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Abtreibung weiblicher Föten in IndienEine mutige Kämpferin

Die Abtreibung von Mädchen gehört in Indien zum Alltag. Wer sich trotzdem für die Geburt einer Tochter entscheidet, lebt gefährlich.

Das drei Monate alte Kind dieser Frau wurde vom Vater zu Tode geprügelt – weil es ein Mädchen war. Bild: dapd

DEHLI taz | Mitu Khurana schläft. Eine Treppe höher klingelt ihr Handy, aber sie hört es nicht. Ein Hausangestellter führt ins schlicht möblierte Wartezimmer im Erdgeschoss, wo Khuranas Vater seit vielen Jahren eine Praxis unterhält. Dort hängt ein hinduistisches Götterbild.

Das geräumige, dreistöckige Haus der Arztfamilie befindet sich in Janakpuri, einem ansehnlichen Wohnviertel im Nordwesten Delhis. Gegenüber vom Haus liegt ein Park, in dem auch im Spätherbst noch Bäume und Blumen blühen. Khurana ist hier in guten Verhältnissen aufgewachsen. Nach einer Weile bittet sie hinauf ins Wohnzimmer in den ersten Stock.

Mitu Khurana ist 34 Jahre alt, Ärztin wie ihr Vater und Mutter von zwei siebenjährigen Zwillingsmädchen. Unfreiwillig, weil selbst Opfer, doch von der Sache deshalb nicht minder überzeugt, führt sie Indiens Kampf gegen die Massenabtreibung weiblicher Föten.

Es ist ein Kampf um die Menschlichkeit und ums Überleben inmitten des asiatischen Wirtschaftsbooms. 12 Millionen Mädchen wurden in Indien in den letzten zwanzig Jahren nicht geboren, weil ihre Familien lieber einen Jungen wollten. Das belegen indische Studien.

In Indien und China fehlen etwa 85 Millionen Mädchen

Wahrscheinlich sterben noch viel mehr. Nach Angaben der Vereinten Nationen fehlen heute schon 85 Millionen Mädchen allein in Indien und China. Nur weil die Familien seit den 90er Jahren mit dem Ultraschallgerät frühzeitig das Geschlecht ihres ungeborenen Kindes bestimmen können und dann die Mädchen abtreiben lassen.

Fast wäre es auch in Khuranas Familie so weit gekommen, fast hätte man sie zur Abtreibung gezwungen. Sieben Jahre ist das jetzt her. Doch sie war gewappnet. Sie war mit einer Schwester groß geworden. Sie hatte Eltern, die nie Zweifel am Glück mit ihren zwei Töchtern geweckt hatten.

Der Gedanke, einen Jungen als Stammhalter gebären zu müssen, war ihr fremd. Also wollte sie ihre Mädchen austragen, als ein Arzt bei ihr im Bauch weibliche Zwillinge feststellte. Es war für sie das Selbstverständlichste auf der Welt. Damals hätte sie nie geahnt, wie dieser ganz normale Kinderwunsch ihr Leben auf den Kopf stellen würde. Welche Heldentaten er ihr abverlangen würde.

Im Grunde wäre sie heute eine Kandidatin für den Friedensnobelpreis: die erste Inderin, die ihren eigenen Mann wegen des Mordversuchs an seinen eigenen ungeborenen Mädchen verklagte. Die erste, die vor Gericht gegen ein millionenfaches Verbrechen aufbegehrt, das fast alle verschweigen.

Eine Kandidatin für den Friedensnobelpreis

Sie hat diesen Sonntagnachmittag verschlafen, weil sie die Nacht zuvor auf der Hochzeit ihres Vetters durchfeierte. Sie trägt einen weiten, grünen Sari und lässt sich auf ein großes Sofa fallen. In ihrer Wohnung gibt es keine Götterbilder – nur viele Kinderfotos. Immer die Zwillinge.

Eine Hausangestellte reicht Tee und Kekse. „Die Kinder sind noch bei meiner Schwester. Sie kommen gleich“, sagt sie und wirkt dabei auf zufriedene Art und Weise müde. Hinter ihr liegt eine gute Nacht. Endlich durfte sie wieder ein Familienfest erleben – mitfeiern, mittanzen, mitlachen.

Mitu Khurana berichtet, wie schwer der Umgang mit ihren Verwandten gewesen sei. Viele haben sie jahrelang gemieden, einige offen beschimpft. Alle waren der Meinung, dass eine Frau ihrem Mann zu gehorchen hat, auch wenn er von ihr verlangt, dass sie ihre Kinder abtreiben soll.

Sie hielten das Begehren ihres Mannes nach einem Sohn für legitim. Sie verurteilten sie erst recht, als sie ihren Mann verließ und vor Gericht ging. Sie wusch ja nun die dreckige Familienwäsche in aller Öffentlichkeit. „Sie sahen mich als die Kriminelle, nicht ihn“, sagt sie. Aber sie wusste es besser: Alle dachten wie Kriminelle, nur sie nicht. Und nur ihr fiel das auf.

Sie bemühte sich um den Prozess gegen ihren Mann, sie schloss Kontakte zu NGOs, sie trat in den Medien auf. Sie tat es ganz allein, und wie sie es erzählt, ist sie heute stolz darauf. In diesem Jahr nahm sie an der populären Fernsehsendung des Bollywood-Stars Aamir Khan teil. Der unterstützte sie. Das half schließlich auch bei den Verwandten. Sie wird nun wieder zu Festen eingeladen. Bis vor kurzem standen nur die Eltern und die Schwester zu ihr.

Sechs Monate Hölle

Aber sie hatte es nicht kommen sehen. Sie hielt ihren Ehemann für einen ehrlichen, anständigen Menschen. Wie in Indien üblich war ihre Heirat arrangiert. Nach der Hochzeit zog sie zur Familie des Mannes – auch das entsprach der Tradition. Sie tat es ohne Gram. Ihr Mann war ebenfalls Arzt, teilte und respektierte ihre beruflichen Interessen.

Ohne Sorgen und Hintergedanken wurde sie schwanger. Doch als Mann und Schwiegermutter sie gegen ihren Willen zur Ultraschalluntersuchung schleppten und erfuhren, dass sie zwei Töchter in sich trug, begann für sie ein Höllenleben. „Sechs Monate lang während meiner Schwangerschaft wurde ich gefoltert“, flüstert sie. Laut kann sie darüber bis heute nicht sprechen.

Ihr Mann ließ sie zu Hause einsperren. Sie bekam kein Essen mehr. Täglich redete die Familie auf sie ein. Ihr Mann warf sie zweimal die Treppe herunter, um eine Fehlgeburt zu provozieren. „Töte sie beide oder wenigstens eine!“, befahl ihre Schwiegermutter. Man drohte ihr, die Töchter nach der Geburt zu ertränken, wie es die Schwester der Schwiegermutter mit einer ungewollten Tochter früher getan hatte.

Sechs Monate kämpfte sie gegen die Abtreibung. Sie ist eine Ausnahmeerscheinung, denn sie hat die körperliche und geistige Kraft dafür. Sie ist über 1,70 Meter groß, kräftig gebaut, zur Selbständigkeit erzogen und war schon damals eine fertige Ärztin. Nichts konnte sie davon abbringen, ihre Töchter zu gebären.

„Ich war in eine Familie von Mördern geraten“

Dennoch zeigten ihr Mann und seine Familie keinerlei Einsehen. Sie tischten ihre alle alten Argumente gegen Töchter auf: die hohe Mitgift, der fehlende Erbe. „Ich war in eine Familie von Mördern geraten“, erkannte sie. Millionen Frauen in Indien und China aber sind zu dieser Einsicht außer Stande. Sie fühlen sich der Familie des Ehemannes ausgeliefert. Sie werden zur Abtreibung gedrängt und gehorchen.

Oft teilen sie auch die materialistischen Motive, die hinter den meisten Abtreibungen stehen. Denn die moderne indische Kleinfamilie will heute Wohnung, Auto, Sohn und eine gute Privatschule für ihn. Gerne auch noch ein Mädchen, wenn das Geld da ist. Aber meistens reicht es dafür nicht.

Mitu Khurana konnte sich zu ihren Eltern retten und gebar ihre Töchter. Bald aber begann ihr Kampf von neuem. „Was ist dein Problem? Mach deinem Mann einen Sohn!“, sagte der Polizeikommissar, als sie gegen ihren Mann Anzeige erstatten wollte. Sie unternahm zahlreiche Anläufe, bis sie endlich einen Anwalt fand, der einen Richter überzeugte, die Klage gegen ihren Mann anzunehmen.

Dabei helfen ihr neuerdings zwei bekannte Anwälte, die sich von ihrem Fernsehauftritt mit Bollywood-Star Khan beeindruckt ließen. Dreimal im Monat besucht sie derzeit das Gericht. Doch die meisten Verfahren dauern in Indien zehn Jahre oder länger. Bei ihr wird es eher länger dauern.

Angst vor Rache

Umso wichtiger sind für sie die Medien. „Wenn berichtet wird, heißt das, dass man uns nicht unbemerkt umbringen kann“, sagt Mitu Khurana. Sie hat immer noch Angst, dass sich die Familie ihres Ehemannes an ihr oder ihren Kindern rächen wird.

Morde um der Familienehre wegen sind in Indien keine Seltenheit. Ihre Kinder sind deshalb nie unbeaufsichtigt. Nur Mutter und Schwester vertraut sie die Aufsicht an.

Endlich bringt sie die Schwester an diesem Abend nach Hause – zwei reizende kleine Mädchen in bunten Kleidern, eine von der anderen nicht zu unterscheiden. Sie wollen im Wohnzimmer „Doraemon“ sehen, eine japanische Trickfilmserie. „Ich mache ihnen noch Essen und dann bringe ich sie ins Bett“, sagt Khurana. Dabei erzählt sie einfach weiter. Die Kinder wüssten sowieso alles, sagt sie. Insofern wird dies ein ganz normaler Familienabend für sie.

Viel aber ist in ihrem Leben nicht mehr normal. Denn sie weiß nun um die Katastrophe um sie herum, um all die Mädchen, die nicht geboren werden. Sie möchte etwas dagegen tun. Aber was?

Unnütze Töchter

„Die Motive für den Mord an den ungeborenen Töchtern entstammen einer sehr zeitgemäßen Einstellung – man will große Hochzeiten, große Geschenke und einen stolzen Sohn, aber keine wirtschaftlich unnütze Tochter. Es geht um eine Brutalisierung der individuellen Einstellung zum menschlichen Leben, wie sie erst die Modernisierung hervorbringen konnte“, sagt Shanta Sinha, die Vorsitzende der Nationalen Kommission für Kinderrechte in Indien.

Sie ist eine der wenigen Intellektuellen, die das Thema der Mädchentötung – auch als „Genderzid“ oder „Femizid“ bezeichnet – in der Öffentlichkeit anspricht. Sonst ist Khurana samt einer NGO, die sie unterstützt, auf sich gestellt.

So mündet der Abend, nachdem die Kinder schon schlafen, in der bitteren Feststellung: „Wir töten heute mehr ungeborene Mädchen, als Hitler oder Stalin an Opfern verursachten. Aber hier in Indien schreit niemand auf und niemand wird dafür bestraft“, sagt Mitu Khurana.

Das ist ihre ungeheuerliche Lagebeschreibung. Doch sie basiert auf eigener Erfahrung. Ihre Töchter leben zwar. Aber ihrem Mann ist bisher nichts geschehen – wie Millionen anderen, die ihre Töchter auf dem Gewissen haben.

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24 Kommentare

 / 
  • L
    Lila

    Sowas ist inhuman- außer Frage. Vor Allem, wenn Frauen (z.B. Schwiegermütter) Mädchen als unnützes Leben sehen...

    Aber bevor wir hier ständig andere Kulturen schlecht reden, sollten wir auf Deutschland schauen...

    Hier ist es doch selbstverständlich Kinder mit Down-Syndrom abzutreiben, weil sie hier (genau wie die Mädchen in Indien) "unnütz" und für die Eltern eine "Belastung" sind...

    Also bevor wir arrogant mit dem Kopf schütteln, mal nachdenken...Wenn man das Wort Mädchen mit "Trisomie 21-Kind" vertauschen, kommt es hier genauso zu Abtreibungen...Klar, hier darf keine Frau zu Abtreibung gezwungen werden und nach einer Geburt hat das Baby volles Lebensrecht

    @Gesche: Genau das ist der Punkt: Die Frau SOLL alleine das Recht zur Abtreibung haben, weil sie über ihren Körper selbst bestimmen darf...dabei wird immer außer Acht gelassen, dass die Frau nicht nur über sich, sondern über ein Menschenleben mit Gefühle entscheidet (oder war dir schon klar, dass Föten bei der Abtreibung Schmerz empfinden?? Oder hast du einen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass in Deutschland legal abgetriebene Kinder noch kein Bewußtsein bzw. noch keine Seele haben???)..

    In Indien ist es glatter Frauenhass, wenn man Mädchen abreibt. Hier ist es glatter Hass gegen weniger Intelligente, wenn man Trisomie-21-Kinder abtreibt... Beides ist inhuman

    Zur Info: Ich bin selbst im 4. Monat schwanger...

  • G
    gesche

    an alle superhirne hier im kommentarbereich, die das recht auf abtreibung in deutschland mit dem zwang zur abtreibung gleichsetzen: beim ersten geht darum, dass eine frau die wahl hat, abzutreiben und nicht das kind austragen zu müssen. beim zweiten wird sie zur abtreibung gezwungen, und ihr die selbstbestimmung wieder, nur von der anderen seite her, genommen.

    und dieser zwang zur abtreibung ist glatter frauenhass, wenn föten nur deshalb abgetrieben, weil sie weiblich sind. aber das brauche ich hier ja nicht extra zu erwähnen, fortschrittlich wie man hierzulande ist (siehe kommentare)./ironie off.

  • H
    Horsti

    Wie jetzt?

    Abtreibung soll legal bleiben, aber wenn vor allem weibliche Föten abgetrieben werden, dann ist das diskriminieren?

    Wie wär´s denn mit ´ner Quote?

     

    Echt, da sollten einige ihren Kompaß mal justieren gehen.

  • W
    Wunderbar

    Wir sollten das nicht kritisieren, das ist eben eine andere Kultur. In Deutschland haben wir es auch jetzt erst geschafft, das Abtreibung ganz normal zur Familienplanung gehört. Nur weil in Indien die Stellung der Frau nicht so gut ist, sollte man jetzt nicht wieder die Abtreibung verteufeln sondern eher was für Frauen in Indien machen. In Deutschland werden wir irgendwann ja auch keine Behinderten mehr haben, wenn man die alle rechtzeitig erkennt und abtreibt. Und das ist doch schonmal ein guter Fortschritt. Von daher find ich, sollte man die indischen Frauenrechte zwar unterstützen aber muss auch ihre Kultur respektieren. Und es sollte nicht wieder so rückwärtsgewand gegen das Frauenrecht auf Abtreibung gehen.

  • CC
    caruso canary
  • KK
    Karl Kraus

    @Kimme

    Du verstehst das alles nicht: Aus ökonomischen Gründen ist das ja gut, dass sich nur die Reichen Mädchen leisten können. Hast wohl deinen Sarrazin nicht gelesen. Die unsichtbare Hand des Marktes regelt das ja auch sowieso gut. Jedenfalls schafft Indien sich so nicht ab: Das Prekariat wird reduziert und die Oberschicht wird größer. So soll's sein.

  • D
    David

    "Die erste Inderin, die ihren eigenen Mann wegen des Mordversuchs an seinen eigenen ungeborenen Mädchen verklagte."

     

    Die Anklage lautet auf Mord ungeborenen Lebens.

     

    Mord ungeborenen Lebens... moment mal... bei uns ist doch...

     

    Taz, nimm mich schnell wieder nach Indien! Das ist so schoen "fremd" und weit weg!

  • T
    timo

    Einfach nur armseelig und Scheinheilig, wie das Thema hier behandelt wird. In Deutschland ist Abtreibung sogar noch verbreiteter und da bekommt auch keiner von euch das Maul auf oder verteidigt diesen hedonistischen Lifestyle noch.

     

    Mord ist Mord, ob ein Kind ermordet wurde weil es weiblich ist, weil es behindert ist oder weil seine hedonistischen Eltern keine Lust drauf haben kommt doch aufs selbe raus, aber soweit denkt hier ja niemand, den alles davon ist Selektion.

  • M
    miri

    Also ist Abtreibung jetzt "Mord", wie es mehrfach unrelativiert in diesem Artikel steht, oder nicht? Oder ist es nur Mord, wenn ein Mädchen abgetrieben wird? Der Abtreibungs-Holocaust-Vergleich steht auch ungeschönt da. ("Mehr Opfer als Hitler und Stalin...") Das kommt schon ein bisschen dicke, nicht? Mal dieselbe Sprache auf Deutschland anwenden, und man landet weit rechts. -- Damit nichts gegen die mutige Inderin, tolle Frau.

  • JM
    J Murat

    Lieber Georg Blume, liebe Kommentatoren,

     

    ich verstehe ja eure Betroffenheit aber irgendwie seid Ihr ganz schön naiv.

    Euch muss man doch nur einen herzzerreißenden Einzelfall schildern und schon seid Ihr wütend und den Tränen nahe und fangt an zu schreien.

     

    Dabei überseht Ihr ganz, was sich vor eurer Nase abspielt.

    Auch hierzulande ist der Schwangerschaftsabbruch möglich.

    Insbesondere bei zu erwartenden Behinderungen stellt der Abort kein Problem dar.

    Dass es nicht Mädchen auf Grund ihres Geschlechtes trifft liegt an der -offenbar doch nicht so schlechten- Stellung der Frau in unserer Gesellschaft.

    Dass in asiatischen und afrikanischen Kulturen Mädchen und Frauen nicht nur gesellschaftlich sondern auch rechtlich extrem benachteiligt werden ist nun mal so.

    Es wird doch immer die Gleichwertigkeit der Kulturen als Dogma angeführt. Seid Ihr immer noch dieser Meinung?

     

    Karlson vom Dach fragt natürlich gleich wieder nach der Bundesregierung. Junge, die Zeit zur Recherche hast Du ja, also warum machst Du Dich nicht kundig un Du wirst entdecken, dass es schon lange gesetzliche Regelungen gibt:

    (http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/abtreibungen-aerzte-sollen-geschlecht-von-foeten-geheim-halten-a-785746.html

    oder

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-23061501.html)

    Auch in islamischen Ländern wird das zunehmend ein Problem, da Schwangerschaftsabbrüche bis zum 40 Tag nach der Sharia erlaubt sind und die DNA-Diagnostik bereits in diesem Stadium möglich ist.

     

    Aber, und das sollte doch ganz klar sein, es steht unserer Regierung nicht zu, andere Kulturen zu belehren.

  • XZ
    Xie Zeren

    Georg Blume gehört das Verdienst, auf eine Art und Weise zu berichten, die gegen den Mainstream geht. So habe ich ihn auch in der ca. 10-jährigen Berichterstattung aus Chinas in Erinnerung. Wo andere plattes Bashing betrieben und sich auf Kosten eines riesigen anderen Volkes mit einer langen Kulturtradition belustigten (ja, auch die Berichterstattung in der taz bot oft genug Anlass, sich zu ärgern und fremdzuschämen), da beschrieb er den kontinuierlichen Aufstieg in der modernen Welt (heute nicht mehr zu leugnen & zu übergehen).

    Wo aktuell nur unwichtige Dinge aus dem indischen Alltag, Lobhudeleien oder allenfalls kritisch zwischen den Zeilen gegenüber der indischen Alltagsrealität berichtet wird, greift er die Themen auf, die kritisch sind, ohne plattes Bashing zu betreiben. Danke an Georg Blume, bleiben Sie dran.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Was für ein Blödsinn! Entweder man sieht im ungeborenen Foetus leben oder nicht -- in ersterem Fall ist keine Abtreibung erlaubt, im letzeren jede, also auch die Geschlechtsspezifische.

  • A
    Anita

    @FRITZ

     

    Ja, die ganzen betroffenen Kommentare ueber die niedrigen Beweggruende, aus denen die Foeten getoetet werden.

    Dieses Toetungs- und Mordsystem.

    Wenn hier in Deutschland Foeten umgebracht werden, weil es gerade nicht ins Leben der Mutti passt, voellig geschlechtsneutral, isses o.k., weil ihr Bauch gehoert schliesslich ihr.

  • K
    Kerstin

    Veehrter FRITZ.

     

    Die Brutalität der Situation liegt nicht in der Abtreibung selbst, sondern vor allem in dem darin liegenden Zwang. Hier ist es keine freie Entscheidung, die eine Frau trifft, sondern eine Entscheidung, zu welcher sie gezwungen wird. Ob nun "nur" gesellschaftlich oder direkt und unmittelbar durch die Familie. Ganz abgesehen davon, dass Töten von Kindern aufgrund des Geschlechtes nur die Fortsetzung dieser grausamen Logik ist. Über Abtreibung mag man denken, wie man will (das ist noch ein anderes Thema), die Praxis an sich ist jedoch nicht das Thema, sondern die Unterdrückung des freien Willens nur in Bezug auf das Geschlecht des Ungeborenen.

     

    So gesehen vergleichen Sie hier Äpfel mit Birnen.

  • DP
    Daniel Preissler

    @Kimme

     

    Du meinst, die Grünen hätten einen Sonderparteitag einberufen sollen zu den Vorgängen in Indien und zum Asylrecht und zwar am besten in den 2 Stunden zwischen Erscheinen des Artikels auf taz.de und deinem Beitrag?

     

    Es passieren ziemlich viele schlimme Sachen auf der Welt und ich denke den meisten Grünen Delegierten und Mandatsträgern ist das Problem bekannt. Was sollen Sie deiner Meinung nach tun? Und was bezüglich der Probleme in den 200 anderen Staaten der Welt?

    Interesse und auch immer wieder Einmischung ist mMn gut und richtig, deine Forderung ist allerdings so daneben, dass ich eine Entschuldigung von dir gut finden würde (nicht an mich, ich bin nicht angesprochen!).

     

    Du kannst allerdings die Inhalte dieses Artikels im Kopf behalten und Freunden davon erzählen (und sie ggf. in die Runde werfen, wenn mal wieder die Rede auf Zwangsheirat und die Unterdrückung der Frau im Islam kommt). Dann bringt dieser Artikel und deine nur zu verständliche Empörung immerhin ein breiteres Bewusstsein!

     

    Grüße, DP

  • F
    FRITZ

    Tja, da ist der Deutsche besser gendergemainstreamed. Hier werden ohne Ansehen des Geschlechts massenweise Föten getötet. Aber klar, wenn der Inder sich aufs Mädchenföten töten konzentriert, dann ist das Grund genug für einen langen betroffenen Bericht.

     

    Schade, dass niemand bei der taz diese bittere Ironie verstehen kann... der große moralische "blind spot" der Linken.

  • I
    Interpretator

    Na, was würde von Edward Said dazu sagen? Oder Amyra Sen?

  • V
    vic

    Unfassbare Geschichte. Wenn ich dran denke welche Pappnasen den Friedensnobelpreis in den vergangenen beiden Jahren erhielten, hat sie den aber sowas von verdient. Hoffentlich überleben sie und die Kinder auch künftig.

    Was meint eigentlich unsere Regierung dazu?

  • SC
    Simon Columbus

    Den Vergleich von Abtreibungen mit Genozid würde die Taz doch sicher kaum derart gelassen hinnehmen (oder gar unterstützen), wenn er von den üblichen christlichen Verdächtigen in den USA käme. Es gibt keinen Anlass, die Verbrechen gegen Mitu Khurana kleinzureden; aber es sind Verbrechen gegen die Frauen, die zur Abtreibung gezwungen werden, und nicht gegen die Föten.

