Klaus Lederer über die Friedensbewegung: „Das ist ein Offenbarungseid“
Linkspartei-Reformer Klaus Lederer attackiert Sahra Wagenknecht, weil sie einen umstrittenen Aufruf unterzeichnet hat. „Ich sehe das mit Gruseln.“
taz: Herr Lederer, wie bewerten Sie den Schulterschluss der alten Friedensbewegung mit der neuen Mahnwachenbewegung?
Klaus Lederer: Die sogenannte Mahnwachenbewegung sehe ich als Neuauflage bereits sehr alter, rechter Kapitalistenkritik, die auch in linken Zusammenhängen Widerhall findet. Dahinter verbirgt sich aber nicht nur Verklärung und Verwischung der gesellschaftlichen Widersprüche, sondern das bereitet nahtlos den Boden für Rechtspopulismus, Antisemitismus und Rassismus.
Dass die Friedensbewegung in einer kritischen Phase ist, wissen wir nicht erst seit heute. Dass aber Teile von ihr daraus den Schluss ziehen, eine Kooperation mit Querfront-Strategen – also die Öffnung nach rechts – sei das geeignete Rezept zur Überwindung dieser Krise, ist ein Offenbarungseid.
Was halten Sie davon, dass unter dem Aufruf zur Demonstration am 13. Dezember vor dem Schloss Bellevue nicht nur Sahra Wagenknecht und etliche Linkspartei-Abgeordnete stehen, sondern Verschwörungstheoretiker wie Ken Jebsen?
Der Parteivorstand hat bereits im Mai festgestellt, dass eine solche Kooperation nur zur Folge haben wird, rechtspopulistische Welterklärungsmuster und Querfront-Strategien salonfähig zu machen, und sich von diesen neurechten Ideologien klar distanziert. Leute wie Mährholz und Jebsen stehen genau für diese Strategien, und sie erfreuen sich freundlicher Rezeption in Teilen der orthodoxen Linken. Ich sehe diese Offenheit für die Querfront mit Gruseln.
Zumal Argumente hier offenbar genauso abprallen wie bei einer Ansammlung von Illuminati- oder Chemtrail-Fans. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass auch linke Bundestagsabgeordnete wie zum Beispiel Diether Dehm diese Grenzüberschreitungen ganz bewusst immer wieder suchen.
Jahrgang 1974, ist Mitglied des Parteivorstands der Linkspartei sowie Landesvorsitzender in Berlin. Innerhalb der Partei gehört er zu den Reformern.
Den Demo-Aufruf hat auch die Israel-Hasserin Evelyn Hecht-Galinski unterzeichnet, die letzte Woche in einem Artikel schrieb: „Der Tag des Zorns wird kommen! Free Palestine! From the River to the Sea Palestine has to be Free!“
Das ist absolut inakzeptabel. Nicht nur Boykottaufrufe gegenüber israelischen Produkten, die Dämonisierung Israels und seine Gleichsetzung mit dem faschistischen Deutschland, sondern auch das Bestreiten des Existenzrechts Israels sind mit unserem Programm nicht vereinbar. Die Bundestagsfraktion hat bereits 2011 dazu eine klare Beschlusslage herbeigeführt.
Als Reaktion auf die Jagdszenen um Fraktionschef Gregor Gysi im Bundestag („Toilettengate“) hat der Vorstand der Linkspartei extreme Israel-Kritiker in den eigenen Reihen zurückgepfiffen – sich aber zugleich gegen „eine inflationäre Verwendung“ des Antisemitismus-Vorwurfs gewandt. Man erwarte, „dass jegliche Aktivitäten“ von Mandatsträgern grundsätzlich „auf der Basis unserer programmatischen Grundsätze erfolgen“, heißt es in dem Beschluss vom Wochenende. (taz)
Trotzdem muss ich zur Kenntnis nehmen, dass aus den Reihen von Bundestagsfraktion und Partei immer wieder der Schulterschluss mit solchen Akteuren gesucht wird. Ich erwarte, dass beide den Willen und die Kraft entfalten, wiederholten Verstößen auch mit Konsequenzen zu begegnen. Denn solche Aktionen sind nicht mehr einfach nur naiv. Nach den Debatten der zurückliegenden Jahre können sie nur Vorsatz sein.
Stellt sich Ihnen nicht die Frage, wer von beiden in der falschen Partei ist: Sie selbst oder die Unterzeichner des Demo-Aufrufs für den 13. Dezember?
Als Linker kannst du aus der Linken als gesellschaftlicher Strömung nicht mal so eben austreten. Du kannst nur alles daransetzen, dass sie eine progressive, kritische, radikale Linke wird, statt sich an rückwärtsgewandten reaktionären Veranstaltungen zu begeistern.
Und wie geht das?
Ich denke, die große Mehrheit unserer Aktivistinnen und Aktivisten teilt die Abgrenzung gegenüber Querfront, Verschwörungstheorien und auch gegenüber einseitiger und obsessiver Parteinahme im Nahostkonflikt, die einer Relativierung der Naziverbrechen und der Sympathie für fundamentalistische Formationen Tür und Tor öffnet. Es ist allerdings nötig, dass wir klarmachen, dass es sich dabei um sozialistisch-demokratische Essentials handelt, nicht um den geschützten Bereich der individuellen Glaubensfreiheit und Religionsausübung jedes Mitglieds oder Mandatsträgers. Die Linke ist keine Sekte. Sie muss aber dafür sorgen, dass das auch immer wieder deutlich wird – und so bleibt.
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