piwik no script img

Kampf ums LeistungsschutzrechtDrucksache 17/11470 unter Beschuss

„Verteidige dein Netz!“: Google startet eine Kampagne gegen ein Gesetzesvorhaben des Deutschen Bundestags. Sie kommt genau zur rechten Zeit.

Kampagne gegen Gesetze: Google. Bild: reuters

BERLIN taz | Zumindest das Timing war perfekt. Als Google am Dienstagmorgen mit seiner Kampagne „Verteidige Dein Netz“ gegen das geplante Leistungsschutzrecht für die deutschen Printverlage ernst machte, lag der Gegenspieler gerade erst im Bett.

Und das auch noch im Heimatland des Internetkonzerns: Springers „Außenminister“ Christoph Keese, der für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) die Lobbyarbeit für ein eigenes Leistungsschutzrecht seit über drei Jahren mit Verve koordiniert, weilt derzeit in den USA. Am Donnerstag will der Deutsche Bundestag den vorliegenden Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums in erster Lesung debattieren, doch im Verlegerlager hatte offenbar niemand mehr mit einer so deutlichen Reaktion von Google gerechnet.

Der Beinahe-Monopolist wäre von einer solchen Ergänzung des Urheberrechts am stärksten betroffen. Mit dem Gesetz sollen Presseverlage wie heute bereits Musik- und Filmproduzenten ein besonderes Schutzrecht auf das „Gesamtkunstwerk“ Zeitung oder Zeitschrift inklusive Onlineauftritt erhalten.

Dies soll ihnen helfen, die gewerbliche Weiternutzung ihrer Publikationen durch Dritte im Internet zu unterbinden beziehungsweise derartige „Mitnutzer“ zur Kasse zu bitten. Suchmaschinen und so genannte News-Aggregatoren sollen sich laut Entwurf künftig von den Verlagen genehmigen lassen müssen, kurze Textanrisse aus deren Zeitungen in ihren Suchindex aufzunehmen – und auch dafür zahlen.

„Kleines Leistungsschutzrecht“

Die Bundesregierung hatte auf Druck der kriselnden Verlagsbranche das Leistungsschutzrecht schon 2009 in den Koalitionsvertrag geschrieben, sich dann aber lange bitten lassen. Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzesentwurf ist nach den Worten der zuständigen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lediglich ein „kleines Leistungsschutzrecht“ geplant, das längst nicht so weit geht, wie es die Herren der Zeitungen gerne gehabt hätten.

Die bloße Verlinkung bleibt vom Leistungsschutzrecht ausgenommen. Strittig sind dagegen die so genannten Snippets – mehr oder weniger lange Textanläufe, zum Teil mit Bildern, die von den Ergebnislisten von Google News und anderen News-Aggregatoren zusammengewürfelt werden.

Als blanke Linkliste sähe Google News ziemlich mau aus, was die heftige Reaktion des Konzerns erklärt, der sich stets als netter Dienstleister zu verkaufen versucht. „Willst Du auch in Zukunft finden, was Du suchst?“, fragt nun jede deutsche Google-Startseite ein bisschen scheinheilig und fordert „Verteidige Dein Netz“.

Die Suchmaschine verweist in ihrer Argumentation darauf, dass die Verlage ihre Artikel schließlich freiwillig und zudem meist gratis ins Netz stellen – sollte man diese „nicht mehr verwenden dürfen, wird das Suchen und Finden von Informationen im Internet massiv gestört“.

Falscher Bühnenzauber

Doch in der schnöden Realität geht es natürlich um Geld. Viel Geld. Denn so richtig Googles Hinweis ist, dass man allein mit Google News weltweit jeden Monat für rund eine Milliarde der begehrten „Klicks“ sorgt: Ohne dieses auswertbare Basisangebot im Netz würde Google wohl kaum ein attraktiver Platz für Onlinewerbung sein. Der Konzern verweist nun darauf, dass Google News werbefrei sei – doch auch dieses spezielle Suchangebot existiert nur auf dem Rückgrat der anderen, sehr wohl mit Anzeigen gesegneten Seiten.

Für die Verfechter des Leistungsschutzrechts (LSR) bleibt trotz Google-Kampagne alles beim Alten: „Inhaltlich sind Googles Punkte haltlos. LSR schadet Netz und Vielfalt nicht. LSR für Musik gibt es seit 50 Jahren, und Musik boomt im Netz“, twitterte LSR-Lobbyist Keese am Dienstagmorgen – also mitten in seiner Nacht – aus Übersee.

Außerdem sei Google unfair, so der indirekte Vorwurf des Springer-Manns: „In Medien sind mehr kritische Berichte über LSR erschienen als positive. Das ist Freiheit – Google hingegen setzt Marktmacht als Waffe ein.“ Das klingt gut, ist aber falscher Bühnenzauber: Viele Verlage haben ihre Kampagne für das Recht erfolgreich über die eigenen Blätter gespielt.