  • JB
    Joe Biro

    Dieses Tötungs- bzw. Mordsystem müßte in der Weltgemeinschaft (UNO) öffentlich gemacht und verurteilt werden. Es muß auf die Tagesordnung. Es geht nicht um Schwarz, Rot oder Grün. Es geht um eine selbstverständliche menschliche Pflicht, die jede®gewählte Politiker(in), für d. Menschenrechte nicht nur Phrasen sind, wahrnehmen sollte. Ein Antrag, diese "Vorkommnisse" auf die Tagesordnung zu bringen, kann von Westerwelle, Merkel, Steinbrück, Trittin, egal welcher Coleur, kommen. Kommt er ? Westerwelle wird ja wohl das Thema schon seinem indischen Kollegen mehrfach nahegelegt haben ! Oder ?

    Vielleicht ist meine Erwartung zu hoch ? Gehört hab ich ja noch nie etwas. Es geht aber um Menschenleben

    und nicht um die Frage, ob das Aufgreifen des Thema's die Wiederwahl begünstigt !?

    Joe Biro

  • VF
    Veit Feger

    Liebe TAZ-Redakteure,

     

    ihr seid einfach gut in den Themen, die ihr immer wieder - leider solitär - in Deutschland aufgreift und darstellt!

     

    Großes Lob auch für diesen Text von Georg Blume über "Mädchentötung in Indien"!

     

    Nur an EINER Stelle dachte ich: Was soll dieser Stuss?? - Da wird die Vorsitzende der Nationalen Kommission für Kinderrechte in Indien zitiert mit der Behauptung, die Einstellung zum menschlichen Leben sei brutal geworden, eine Einstellung, "wie sie erst die Modernisierung hervorbringen konnte".......-

    Mein Gott! Gerade die Modernisierung hat zum ERSTEN Mal in der indischen Geschichte ermöglicht, dass jemand diese jahrtausendealte überkommene Brutalität gegenüber Frauen anprangert und dass es eine gewisse Chance gibt, dass diese kriminellen Taten zurückgehen. Diese Chance gibt es nur grade wegen dieser hier geschmäten Moderne. Es war doch schon früher so, dass Frauen unerwünscht waren. Die pränatale Diagnostik hat ermöglicht, dass das Kindertöten leichter wurde, ja, aber existiert hat dieser "Brauch", diese "Tradition" auch schon VORHER......

    Veit Feger, 89584 Ehingen

  • F
    Freigeist83

    Danke an die TAZ für diesen Beitrag. Mir war das Ausmaß nicht klar - und selbst, wenn es nur einem Mädchen passiert, wäre das selbstverständlich einmal zuviel!

    Ich wünsche Mitu Khurana weiterhin viel Kraft und Unterstützung bei diesem Kampf!

  • K
    Kristana

    Entsetzlich! Unfassbar! Traurig!

     

    Es mag zynisch klingen, aber auch hier greift das Gesetz von Aktion und Reaktion.

     

    Das Volk, dass sich dieser Verbrechen schuldig macht, wird davon eingeholt werden und zwangsläufig aussterben. Oder wie stellen die Inder sich das vor mit der Fortpflanzung, so ganz ohne Frauen?

  • K
    Kimme

    Wow, eine tolle mutige Frau. Es scheint für mich unvorstellbar, wie man ein kleines Lebewesen aus solch - aus meiner westlichen Sicht - niederen Beweggründen töten kann. Aber wahrscheinlich prägt das Umfeld und die Kultur so dermaßen stark, dass bei den "Tätern" sich gar kein Unrechtsgefühl einstellen kann. Und das ist sehr traurig.

     

    Solchen Menschen sollte, so sie denn wollen, in Deutschland Asyl gewähren. Hier sind keine monetären Hintergedanken Grund für eine Flucht. Und man hätte qualifizierte Fachkräfte gewonnen.

     

    PS: Wo sind in diesem Fällen die Politiker der Grünen, die doch immer zu alles und jedem eine Meinung haben und sich so furchtbar gerne aufregen?