zwischen den rillen : Tropenfantasien: Ibrahim Ferrer und Ry Cooder
Kubanisch für Fortgeschrittene
Unverhofft kommt oft: Das gilt besonders für den Lebensweg des Ibrahim Ferrer, der 1927 nahe der Stadt Santiago zur Welt kam. Seine Mutter erzählte später, ihre Wehen hätten in einem Nachtclub eingesetzt.
Ein passendes Omen: Kurz nach dem Tod seiner Mutter, mit 13 Jahren, gründete Ibrahim Ferrer mit einem Cousin in den Vierzigerjahren seine erste Band, um auf Partys in der Nachbarschaft aufzuspielen. 1957 ging er nach Havanna und sang bei vielen berühmten Ensembles, etwa dem Orquesta Ritmo Oriental oder der Band von Beny Moré, blieb aber immer in der zweiten Reihe. Er war wohl zu schüchtern, um sich in den Vordergrund zu drängen.
Dennoch machte er Karriere: In den Sechzigerjahren ging er mit der Band Los Bocusos sogar auf Europatournee und machte in Paris, Prag und Moskau Station. Diesem Ensemble blieb er über dreißig Jahre lang treu. 1991 verkündete er seinen Ausstieg, verkaufte fortan Lottoscheine auf den Straßen von Havanna und putzte Schuhe, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Fast nur durch Zufall stieß der Sänger im Ruhestand 1997 zu den legendären, drei Wochen währenden Aufnahme-Sessions jener Herrenrunde, aus welcher der „Buena Vista Social Club“ hervorgehen sollte: Als Ry Cooder nach einer sanften Stimme für einen Bolero suchte, ließ er bei Ferrer anklopfen, der sich längst von der Musik zurückgezogen hatte. Ferrer ließ sich überreden, und als er in den traditionsreichen Egrem-Studios eintraf, brauchte er nicht lange, um sich auf seine Kollegen einzustimmen. Am Ende war er bei fast allen Songs zugegen und gab auch auf dem Album der „Afro Cuban All Stars“ seinen Einstand.
So wurde Ferrer weltberühmt. Und kam bald darauf zu der Ehre, mit 72 Jahren sein erstes Soloalbum als Sänger aufzunehmen.
Mit „Buenos Hermanos“ hat er nun einen Nachfolger eingespielt, der mehr ist als eine reine Fortsetzung. Das Album besteht wieder überwiegend aus Interpretationen klassischer Songs, enthält aber auch neuere Kompositionen, davon zwei von Ferrer selbst. Zum Kern seiner Begleitband gesellen sich Stargäste wie Chucho Valdes am Piano, Ry Cooder an der Gitarre sowie der TexMex-Akkordeonist Flaco Jimenez. Außerdem dabei sind wieder jede Menge Bläser und Streicher.
So ist „Buenos Hermanos“ ein Album geworden, das, von den romantischen Balladen aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren bis hin zum rootsig rockenden Titelsong im Santana-Stil, auf das ganze Spektrum der kubanischen Musik verweist, von der Vergangenheit bis heute. Zu den Höhepunkten des Albums zählt der Song „La Musica Cubana“, eine Hommage an die Großen des Genres, die aus einer langen Aufzählung ihrer Namen besteht. Zu diesen zählt Ibrahim Ferrer inzwischen zweifellos selbst.
Der Mann, der am „Buena Vista“-Erfolg maßgeblich beteiligt war, schlägt derweil eine andere Route ein. Ry Cooder erinnert auf seinem neuen Album nicht mehr an den Sound des alten Kubas – sondern vielmehr daran, wie dieser einst auf die US-Musik der Fünfziger- und Sechzigerjahre abgefärbt hat.
Mambo-Kings wie Perez Prado feierten damals auf den Showbühnen nicht nur von Las Vegas Erfolge, und Cha-Cha-Cha war der Tanz der Stunde. Karibische Motive flossen auch in die Filmmusik von Henry Mancini und TV-Erkennungsmelodien wie das „Peter Gunn-Theme“ des Surf-Gitarristen Duane Eddy ein und prägten die amerikanische Populärkultur. Kuba war den USA damals so nahe wie später nie wieder.
Auf „Mambo Sinuendo“ zitiert der 53-jährige Ry Cooder die Atmosphäre jener Zeit, die seine eigene Beziehung zu Kuba geprägt haben dürfte. Mit Manuel Galban hat er einen geeigneten Mitstreiter gefunden, um jene Symbiose aus tropischer Modernität und dem Futurismus der Fünfzigerjahre nachzuempfinden. So wie das Design jener Ära ist auch der Retro-Stil der zwölf Instrumentals auf „Mambo Sinuendo“: kühl, auslandend und von beiläufiger Eleganz. DANIEL BAX
Ry Cooder & Manuel Galban: „Mambo Sinuendo“ (Nonesuch); Ibrahim Ferrer: „Buenos Hermanos“ (World Circuit)