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Bundestag einigt sich auf NSA-AusschussJetzt wird aufgeklärt

Lange haben Koalition und Opposition über einen Ausschuss zur Überwachung durch die US-Geheimdienste gestritten. Ab April geht es los.

„Der Spion der aus dem Handy kam“: Rosenmontagsumzug in Mainz. Bild: dpa

BERLIN taz | Nach wochenlangen Verhandlungen wird es jetzt ernst: Am Donnerstagabend einigten sich die Fraktionen der Koalition und Opposition auf eine gemeinsame Einsetzung des NSA-Untersuchungsausschusses. Das Gremium soll nun kommende Woche im Bundestag beschlossen werden.

Christine Lambrecht, parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, äußerte sich zufrieden. „Die Einigung ist ein sehr gutes Zeichen, dass in diesem Fall das gesamte Parlament mit einer Stimme spricht.“ Auch Michael Grosse-Brömer, Geschäftsführer der Unions-Fraktion, sprach von einem „guten Signal mit Blick auf den Schutz von Bürgerrechten in Deutschland“.

Seit Jahresbeginn hatten Koalition und Opposition mit dem Ausschuss gerungen. Dass dieser kommen und das millionenfache Datenausspähen des US-Geheimdienstes aufklären sollte, war Konsens – der genaue Untersuchungsauftrag allerdings nicht. Grüne und Linkspartei wollten stärker auch die eigenen Dienste ausleuchten, CDU und SPD eher nötige Reformen besprechen.

Nach mehreren Sitzungen einigten sich Unterhändler beider Seiten nun auf einen gemeinsamen Antrag. Bis zurück ins Jahr 2001 soll der Ausschuss die „Internet- und Telekommunikationsüberwachung“ in Deutschland „klären“, wie es in dem Untersuchungsauftrag heißt, der der taz vorliegt. Überprüft werden sollen die Geheimdienste der „Five Eyes“-Staaten: USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland. Die Koalition hatten ursprünglich nur die US- und britischen Dienste vorgesehen.

Orientierung am NSU-Ausschuss

Auch soll der Ausschuss klären, inwieweit „die Bundesregierung, Nachrichtendienste oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik von derartigen Praktiken Kenntnis hatten, daran beteiligt waren, diesen entgegenwirkten oder gegebenenfalls Nutzen daraus zogen“. Am Ende soll die Runde auch Vorschläge erarbeiten, wie deutsche Kommunikationswege „rechtlich und technisch“ besser geschützt werden können.

Insgesamt acht Abgeordnete sollen in dem Ausschuss sitzen, dazu eine gleiche Zahl an Stellvertretern. Am kommenden Dienstag wollen die Fraktionen den Antrag beschließen, am Donnerstag soll auch das Bundestagsplenum zustimmen. Die erste Sitzung des Ausschusses wäre dann Anfang April.

Die Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann nannte als Ziel des Gremiums „eine umfassende Aufklärung der Überwachung und Ausspähung der Bevölkerung durch verbündete Staaten sowie des Austausches zwischen den Diensten“. SPD-Frau Lambrecht erhoffte sich eine „überparteilich effektive Aufklärung“: Der Ausschuss soll „weniger als reines parteipolitisches Kampfinstrument“ genutzt werden und sich an der parteiübergreifenden Arbeit des jüngsten NSU-Ausschusses orientieren.

Die Opposition hat für den Start bereits eine erste Belastungsprobe vorbereitet: Grüne und Linke wollen den NSA-Whistleblower Edward Snowden vorladen. CDU und SPD halten davon wenig: Zu groß ist die Sorge vor der transatlantischen Verstimmung.

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2 Kommentare

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  • H
    Hans

    „guten Signal mit Blick auf den Schutz von Bürgerrechten in Deutschland“

    -So ein Bullshit! Da interessiert die Regierung einen Scheiß.

     

    "und sich an der parteiübergreifenden Arbeit des jüngsten NSU-Ausschusses orientieren"

    -Genau, damit das auch in Vergessenheit gerät

     

    Am Ende bleibt es alles wie vorher. Es ist auch alles so gelaufen, wie die Regierungen es wollten. Die Presse und der Bürger haben sich ein bisschen empört, so muss man sie beschwichtigen, einlullen und nach einem Jahr haben die Meisten das eh vergessen und es geht weiter wie vorher. Brave new World.

  • S
    SigismundRuestig

    Bzgl. der ersten beiden Untersuchungsauftträge sind etliche der angesprochenen Fragen wohl rein rhetorischer Natur: die massenhafte, illegale Ausspähungen einerseits sowie die Willfährigkeit, Naivität und Heuchelei deutscher Regierungen ( ich nenne nur Friedrich, Pofalla, Anpassung G10-Gesetz) andererseits sind grundsätzlich ja kaum noch in Zweifel zu ziehen. Wichtiger ist der dritte Untersuchungsauftrag: ausgehend von der Tatsache, dass mittlerweile zur Spionage und Überwachung alle verfügbaren technischen Mittel flächendeckend und umfassend eingesetzt werden müssen endlich transparente und verbindliche gesetzliche Regeln beschlossen und moralische Regeln anerkannt werden, die den Menschen- und Freiheitsrechten wieder absoluten Vorrang einräumen und den sicherheitsbedingten Maßnahmen enge, richterlich und parlamentarisch überwachte Grenzen setzt. Dies auch international durchzusetzen ist dann der nächste Schritt. Um hier den notwendigen Druck auszuüben, sollten m.E. zumindest im Bereich der öffentlichen Dienste ( Privatunternehmen werden über kurz oder lang diesen Schritt auch gehen müssen, wenn sie nicht Ihr Firmenknowhow vollends preisgeben wollen) IT-Produkte, "sogenannte" IT-Sicherheitslösungen und IT-Dienstleistungen aus Ländern wie USA, Kanada, Groß Britannien, Frankreich, Russland, China, Israel, Australien, Neuseeland - also alle zusammen, wie wir heute wissen, wenig vertrauenswürdig was das Ausspionieren anbelangt - gemieden werden. Wirtschaftlicher Druck ist die Sprache, die in diesen Ländern verstanden wird. Zudem ist es unausweichlich, dass sämtliche Spionageeinrichtungen anderer Länder auf deutschem Boden abzuschalten sind. Letztere beiden Punkte können und sollten sofort angegangen werden. Da dies aber erfahrungsgemäß viel Zeit brauchen wird zur Überbrückung und weiteren Sensibilisierung mein Tip: Hören Sie mal an, was Sigismund Ruestig dazu auf YouTube zu sagen bzw. zu Singen hat.

    Sigismund Ruestig