Studie über psychische Erkrankungen: Hartz-IV-Empfänger häufiger betroffen
Ein Drittel der Bezieher von Hartz IV haben psychische Probleme. Die Arbeitsagentur will ihre Mitarbeiter deshalb besser ausbilden.
NÜRNBERG dpa | Hartz-IV-Empfänger leiden nach Erkenntnissen von Arbeitsmarktforschern besonders häufig unter psychischen Erkrankungen. Bei mehr als einem Drittel von ihnen wurde innerhalb eines Jahres mindestens eine psychische Beeinträchtigung festgestellt. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Universität Halle-Wittenberg hervor. Die Forscher berufen sich unter anderem auf Krankenversicherungsdaten.
Viele Arbeitslose litten unter affektiven und neurotischen Störungen, Depressionen und seelisch bedingten körperlichen Leiden. Da sie wegen ihrer Erkrankungen nur geringe Jobchancen hätten, bräuchten sie eine intensivere Förderung.
Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit (BA), sind diese neuen Erkenntnisse Ansporn für eine bessere Betreuung der Betroffenen. „Wir fühlen uns von dieser Studie herausgefordert, dieses Thema noch intensiver zu bearbeiten als bisher“, sagte das für Hartz IV zuständige BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt am Donnerstag.
Künftig müssten Mitarbeiter der Jobcenter noch besser für den Umgang mit Menschen mit psychischen Handicaps fortgebildet werden, sagte Alt. „Im Zentrum steht die Frage: Erkennen wir die psychischen Probleme auch, die ein Mensch hat? Dafür brauche ich einen geschulten Blick, damit ich sagen kann: Hier könnte vielleicht ein Handicap vorliegen, das einer Arbeitsaufnahme im Weg steht oder einer Qualifizierung."
Schulungen von Ärzte und Psychologen
Ansatzpunkte erhofft sich die Bundesagentur von zwei Projekten in Nordrhein-Westfalen. Eines davon sei bereits Anfang Oktober im Jobcenter Bergisch Gladbach gestartet worden, ein zweites folge demnächst in Gelsenkirchen. Ärzte und Psychologen schulen Mitarbeiter darin, psychische Erkrankungen im Gespräch zu erkennen, sowie in dem dann folgenden richtigen Umgang mit den Betroffenen. „Die aktuelle Untersuchung bestärkt uns, dass wir mit diesem Ansatz auf dem richtigen Weg sind“, sagte Alt.
Gefordert seien bei dem Thema aber auch Unternehmen. Sie sollten psychisch eingeschränkten Menschen eine Chance geben. „Denn viele von ihnen sind hochproduktiv, hochintelligent. Aber sie müssen in einem Rahmen arbeiten, der nicht zusätzlich belastet, sondern eher in einem Arbeitsumfeld, das zur Genesung beiträgt“, betonte Alt. Vorgesetzte und Kollegen müssten gut informiert sein über die psychischen Einschränkungen neuer Mitarbeiter. „Denn die Erfahrung zeigt: Eine zufriedenstellende Arbeit ist oftmals die beste Therapie.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich