Reaktionen auf „Fuck the EU“-Aussage: Rückendeckung für Victoria Nuland
Vitali Klitschko nimmt die US-Diplomaton Nuland für ihre geleakten Aussagen in Schutz. Und die USA diskutieren Datensicherheitsstandards für Regierungsmitarbeiter.
BERLIN dpa/afp | Die wegen abfälliger Äußerungen über die EU in die Kritik geratene US-Diplomatin Victoria Nuland bekommt Rückendeckung. Der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder hält ihre Bemerkungen für einen „einmaligen Ausrutscher“. Auch der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko nimmt die US-Europabeauftragte in Schutz. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, Elmar Brok (CDU), warf derweil Russland vor, Europäer und Amerikaner gegeneinander ausspielen zu wollen.
Infolge des Leaks diskutieren nun auch die USA über die Sicherheitsstandards bei der Kommunikation von Regierungsmitarbeitern. Alle Angestellten des US-Außenministeriums verfügten über ein Blackberry-Diensthandy mit Datenverschlüsselung, sagte Ministeriumssprecherin Jen Psaki am Freitag. „Sie haben allerdings keine Sprachverschlüsselung“, fügte sie hinzu. Als geheim eingestufte Gespräche dürften laut den Richtlinien des Ministeriums nicht über diese Mobiltelefone geführt werden.
Sie vertraue auf die Sicherheit des diplomatischen Kommunikation, betonte Psaki. Das Außenministerium überprüfe regelmäßig seine Vorsichtsmaßnahmen. Mitarbeiter würden auf mögliche Risiken hingewiesen. Auf die Frage, ob US-Außenminister John Kerry ein Mobiltelefon mit Sprachverschlüsselung nutze, ging Psaki nicht näher ein.
„Sie hat sich entschuldigt, und damit ist das auch gut“, sagte Mißfelder der Saarbrücker Zeitung. In Washington gehöre Nuland zu den besten Europakennern. Ihr Satz sei kein Beleg für eine Kluft in der Ukraine-Politik, „sondern wohl eher eine Sache des täglichen Politikmanagements, wo schon mal Reibungen entstehen“, fügte der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanischen Beziehungen hinzu.
„Etwas raus gerutscht“
In einem abgehörten Telefonat, dessen Mitschnitt inzwischen im Internet steht, sagt Nuland zum US-Botschafter in der Ukraine: „Fuck the EU“. Die Episode wirft ein weiteres Schlaglicht auf das schwierige Verhältnis zwischen den USA und der EU. Klitschko schreibt in einem Beitrag in der Bild, Nuland sei „etwas raus gerutscht, was sie sicherlich so nicht meint“. Vielmehr solle man sich fragen: „Wie kann es sein, dass Vermittler und Botschafter abgehört und ihre Telefonmitschnitte im Internet zur Propaganda verwendet werden?“
Wie die USA macht Brok dafür Russland verantwortlich. „Der Trick Amerikaner und Europäer durch abgehörte Telefonate aufeinander zu hetzen, ist die alte russische Art der Desinformationspolitik. Darauf dürfen wir jetzt nicht reinfallen“, sagte Brok der Welt. Die EU müsse Besonnenheit zeigen, „auch wenn es einen gewissen Ärger über die Äußerungen der hohen US-Diplomatin gibt“.
Linkspartei-Chef Bernd Riexinger sprach hingegen von einem „Tabubruch mit unabsehbaren Folgen“. „Niemand sagt uns, dass die Amerikaner nicht morgen einen Mitschnitt von Merkel im Netz lancieren“, sagte er den Ruhr Nachrichten. „Ich warne vor einem neuen, kalten Spionagekrieg.“
Merkel betont Geschlossenheit
Im Zusammenhang mit der Ukraine-Politik hat Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstag nach Abschluss der CDU-Vorstandsklausur in Erfurt zu einem einheitlichen Auftreten „im Sinne der Menschen in der Ukraine“ aufgerufen. Die EU und die USA verfolgten dort „absolut die gleichen Ziele“, was die Bürgerrechte und die Demokratie anbelange, sagte sie. Merkels Sprecherin hatte Nulands Äußerungen am Freitag als „absolut unakzeptabel“ kritisiert.
Am Samstag verwies Merkel nun erneut auf die „überragende“ Bedeutung der Beziehungen zu den USA. Deswegen müssten beide Seiten „alles tun, was Vertrauen schafft“. Mit Blick auf die jüngsten Abhörskandale sagte Merkel, Deutschland werde sich weiter dafür einsetzen, dass weniger abgehört werde. „Es steht zu vermuten, dass da noch eine Menge Arbeit vor uns liegt.“
In einer auf der Klausur in Erfurt beschlossenen Erklärung äußerte sich der CDU-Vorstand besorgt über die Situation in der Ukraine, in der „hunderttausende von Ukrainern trotz massiver Repressionen für Freiheit und eine europäische Zukunft ihres Landes“ kämpften. Die CDU forderte die ukrainische Führung auf, das Recht der Ukrainer auf Meinungsfreiheit zu respektieren und sich im Gegenzug für europäische Finanzhilfen zu Reformen zu bekennen.
Sollte sich die ukrainische Führung „elementaren Bürgerrechten“ weiter verweigern, werde sich die CDU für „personenbezogene Sanktionen“ gegen die Unterdrücker einsetzen, heißt es in dem Beschluss. Merkel betonte mit Blick auf die andauernden Gespräche auch mit der ukrainischen Führung, auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung sei es kein Widerspruch, über Sanktionen zu sprechen und gleichzeitig „Gesprächsfäden“ aufrecht zu erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland