Kommentar Waffenexporte: Gut gebrüllt, Löwe!
Kleinwaffen deutscher Produktion töten in Bürgerkriegen Zivilisten. Eine Schande, wie Gabriel bemerkt. Doch ob Restriktionen folgen, bleibt unklar.
M it Waffenexporten wird in Deutschland viel Geld verdient. Man muss kein strenger Moralist sein, um das als Skandal zu empfinden. Die Rüstungsindustrie macht zwar weit weniger als ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, aber das ist immer noch genug, um die Politik unter Druck setzen zu können. Das Zauberwort lautet: Arbeitsplätze!
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel scheint nun zu einer etwas vorsichtigeren Praxis der Waffenexportgenehmigung zu neigen. Prompt ist die Rüstungslobby in der Union auf den Plan getreten, die vorsorglich den Untergang der ganzen Industrie an die Wand malt.
Es ist erfreulich, dass Gabriel nicht einfach weitermachen will, wo Schwarz-Gelb aufgehört hat. Allerdings gibt es ziemlich viele Fragen, auch viel Unklares, weil Rüstungsgeschäfte noch immer der Öffentlichkeit weitgehend entzogen sind. Wie verhält sich Gabriels Moraloffensive zu Merkels Doktrin? Denn die Kanzlerin hat aus dem Desaster des Afghanistaneinsatzes die wenig originelle, aber für sie typische Schlussfolgerung gezogen, dass man fortan eben keine Soldaten, sondern lieber mehr Ausbilder und Waffen schicken wird.
Mit Kleinwaffen, wie sie zum Beispiel Heckler & Koch herstellt, wird das Gros an Zivilisten in Bürgerkriegen getötet. Der Anteil der Kleinwaffen am deutschen Export lag 2013 unter 0,01 Prozent. Ein Drittel der deutschen Kleinwaffen landete in Dritte-Welt-Staaten. Reicht das nicht, um Kleinwaffenexport zu verbieten?
Gabriel sagt: „Es ist eine Schande, dass Deutschland zu den größten Waffenexporteuren gehört.“ Er versteht es, mit Worten umzugehen, und ist ein blendender Redner. Wobei „blendend“ nah an „Blendwerk“ ist. Senkt die Große Koalition die Waffenexporte wirklich radikal? Wir werden Sigmar Gabriel daran messen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei