Industrieflucht aus der EEG-Umlage: Umverteilung von klein nach groß
Der Strompreis steigt: Angetrieben von der Industrie. Viele Unternehmen beantragen Ausnahmen und Privilegien, die Rechnung zahlen Kleinverbraucher.
FREIBERG taz | Immer mehr Unternehmen wollen sich aus der Finanzierung der Energiewende zurückziehen. Das belegen Zahlen, die das Bundesumweltministerium nach einer Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion nun vorlegte.
So stellten in diesem Jahr 2367 Unternehmen (Vorjahr: 2023) für 3458 Abnahmestellen (Vorjahr: 3172) einen Antrag auf Begünstigungen bei der so genannten EEG-Umlage. Über diese Umlage finanzieren Stromverbraucher die Förderung der erneuerbaren Energien. Die Strommenge, für die Privilegien beantragt wurden, stieg von 107 auf 119 Terawattstunden.
Die Begünstigung ist für die Firmen sehr lukrativ: Die größten Verbraucher können nach der aktuellen Gesetzeslage bis zu 99 Prozent Rabatt erhalten; die gesamte Wirtschaft wird durch die Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) um etwa fünf Milliarden Euro entlastet. Zugleich profitieren die Firmen aber auch von den niedrigen Preisen am Strommarkt, die durch das stiegende Angebot an Solar- und Windstrom bedingt sind: Der Strompreisindex des Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) sank im Juli auf den tiefsten Stand seit Frühjahr 2005.
Ursprünglich waren die Preisnachlässe im EEG für Unternehmen gedacht, die im internationalen Wettbewerb stehen. Faktisch aber beantragen nun auch immer mehr Unternehmen die Subventionen, deren Abwanderung aus Deutschland schlicht unmöglich ist. Zum Beispiel Verkehrsbetriebe: 73 Schienenbahnen sind in der Liste jener Unternehmen aufgeführt, die bis zum Stichtag Ende Juni Anträge gestellt haben.
Unzulässige Beihilfe
Auch in diesem Jahr schon werden Schlachterein und Futtermittelbetriebe, Molkereien und Mineralbrunnen begünstigt. Und es profitieren von den Subventionen der Braunkohletagebau von Vattenfall in Brandenburg und Sachsen, der Steinkohlebergbau der RAG im Ruhrgebiet und die Erdöl- und Gasförderung von ExxonMobil in Niedersachsen.
Entsprechend wird der Strom für Kleinverbraucher teurer. Greenpeace veröffentlichte kürzlich zusammen mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) eine Schätzung, wonach die EEG-Umlage im kommenden Jahr von derzeit rund 5,3 auf 6,1 Cent pro Kilowattstunde steigen dürfte.
„Eine kurzfristig umsetzbare Maßnahme zur Stabilisierung der EEG-Umlage ist die Reform der Industriebegünstigung“, sagt Damian Ludewig, Geschäftsführer des FÖS, „die Regierung verschenkt Entlastungspotential beim EEG“. Und wenn nicht die nächste Bundesregierung das Thema regelt, wird es womöglich Brüssel tun: Die EU-Kommission sieht in den Ausnahmen für energieintensive Betriebe eine unzulässige Beihilfe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern