Britisches Spionageprogramm „Tempora“: Bundesregierung fragt nach
Nach Bekanntwerden der Überwachung von Telefon- und Internetverbindungen wünscht Berlin nun Auskunft. Das Tempora-Programm sei bisher nicht bekannt gewesen.
BERLIN dpa | Die Bundesregierung hat Großbritannien um Aufklärung zu den Berichten über ein umfangreiches Abhörprogramm des britischen Geheimdienstes GCHQ gebeten. Das Innenministerium habe der britischen Botschaft Fragen zu dem Programm „Tempora“ übermittelt, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin.
Ziel des Dialogs sei es, „Aufklärung zu schaffen, was da auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Umfang passiert“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Eine Maßnahme namens Tempora ist der Bundesregierung außer aus diesen Berichten erst einmal nicht bekannt.“
Am Freitag hatte die britische Zeitung Guardian unter Berufung auf Unterlagen des ehemaligen US-Geheimdienstlers Edward Snowden berichtet, die Briten könnten mit einem Abhörprogramm namens „Tempora“ unter anderem bis zu 600 Millionen Telefonverbindungen täglich erfassen. Seibert betonte, die Bundesregierung nehme die Berichte ernst. Es gehe um die Balance zwischen dem Schutz vor terroristischen Straftaten und dem Schutz privater Daten. „Es wird immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit sein“, sagte er.
Ulrich Weinbrenner, Ministerialrat im Bundesinnenministerium, sagte bei einer Ausschusssitzung im Bundestag, es sei „in allgemeiner Form bekannt“ gewesen, dass es Programme dieser Art gebe. „Niemand, der sich ein wenig mit der Materie beschäftigt“, könne sagen, dass er über diese Art der strategischen Aufklärung „grundsätzlich überrascht“ sei, sagte Weinbrenner. Allerdings habe die Regierung erst durch Medienberichte von der behaupteten Ausgestaltung der Programme erfahren.
Der Chef des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, Thomas Oppermann (SPD), forderte Bundeskanzlerin Merkel auf, das britische Spähprogramm beim Europäischen Rat so klar ansprechen, dass es auch Konsequenzen habe. „Wir brauchen dringend eine europäische Datenschutzrichtlinie, mit der wir die Daten der Bürger international besser schützen können.“
Hans-Christian Ströbele von den Grünen sagte, die Bundesregierung müsse mitteilen, „wie viele und welche Daten von deutschen Bürgern und Unternehmen durch die anglo-amerikanischen Geheimdienste NSA und GCHQ heimlich erhoben wurden, etwa durch Anzapfen von Glasfaserkabeln.“ Er wolle auch erfahren, „wie viele und welche dieser illegal erhobenen Daten diese Geheimdienste deutschen Stellen übermittelt haben“. Linkspartei-Fraktionsvize Ulrich Maurer sprach von einem „Bedrohungs- und Erpressungspotenzial ungeahnten Ausmaßes“. „Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung wird zur Farce.“, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour