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Nach dem Anschlag in JerusalemIsrael bewaffnet seine Bürger

Israels Präsident warnt vor einer Intifada. Die Regierung erleichtert es den Bürgern, Waffen zu tragen. Gleichzeitig lässt der Staat weiter Siedlungen bauen.

Israelis beim Begräbnis eines beim Anschlag getöteten Polizisten. Bild: dpa

NEW YORK/JERUSALEM/TEL AVIV dpa | Nach der Serie palästinensischer Anschläge erleichtert Israel es seinen Bürgern, zum Schutz Waffen zu tragen. Polizeiminister Izchak Aharonovich billigte am Donnerstag Erleichterungen bei der Ausgabe von Waffenscheinen. Wachmännern solle drei Monate lang erlaubt werden, ihre Waffen mit nach Hause zu nehmen, berichtete die Nachrichtenseite Ynet.

Außerdem werde man die Liste von Ortschaften ausweiten, deren Einwohner Waffen tragen dürfen. Veteranen von Elite-Einheiten der Armee und Offiziere solle es ebenfalls erlaubt werden, sich zu bewaffnen. Am Dienstag hatten zwei Palästinenser bei einem Anschlag auf eine Synagoge in Jerusalem fünf Menschen getötet.

Indes haben die Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen den Anschlag verurteilt. Das mächtigste UN-Gremium bezeichnete das Attentat in einer Mitteilung vom Mittwoch als „abscheulich“. Zugleich sorgten sich seine Mitglieder über die wachsenden Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern in der Stadt. Der Sicherheitsrat rief die Konfliktparteien auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Beruhigung der Lage führen.

Die USA kritisierten israelische Genehmigungen für den Bau von 78 Wohneinheiten in Har Homa und Ramot. Nach Angaben der israelischen Nachrichtenseite Walla hatte die Jerusalemer Stadtverwaltung die Projekte am Mittwoch gebilligt. Die Bauprojekte liegen in Stadtteilen außerhalb der grünen Linie, die zwischen dem israelischen Kernland und den 1967 eroberten Gebieten verläuft.

Die Palästinenser sehen in Ost-Jerusalem die Hauptstadt eines künftigen eigenen Staates, Israel beansprucht hingegen die ganze Stadt als „ewige, unteilbare Hauptstadt“. Jeff Rathke, ein Sprecher eines US-Außenministeriums, sagte zu den Bauplänen: „Während dieser sensiblen Zeit in Jerusalem tragen solche Aktivitäten nicht zu dem Bemühen bei, die Spannungen zu verringern und einen Weg in Richtung Frieden zu suchen.“

Kein Interesse an Religionskrieg

Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin warnte am Mittwochabend vor dem Beginn eines gefährlichen Palästinenseraufstands, einer neuen Intifada. Israel wolle keinen Krieg mit dem Islam führen, betonte er im Gespräch mit dem israelischen Fernsehen. „Auch (Palästinenserpräsident) Abu Masen (Abbas) ist nicht an einem Konflikt und einem Religionskrieg interessiert, aber er setzt seine Autorität nicht dazu ein, die Unruhen zu beenden.“

Im arabischen Ostteil Jerusalems kam es am Mittwoch erneut zu Konfrontationen von Palästinensern mit israelischen Sicherheitskräften. Die israelische Zeitung Haaretz berichtete am Donnerstag, Israels Polizei, Armee und Inlandsgeheimdienst Schin Bet wollten eine gemeinsame Einheit aufbauen, um Informationen über potenzielle Terroristen aus Ost-Jerusalem zu sammeln.

Der Bürgermeister von Aschkelon, Itamar Shimoni, will Medienberichten zufolge keine Araber mehr in städtischen Kindergärten und Schulen beschäftigen, während Kinder anwesend sind. So würden in Kindergärten die Arbeiten mit arabischer Beteiligung an Räumen zum Schutz vor Raketenangriffen bis auf weiteres gestoppt, berichtete Haaretz unter Berufung auf einen Facebook-Eintrag des Politikers.

Die Maßnahmen erfolgten auf Druck von Eltern, die sich vor einem Anschlag fürchteten. Die Vorkehrungen gelten demnach so lange, bis sich die Spannungen in dem Land legten. Aschkelon war in der Vergangenheit häufig Ziel von Raketenangriffen aus dem Gazastreifen.

Dieser Artikel wurde aktualisiert um 10.05 Uhr.

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21 Kommentare

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  • Leider steht in dem Artikel nicht, dass es wegen Shimonis Anweisung, keine Araber mehr zu beschäftigen, heftige Kritik gehagelt hat. Nachzulesen in Spiegel Online:

     

    "Für diese Maßnahme muss er nun reichlich Kritik einstecken - auch von Regierungsmitgliedern. Innenminister Gilad Erdan sagte: "Bei allem Verständnis für die aktuelle Besorgnis der Bürger darf diese nicht auf eine ganze Bevölkerungsgruppe zurückfallen."

     

    Im Armeeradio griff Wissenschaftsminister Yaakov Perry Bürgermeister Shimoni scharf an: Der Versuch, die Beschäftigung von israelischen Arabern zu behindern "nur weil sie Araber sind, ist nicht nur rassistisch und unmoralisch, sondern auch gesetzeswidrig". Die Vorsitzende des Elternrates von Ashkelon, Avivit Simani, kritisierte die Maßnahmen ebenfalls als "populistisch motiviert"."

    • @Martin Fierro:

      Sogar Wirtschaftminister Bennet vom rechts-nationalen Flügel spricht sich auf Schärfste gegen diese Entscheidung aus und sagt, dass er sich gegen jegliche Art von Diskrimierung bei Arbeitskräften vehement wehren wird.

      " Juden und Araber leben in einem Land, und wir müssen miteinander auskommen"

    • @Martin Fierro:

      können Sie sich eigentlich vorstellen, was los wäre, wenn die gesamte arab work force Israels in einen solidaritäts-generalstreik träte?

      • @christine rölke-sommer:

        Ich möchte mir nicht vorstellen, was los wäre, wenn Mitglieder der Arab Work Force beim Bau der Schutzbunker pfuscht.... Ein Schelm, wer Böses dabei denkt... Jedenfalls liegen die Nerven in Israelistina ziemlich blank

        • @Martin Fierro:

          so so. a-ha.

          nun, mein schelmiger bauarbeiter-tate selig hätte gesagt: wenn das so ist

          "Obwohl die Stationierung von Sicherheitskräften Aufgabe der Regierung sei, habe er auf Drängen der Eltern angeordnet, ab sofort "bewaffnete Wachleute an allen Grundschulen zu postieren, in deren Nachbarschaft Baustellen mit arabischen Arbeitern liegen", so Shimoni."

          dann baut euch eure hütten+bunker mal fein selber. denn wozu soll ich hütten+bunker bauen, in die ich im fall des falles selbst nicht rein darf? oder glaubt ihr etwa, ich riskierte, aus dankbarkeit für knochenarbeit auch noch erschossen zu werden, weil einem wachmann der finger juckt?

  • Auch interessant.

    Israel beschäftigt Palästinenser, um die Kindergärten anschlagssischer auszubauen.

    • @Age Krüger:

      Was genau daran ist jetzt paradox, pikant, was auch immer? Wäre ich ein dort arbeitender Palästinenser, ich wäre eher beschämt, dass solche Bauarbeiten notwendig sind.

      • @dotfucation:

        Ich hätte solche Arbeiten eigentlich eher für sicherheitsrelevant gehalten.

         

        Insofern ist das ja doch erstmal ein Vertrauensbeweis, dass sie die Palästinenser diese Aufgaben ausführen lassen. Wobei natürlich unklar ist, ob es nur einfache Hilfsdienste sind oder auch höherwertige Arbeiten.

      • @dotfucation:

        als in israel arbeitender palästinensischer bauarbeiter oder küchenhelfer hätten Sie im moment ganz andere sorgen.

  • Paradox - aber dennoch -

     

    Schade - daß das Ben Gurion

    wie auch Golda Meir -

    nicht mehr/früher

    erleben konnten - mußten -

     

    Vielleicht wären ihm und allen! nachfolgenden Verantwortungsträgern

    Israels -

    (Simon Peres mal ausgenommen)

     

    der so naheliegende

    und so klare Satz

    eines Fritz Pearls -

     

    " Was man bekämpft -

    wird man auch "

     

    angesichts der 1948-Klitterei

    früher in den Sinn gekommen.

    • @Lowandorder:

      ich tät den satz ja abwandeln in

      "was man bekämpft -

      ist man schon"

      • @christine rölke-sommer:

        sorry -

        mit Heinz von Foerster -

        das ist der/ein Satz 2.Ordnung

        (Bömmel lasse ich als unernst mal weg)

        &so mechanisch würd ich das nicht sehen wollen -

        meine Sie´s wahrscheinlich aber auch nicht -

        zumal die Erfahrung lehrt -

        daß die Erfahrung nichts lehrt;

        womit sich jedenfalls für uns beide

        ganz offensichtlich der Kreis schließt -

        und die falschen Freunde

        in den Blick geraten.

  • Nein, Nein, das

     

    mit dem bewaffneten Selbstschutz, wie gerüchteweise vor vielen Jahren auch vom RFKB praktiziert, funktioniert niemals und ist auschließlich Grund für noch mehr Gewalt der "Bösen".

     

    Lesen israelische Regierungsstellen denn nie die deutsche Presse?

     

    Dort, und nur dort, sitzt doch die weltweit führende Expertise zum Thema!

    • @KarlM:

      So ist das, "die Juden" sollten wirklich öfters die Elaborate deutscher Print- und Fernsehmedien beherzigen, denn es gilt: "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen".

      • @ManLeng:

        "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen".

        Das gilt noch immer. Erklären einem Eskimo (nein, man muss ja Inuit sagen) ökologischen Fischfang, Moslems den richtigen Islam und der übrigen Welt den Frieden (da sind wir ja Experten).

        • D
          D.J.
          @dotfucation:

          Ja, wir sind ja nun die besseren Menschen, haben aus unseren Fehlern gelernt und belehren nun die Welt, wie böse doch Krieg ist. Besonders intensiv belehren wir dabei die Opfer angekündigter Völkermorde (am intensivsten gerade in Syrien). Können ja auch woanders hin, sollen sich nicht so haben.

          Kein Belehren mehr mit herrischer Stimme, nein, ein Belehren mit der sanften Stimme eines Augstein oder einer Käßmann. denn wir haben ja gelernt, dass man mit Sanftheit viel weiter kommt.