19 Minuten Debatte

Google hatte dagegen bislang eher auf „normalen“ Lobbywegen seinen Einfluss geltend zu machen versucht. Für die Pro-Leistungsschutz-Fraktion gilt denn auch die nimmermüde „Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht“ (IGEL) als zumindest von Google mitgesteuert.

Dass der Konzern nun neben den netzpolitisch interessierten Kreisen auch alle anderen NutzerInnen agitiert, bringt eine neue Qualität in die Auseinandersetzung. Google bittet unter der Rubrik „Misch Dich ein!“ nämlich zwei Tage vor der Parlamentsdebatte auch, man möge sich direkt an die Abgeordneten wenden – praktische Abgeordnetensuche inklusive.

„Ich finde es schwierig, wenn kurz vor der Bundestagssitzung so eine Kampagne losgetreten wird“, kritisiert Tabea Rößner von den Grünen die Google-Kampagne. „Natürlich kann sich Google einmischen – aber das ist doch sehr durchsichtig und lenkt vom Kern der Debatte ab.“ Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zeigte sich erstaunt, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen versuche, die Meinungsbildung zu monopolisieren.

Eigentlich wollte die Bundesregierung das als Drucksache 17/11470 firmierende Leistungsschutzrecht ganz dezent im Mammutprogramm der laufenden Sitzungswoche mit verklappen – am Donnerstag sind für den Tagesordnungspunkt 19 ganze 30 Minuten Debatte am späten Abend vorgesehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • OG
    Ossip Groth

    Nebensubstanz: Die Deklaration einer Zeitschrift als Datenbank ist eine unglaubliche Erfindung, die ja eigentlich in den Bereich des noch nicht existenten Leistungsschutzrechtes kollateralisiert, um nicht zu sagen, der Beweis der tatsächlichen Existenz des

    Leistungsschutzrechtes ist erbracht !

     

    Wenn es ein bestehendes und ausreichendes Recht gibt, wieso verwendet es kein einziger der

    Verleger ?

     

    Aus meiner Petition, um eine freie Suchfunktion für das Bundesgesetzblatt zu verlangen, und der dabei erkannten Selbstdeklaration dieser Zeitschrift (www1.bgbl.de/) als Datenbank einschließlich Rechtsfolgeandrohung.

     

    Diese email ging dann auch brav an meine 3 MDBs, schön vom googlesystem gelinkt.

  • S
    shenanigans

    Google kann man eigentlich fast dankbar sein, dass sie das Thema auf die Tagesordnung gebracht haben, wollten es doch unsere Obervolksvertreter zu später Stunde in Berlin verabschieden. Verabschiedet wird's wahrscheinlich dennoch, aber wohl nicht mehr in der gewünschten Nacht-und-Nebel-Aktion.

     

    Ich versteh die Argumentation der Verlage nicht so ganz um ehrlich zu sein. Ist ja nicht so, als wäre es für sie von Nachteil, wenn google deren Nachrichten verbreitet. Finde es ziemlich heuchlerisch, sich so dazustellen, als sei man Volkes-Stimme und google Marktmacht und Profitgier vorwirft. Natürlich will google Profit machen. Na und? Wollen das die Verlage nicht? Ich würd mal sagen: case dismissed!

     

    Mehr dazu: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/google-ist-nicht-das-netz-und-verlage-sind-nicht-der-gute-journalismus/#more-14522

  • GN
    gehts noch?

    Und wenn man den absurden "Vorschlag" der Verlage weiterspinnt, muss ich dann wohl auch als armer Student pro Zitat für meine Master-Thesis jeweils eine Genehmigung für die verwendeten Textstellen einholen... Überspitzt betrachtet.

     

    kleinalex hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Für die 0 Euro Werbung seitens google für sämtliche Verlage und co wollen sie sich auch noch bezahlen lassen. Nett.. Wenn ich das nächste Mal ein Notebook benötige, lasse ich mir das auch von Samsung zahlen, schließlich mache ich ja direkte Werbung, wenn ich mich damit auf dem Campus sehen lasse :P

  • M
    Marc

    Für diesen Artikel zahle ich - und ich bin über google news gekommen...

  • K
    kleinalex

    Ich finde es schön zu sehen, dass die TAZ zumindest versucht, das ganze Thema sachlich zu betrachten - was die anderen 'Medien' momentan dazu schmieren, kann man nur als grauenhaft bezeichnen.

     

    Rechtlich scheint mir die Lage eigentlich sehr klar zu sein: Der Bot von Google besucht die Server der Zeitungen und macht dort ein Vertragsangebot:

     

    "Wir erbringen für euch folgende Dienstleistung: 'Werbung mit großer Reichweite für eure Texte', und zwar zu folgendem Preis: '0 €'. Annahme dieses Vertragsangebots erfolgt durch Nicht-Sperren des News-Bots in der robots.txt-Datei auf ihrem Server, Ablehnen des Vertrags entsprechend durch Sperren des Bots."

     

    Jeder einzelne Zeitungsverlag, der ein Leistungsschutzrecht haben möchte, hat sich entschieden, dieses kostenlose Vertragsangebot anzunehmen - und nun wollen sie für die kostenlose Werbung auch noch bezahlt werden. Das ist sowas von frech, das hat schon beinah wieder Stil.

     

    Und um das ganze noch zu toppen, werfen die selben Verleger Google den Missbrauch einer Monopolstellung vor, wenn Verlage, die gegen die kostenlose Werbung vorgehen korrekterweise aus dem Suchindex gestrichen werden.

  • X
    xxx

    Was mich stört ist weniger das LSR an sich, als dass das Urheberrecht so eher noch ausgeweitet wird, anstatt dass endlich dessen Auswüchse zugunsten der Nutzer reformiert werden (hohe Abmahnkosten bei kleinen, oft unbeabsichtigten Fehltritten müssen aufhören). Das LSR ist dann irgendwie wieder ein Schritt in die andere Richtung, auch wenn vielleicht für den Einzelnen mit weniger praktischen Konsequenzen. Das frage ich mich schon, wieso in diesem Fall dann ein Gesetzesentwurf zustande kam, während dieser z.B. im Falle einer wirksamen(!) Deckelung der Anwaltskosten bei Abmahnungen noch immmer fehlt (der § 97 a Abs. 2 UrhG bringt in der Praxis ja nicht das Erhoffte).

  • R
    Realdemokrat

    Allerhöchstens könnte man die Beachtung der Robots.txt verbindlich machen. Damit hätte auch kaum einer ein Problem. So wird aber defakto jegliches Zitierrecht abgeschafft. Zunächst natürlich nur für google. Dann für den Rest des Internets. Das wird ganz sicher nicht nur google treffen. Lieber sollten die Verläge gegen das Monopol von google kämpfen als einfach zu versuchen sich eine Scheibe vom Monopol abzuschneiden...

    Außerdem arbeitet jede Suchmachine so. Also wollen die Verläge vielleicht einfach nicht mehr gefunden werden?

  • F
    Frink

    Da wäre es nur konsequent wenn Google, sollte das Gesetz durchkommen, einfach keine Ergebnisse der Seiten mehr anzeigt, die Geld dafür haben wollen, dann wird sich das Problem schnell von selbst lösen und die entsprechenden Seiten werden auf Abgaben verzichten.

  • VB
    Volker Birk

    Der Hinweis auf die robots.txt ist sinnlos; die Verfechter des Leistungsschutzrechtes wissen ganz genau, dass Google auf die Indexierung verzichtet, wenn sie dort eine Zeile eintragen.

     

    Die grossen Verlage möchten aber, dass Google die Dienstleistung erbringt, Besucher auf ihre Seiten zu leiten. Sie möchten nur zusätzlich auch noch vom Dienstleister dafür bezahlt werden. Weil dieser Dienstleister nämlich ein Geschäftsmodell hat, während sie selber erst die Internet-Revolution verschlafen, dann bekämpft haben. Gleichzeitig haben die meisten Zeitungen ihre Arbeitsleistung auf den Printout der Agenturmeldungen von gestern reduziert.

     

    Nun sind viele Zeitungen in finanzielle Not geraten. Und wenn man politisch so viel Macht hat wie grosse Zeitungen sie nun einmal haben, warum soll man z.B. Google nicht zwingen, sie zu bezahlen?

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Wenn es um Textschnipsel geht, gilt doch eigentlich das Zitatrecht. Google sagt immerhin immer, von wo die Infos kommen.

     

    Was man von Zeitungen nicht immer sagen kann…

  • E
    EinInternetNutzer

    Lieber Herr Grimberg,

    ihr Argumentation, dass Google hier seine Macht missbrauche, krankt an einem entscheidenden Punkt: Es ist auch jetzt schon, ganz ohne LSR, möglich, die Indizierung durch Google ODER NUR die Verwendung von Snippets ODER die Listung in Google News zu unterbinden. Faktisch gibt es also überhaupt nichts, was für dieses LSR sprechen würde, außer der (unbegründeten) Hoffnung der Verlage, dass sie Google zwingen könnten, ihre "Dienste" kostenpflichtig in Anspruch zu nehmen. Die Wahrheit ist, dass Google nur mit sehr geringen Einbußen (weil die meisten Nachrichten nicht unbedingt mit teuren Keywords gesucht werden) rechnen muss, während die Leidtragenden die Leser und - im Endeffekt - auch die Verlage wären. Die unsachliche Art und Weise wie in den deutschen Medien über das LSR berichtet wird zeigt nur eines: Die panische Angst eines ganzen Berufsstandes, der sich vor dem sich gerade vollziehenden Wandel fürchtet wie einst die Mönche in den Schreibstuben vor der Druckerpresse.

  • J
    Joachim

    Es gibt unzählige Lobyisten (auch von Verlagen) die in Hinterzimmern Druck auf Politiker einfluss nehmen, OHNE dass die Öffentlichkeit davon etwas mitbekommt.

     

    Google veruscht einfluss auf die Politik zu nehmen in dem es öffentlich wirkt.

     

    Da kann man sich fragen was ist denn das bessere Modell?

  • T
    Trulla
  • R
    robots.txt