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EU beschließt schlechtere KontrollenUngenauere Fleischbeschau

Inspektoren dürfen geschlachtete Tiere nur noch ausnahmsweise durch Anschneiden untersuchen. So könnten mehr Krankheitserreger in der Küche landen.

In Zukunft wohl nicht mehr getestet. Bild: dpa

BERLIN taz | Schlachthöfe müssen künftig Tierkörper ungenauer als bisher auf Krankheiten untersuchen. Das Europäische Parlament stoppte am Mittwoch eine entsprechenden Verordnung der EU-Kommission nicht. Damit dürfen ab Juni 2014 die Kontrolleure frisch geschlachtete Schweine im Regelfall nicht mehr untersuchen, indem sie sie abtasten oder anschneiden.

Das müssen sie nur noch, wenn es konkrete Hinweise auf Risiken für die Gesundheit oder den Tierschutz gibt. Verbraucherschützer gehen davon aus, dass diese laxeren Regeln demnächst auch auf andere Tierarten ausgeweitet werden.

„Das ist ein Skandal“, sagt Matthias Wolfschmidt, Vizegeschäftsführer der Konsumentenorganisation Foodwatch. „Das bedeutet, dass potenziell Tiere in Umlauf kommen, die Krankheitserreger tragen.“ Die Reform sei sehr gravierend, weil sie „ein echter Angriff auf das Vorsorgeprinzip“ darstelle.

Bisher werden der Bundestierärztekammer zufolge die meisten Schlachtkörper in Deutschland auch durch Tasten und Schneiden untersucht. „Um etwa die Infektionskrankheit Rotlauf bei Schweinen festzustellen, muss man das Herz aufschneiden“, erklärt Kammerpräsident Theodor Mantel.

Fleischwirtschaft begrüßt die Entscheidung

Das wird in Zukunft kaum noch möglich sein. Da in Schlachthöfen meist nach Akkordlohn gezahlt wird, werden die anderen Beschäftigten auf die Veterinäre Druck ausüben, damit diese nicht das Fließband für eine genauere Untersuchung langsamer laufen lassen. Das trauen sie sich wohl nur, wenn die Hinweise auf mögliche Krankheiten extrem stark sind.

Die EU-Kommission begründet die Verordnung damit, dass durch das Tasten und Anschneiden Erreger von einem Schlachtkörper zum nächsten übertragen werden könnten. Doch das weist Mantel zurück. „Das verhindern ja Hygienemaßnahmen. Der Veterinär muss zum Beispiel das Messer wechseln.“ In Wirklichkeit wollten die EU-Regierungen die Fleischproduktion noch billiger machen, kritisiert die SPD-Europaabgeordnete Dagmar Roth-Behrendt.

Der Verband der Fleischwirtschaft dagegen begrüßte die Entscheidung. Befall mit Bakterien wie Salmonellen „können weder durch Anschnitt und/oder Durchtastung erkannt werden“, teilte die Organisation mit. Zerbissene Schwänze oder verklebte Lungen, die auf mögliche Verstöße gegen den Tierschutz hindeuten, könnten ohnehin „rein visuell festgestellt“ werden.

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17 Kommentare

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  • A
    Antonietta

    Um 1 kg Fleisch zu erzeugen, benötigt man 7–16 kg Getreide oder Sojabohnen. Dies kann ohne Übertreibung als die effektivste Form von Nahrungsmittelvernichtung bezeichnet werden. In den USA fressen die rund 8 Milliarden Schlachttiere 80% der Getreideernte. Bei den Sojabohnen dienen weltweit sogar 90% als Futtermittel. Rund ein Drittel des weltweit produzierten Getreides wird an Tiere verfüttert, um deren Fleisch zu essen. Würden z.B. die Amerikaner nur 10% weniger Fleisch essen, so könnte man mit dem dadurch eingesparten Getreide rund eine Milliarde Menschen vor dem Hungertod bewahren. Alle 3 Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung!!

  • H
    Herbert

    Und die Veganer essen dann Gentechnik... Es wird doch jeder verarscht!

    • L
      Laura
      @Herbert:

      Nicht mit Produkten hergestellt nach "Bioland" oder "Demeter"-Verordnung. Ich esse seit Jahren nichts anderes mehr.

  • L
    Luigi

    Das ist gut so !!!! Somit können sich Krankheitserreger unbeobachtet verbreitern und Fleischesser werden endlich kapieren das tierisches Fleisch nicht in unseren Mägen gehört !!! Mir, als Veganer, kann ja nicht passieren. Mahlzeit !!

    • @Luigi:

      Hm, und was ist mit Joghurt, Käse, Milch? Ohne "Fleischesser" müssten derartige Produkte wohl um ein Vielfaches im Preis steigen. Allein die Futterkosten - nicht auszudenken

  • Ich vermute mal, dass diese Verordnung den meisten Fleischkonsumenten hier in Deutschland egal ist - wenn sie überhaupt in anderen Medien bekannt gemacht wurde.

     

    Hauptsache billig und viel auf dem Teller - die Qualität ist wurscht!

    • @Rossignol:

      Wieso billig. In Deutschland ist Fleisch im Vergleich zu anderen EU-Ländern besonders teuer! Die tierischen Produkte wie Eier, Milch und Käse sind viel zu teuer, weil die Lieferanten in Form von Kuh und Huhn ja keiner mehr essen will ...

    • E
      Elmexx
      @Rossignol:

      @RISSIGNOL da hast du voll kommen recht!!! nur noch geiz ist geil die medien machen es den dummen "Menschenlämmern" doch vor

  • C
    carla

    So untergräbt die EU ihr arg

    strapaziertes Vertrauen

    weiter.

    Angeblich ist ja die EU so reich, kann sich aber Sicherheit

    und Kontrolle nicht leisten.

    Auf diese Weise macht sie sich zum Handlanger der Großindustrie und untergräbt

    ihren hoheitlichen Nimbus.

    Es sind halt doch nur Lobbyvertreter.

    Die Burn-out-Forcierung bei PilotInnen durch EU-Gesetze

    und die Privatisierung

    der Luftüberwachung über Europa

    macht arbeiten zum unkalkulierbaren Risiko!

    Die EU-Staaten verramschen sich und gehen katastrophale Risiken ein!!! Die Hygienebehörden werden mundtot gemacht.

    Menschenleben und Tiergesundheit

    zählen nichts im Vergleich zum Profit der Plattmacher!

  • A
    A.Franke

    Ich muss sagen, mein Mitleid mit den Konsumenten hält sich in Grenzen, seit Jahren jagt ein Fleischskandal den nächsten Tierqualskandal und die Leute kaufen diese Produkte weiter, als sei nichts geschehen.

    Übrigens, Bob Willis, Respekt für Ihren Vegetarismus, aber haben Sie auch bedacht, dass für Milch Kälber unmittelbar nach der Geburt von ihren Müttern getrennt werden und die männlichen Kälbchen nur wenig später geschlachtet werden.

    Und wer glaubt, italienischer Büffelmozzarella sei besonders natürlich, der untersuche mal die Frage, was mit den dafür produzierten männlichen Büffelkälbern geschieht: Sie werden lebend mit gefesselten Füßen und verbundenen Mäulern auf dem Müll entsorgt und damit das nicht so auffällt, werden nur weibliche Geburten registriert.

    Leider ist auch nur der Verzicht auf Fleisch nicht genug um solche Entsetzlichkeiten zu verhindern, aber es ist ein Anfang.

    Auch mein Weg zum Veganismus war ein langer und umwegreicher.

    • @A.Franke:

      Wer sagt, dass ich Milch trinke oder Eier esse? Vegetarier sind alle die noch nicht komplet vegan leben... also z.B. auch Honig bzw. Propolis als Heil-/Pflegemittel zu sich nehmen.

    • @A.Franke:

      Was mit den "Mozarellakälbchen" passiert entzieht sich meiner Kenntnis - ich hoffe es wird Anzeige erstattet.

       

      Es stimmt, dass die Kälber nach der Geburt aus hygienischen Gründen spätestens nachdem sie die „Biestmilch“ (Kolostrum) aufgenommen haben von den Kühen getrennt werden, sie bekommen aber weiterhin ihren Anteil an der Milch ab. Im Gegensatz zum Wildrind hat das Hausrind genug Milch für Kalb und Mensch.

       

      Das männliche Kälbchen kurz nach der Geburt getötet werden entzieht sich meiner Kenntnis obwohl ich auf einem Milchviehbetrieb aufgewachsen bin und immer noch in Kontakt sowohl mit konventionellen als auch alternativen MilchviehalterInnen bin.

       

      Es stimmt, dass viele Kälbchen in die Kälbermast landen welche ich selber sehr kritisch sehe und hoffe dass sie sich eines Tages erledigt haben wird. Speziell hier haben es die KonsumentInnen in der Hand!

      Keine Nachfrage nach der „Delikatesse“ Kalbsfleisch - keine Kälbermast.

       

      Bei Bullenkälbern von Zweinutzungsrassen wie sie von vielen Biomilch“erzeugern“ oder konventionellen Erzeugern in den Mittelgebirgen genutzt werden bietet sich aber ausdrücklich die zweijährige Mast im Idealfall als Weidebullen/Ochsen an.

       

      Sie beschreiben in Ihrem Kommentar zum großen Teil Auswüchse die aber nicht zwangsläufig Merkmale für eine humanisierte Nutztierhaltung sein müssen bzw. müssten.

  • Bin seit 2005 aus ethischen Gründen Vegetarier und hab es noch nicht bereut. Ich frag mich manchmal, ob Menschen, die Tiere essen, von diesen immer wiederkehrenden "Fleischskandalen" unbeeindruckt bleiben, ein schlechtes Langzeitgedächtnis haben, oder diese Informationen einfach nur verdrängen. Um so unverständlicher finde ich es, dass die Politik gerade in einem Bereich, aus dem bekannt ist, dass gefuscht wird, dieses Vorsorgeinstrument außer Kraft setzt.

    Fazit: Wer Fleisch isst, ist selber schuld ;)

  • A
    Adalet

    Dagegen kann man sich wehren, wenn man es auch ernsthaft möchte.

    Regionales Fleisch kaufen, oder vegetarisch essen.

    Beides möglich, wenn man seinen Schweinehund überwindet.

     

    Power is where the money goes...

    Wir als Konsumenten bestimmen, wie die Produzenten produzieren!

    Und eben diese lascheren Kontrollen zeigt den Einfluss der starken Fleischindustrie (gernell alle Wirtschaftslobbyverbänden), die immer billiger und schneller prodzuiert, (produzieren muss!)

    um die hohe Nachfrage nach verschiedenen Lebensmitteln zu decken.

     

    Bei vielen Berichten über die "Fleischskandale" fehlt meiner Meinung nach der Apell an die Leser/Konsumenten, welche Teilschuld sie an den Skandalen haben, und wie sie ihren Konsumverhalten eigentlich anpassen müssten.

    Das finde ich sehr schade.

    • @Adalet:

      Als Vegetarier ist man hier auf der sicheren Seite, klar.

       

      Aber gerade wenn Sie, na sagen wir mal als wenig fleischessender "Flexitarier", regional einkaufen möchten, sollten Sie bedenken, dass einige wirklich überzogenen Auflagen (muss man sich im Einzelfall anschauen) bezüglich der Fleischbeschau kleine Schlachtbetriebe und Metzger zur Aufgabe gezwungen haben und mittelbar zu der heutigen Konzentration in der Schlachtbranche beigetragen haben.

       

      Deshalb ist es auch richtig über Praktikabilität und Sinnhaftigkeit von Kontrollen nachzudenken und diese den Anforderungen anzupassen was nicht automatisch immer eine Verschärfung bedeuten muss.

      • @Waage69:

        denkt hier auch nur ein Kommentator an die Ernährung der sog. Schwellenländer oder Drittländer? Wie war das noch mit der Milchschulspeisung bei uns nach dem zweiten Weltkrieg? Genau diesen Weg geht die FAO gerade durch Aufbau privater Tierhaltung in Afrika .... Warum? Weil die Menschen kein Gras essen können und sich die Zutaten für eine ausgewogene Ernährung nicht leisten können.