Ruhestand geht, passiert in der Republik recht oft. Wenn der Bürgermeister eines Berliner Bezirks bekannt gibt, zum 1. April in Pension zu gehen, muss das auch keine Meldung sein – aber der Mann heißt Heinz Buschkowsky. Das ist eine Meldung, die über den lokalen Sprengel hinaus interessiert. Keiner sonst hat so volkstümlich das verkörpert, was inzwischen ein Label ist, ein fashionabler Begriff: Neukölln.
Im „ARD-Morgenmagazin“ konnte man gestern zumindest flüchtig ausmachen, woher seine Popularität rührt. Fragt die Moderatorin, was er davon halte, dass die Pegida-Spaziergänger sich dauernd auf ihn berufen. Buschkowsky: Solange bei denen NPD-Leute an der Spitze mitlaufen, gebe es keine Gespräche. Und sowieso: Er sei ja für mehr Integration, nicht für weniger.
Nein, solche, die gerne in Pegida-Weltanschauungen baden, sind Buschkowskys Freunde nicht, weder persönlich noch politisch. Er findet es auch nicht schrecklich, in Neukölln zu leben. „Bei Neukölln muss einem das Herz aufgehen“, sagte er vor Jahren der taz im Gespräch, er liebt diesen Bezirk, das Raue, in dem nie die feinen Bürger lebten, sondern überwiegend Leute, die eher klamm sind im Portemonnaie, die über jede kleine Verbesserung ihrer Lebensumstände froh sind.
Er selbst stammt aus sogenannten kleinen Verhältnissen in Berlin, genauer: aus Rudow, knapp vor der Grenze zum Flughafen Schönefeld. Eine Kindheit und Jugend mit eisernem Aufstiegswillen, die Mutter als Motor aller Mühen. Fleiß, Disziplin, Durchsetzungsvermögen: Urtugenden von Leuten, die es „schaffen wollen“, die „was zu melden haben“ möchten. Heinz Buschkowsky, gelernter Verwaltungsmensch, ist freilich nie ein Protestant von der verzichtenden Sorte gewesen: „Ich habe fast alles ausgetestet, was ein Mensch in seinem Leben austesten kann. Hab meine Alkoholerfahrungen gemacht, als junger Pubertierender, Kirsch Whisky war damals angesagt.“
Aber, um einen klassischen Mutterspruch der fünfziger Jahre zu zitieren: Wer spät ins Bett kommt, kann auch früh aufstehen. Für Buschkowsky hieß das: Wer morgens zu spät zur Ausbildung kommt, und den Busausfall als Entschuldigung anführt, soll eben einen früheren nehmen. Von seiner Lebenshaltung könnte man sagen: Du kannst dir alles erlauben, aber du darfst dich nicht gehen lassen.
Der gläubige Bürgermeister
Dass er den Job als Bezirksbürgermeister bekam lag zunächst an seiner Begabung, tatsächlich daran zu glauben – und ihn nicht als Zwischenstation zu Höherem zu nehmen. Und Neukölln empörte ihn zusehends. Einwanderung als solche war nie sein Problem. Buschkowsky ist das Gegenteil eines in ethnischer Hinsicht geschmäcklerischen Urdeutschen.
Aus dem Proletariat hervorgegangen, geht er davon aus, mit allen sprechen zu können – und er wollte das auch. Aber die Entwicklung in den Neuköllner Schulen sorgte ihn, und dass es immer mehr Eltern gibt, die mit ihrem Nachwuchs überfordert sind. Und dass man den neudeutschen Bürgern nicht abzufordern vermag, was hier die Sache ist: sich um die Kinder auch schulisch zu sorgen und dafür, dass sie in diesem Land gut präpariert ihren Weg gehen können. Manche seiner Sätze konnten auch verstören: „Integration und die Bereitschaft dazu sind in erster Linie eine Bringschuld der Hinzukommenden.“ Als ob nicht die Verhältnisse, in die Einwanderer und ihr Nachwuchs kamen, sie schroff zurückwiesen.
Buschkowskys Sprache ist ein Teil seines Erfolgsgeheimnisses, auf immer noch verblüffende Art ist er fähig, ein kerniges Deutsch zu sprechen. Klar, sachlich, ohne Gefühlsduselei. Und diese seine Natur nutzte er medial. 2004 sagte er: „Multikulti ist gescheitert.“ Die kulturell-professionell befassten Kreisen waren über diesen Satz vollends empört: Das darf man doch nicht sagen! Und er tat es weiter, weil er gewiss wusste, dass jene, die in jungerwachsenen Jahren gern multikulturell leben, zu den Ansprüchen ihrer Herkunftsklasse wieder zurückfinden. Etwa wenn sie als Eltern die Beschulung ihrer Gören dann doch lieber in – aus Sicht der Caffè-Latte-Milieus mit ihren Lifestyleansprüchen – besseren Quartieren einfädeln.
Buschkowsky hat mit einer Fülle von Sprüchen auf sich aufmerksam gemacht – und auf das, was ihm schwer im Magen lag. Und zwar nie als Volkstribun, als rhetorisch mitreißender Sprecher vor vollen Sälen. Niemanden im Bezirk gibt es, der oder die ihn ranschmeißerisch, von Herzenwärme oder nahbar schildern würde – auch jene nicht, die mit seiner Hilfe viel erreichen. Etwa die Lehrer der Rütli-Schule in Neukölln, die zu einem Vorzeigecampus ausgebaut wurde; oder die muslimischen Stadtteilmütter, die er gewann, um die Idee der Verantwortung für Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Zu schweigen von jenen Leuten, die mit seinem Bezirksamt die konfliktfreie Ansiedlung von Hunderten von Roma aus Südosteuropa ermöglichten. Noch um jede Graswurzelinitiative für Schulnachhilfen musste sich gekümmert werden, wusste man im Rathaus, nichts an Selbsthilfe soll missachtet werden.
Er bediente sich geschickt der Bild-Zeitung
Dass er sich, was die Popularisierung seiner Ideen angeht, mehr über die Bild-Zeitung verbreitete als über die Periodika der Bildungsbürger, versteht sich nach dieser persönlich-politischen Logik von selbst: Über die Probleme sprechen, so könnte man seinen Antrieb begreifen, heißt, diese lösen zu wollen – nicht auf einem WG-artigen Plenum, sondern im landesweiten Maßstab. Denn: „Unsere Probleme haben viele Kommunen in Deutschland. Es gibt viele Neuköllns. Sie heißen nur anders.“
Insofern muss sein Verhältnis zum früheren Finanzsenator Thilo Sarrazin als strikt konträr beschrieben werden. Mit Sarrazins in der Tat anrüchiger Analyse der Situation von Migranten, dem Angewidertsein des Autors von den Leistungen von Gemüseverkäufern hat Buschkowsky nichts gemein – das ginge auch nicht, weil Sarrazins Ausführungen vor allem von einem zeugen: der Verachtung für die Schmuddelkinder. Aus der Unterschicht kommt der Bezirksbürgermeister aber selbst. Was er will, ist, dass man sich anstrengt und das Seine beiträgt, das Leben nicht nur mit sich geschehen zu lassen.
Die Kritik der Linken
Dass Buschkowsky trotzdem viel Kritik von Linken oder Alternativen – nicht solchen aus seinem direkten Umfeld – einstecken musste, mag mit habituellen Geschichten zu tun haben. Der Mann kann unverblümt sprechen. Zu seinen engsten Wegbegleitern zählen AufsteigerInnen aus unteren Schichten wie die Jugendrichterin Kirsten Heisig und die Autorin Necla Kelek. Oder die Journalistin Güner Yasemin Balci, die zudem im Rollbergkiez aufwuchs und mitzureden weiß, wenn von Parallelgesellschaften die Rede ist, die sich alimentär auf den Staat verlassen, aber ihre Kinder partout nicht in eine deutsche Zukunft führen wollen. Buschkowskys Manko war und ist insofern, bei aller Beliebtheit gerade bei muslimischen BürgerInnen Neuköllns, eine gewisse Sprödheit in der Ansprache – und die deutliche Abneigung gegen alle, die zum Thema Multikulti mitquatschen und doch aus einer Klassenlage kommen, in der man kein kulturelles oder soziales Kapital mehr braucht für den Weg in eine bessere Zukunft.
Was er von der Gentrifizierung von Neukölln halte, wurde er einmal gefragt. Sinngemäß antwortet er, dass sie die Mieten höher mache, aber das Viertel eine Auffrischung durchaus nötig habe. Die eigentliche Aufgabe bestehe aber darin, dass jene, die früher nach Prenzlauer Berg zogen oder nach Friedrichshain, in Neukölln bleiben, sobald sie Kinder haben. Und sie in die Schulen schicken, die es dort gibt.
Es ist Buschkowskys Verdienst, seinen Bezirk zum hipsten Quartier der Republik profiliert zu haben. Dass es dort auch nicht den geringsten Anflug von Pegidareien gibt, nicht minder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt