zwischen den rillen : Lass uns über Liebe sprechen
Während die Gangsta-Rapper 213 verlernt haben, wie man mit Frauen spricht, versteht Brandy sich und die Männer
So schwer es fällt, zwischen all den Untergangsmeldungen, die einem Tag für Tag den Abend verübeln, noch eine weiteres Problem zu annoncieren: Es gilt eine schwere Krise der Slow Jam zu konstatieren. Ein musikalisches Genre, das auch unter den Bezeichnungen Lovers Rock oder Quiet Storm gehandelt wird und dessen zentraler Sinn und Zweck darin besteht, demjenigen als Soundtrack zu dienen, der seine Lady in Stimmung bringen möchte. „I play ‚Ready for the World‘, she was ready for some action“, fasst der Rapper Kanye West es in seinem Stück „Slow Jamz“ zusammen und hat damit auch schon das deutlichste Symptom der Krise umrissen: Das Sextett Ready For The World („Oh Sheila“) verschwand vor gut fünfzehn Jahren in der Versenkung, und auch die anderen Künstler, die West auflegt – Luther Vandross, Smokey Robinson, die Isley Brothers –, haben allesamt schon bessere Zeiten gesehen.
Woran mag es liegen? Für eine einfache Erklärung reicht es, einen Blick auf die neue Platte der G-Funk-Allstar Truppe 213 „The Hard Way“ zu werfen: HipHop ist schuld. Die Westcoast-Gangsta-Rap-Veteranen Snoop Dogg, Warren G und Nate Dogg haben sich für 213 noch einmal zusammengetan, um über tiefer gelegten Basslines sich noch einmal gründlich zum Thema Mann und Frau zu äußern, kontrapunktisch ergänzt durch die Komplexe Geld, Marihuana, Autos und Rechtschreibreform. Doch so amüsant einem Titel wie „Keep It Gangsta“, „213 Tha Gangsta Clicc“, „Groupie Luv“ oder „My Dirty Hoe“ zunächst vorkommen: Sie sind nicht nur Zeichen für die nachhaltige Verrohung der Sitten im zwischenmenschlichen Bereich, sie zeigen auch auf, dass in der schwarzen Musik der vergangenen fünfzehn Jahre systematisch verlernt wurde, wie man zu Frauen spricht.
Noch gravierender: Rapper haben gar kein Interesse an Frauen. Das imaginäre Publikum eines Rap-Stücks sind die eigenen Kumpels. Frauen stören da nur. Es sei denn, sie sind Stripperinnen, Groupies oder sonstige Staffage, über die gerappt werden kann. Aber Hand aufs Herz, welche Frau würde sich durch solches Lyrics ins Bett rappen lassen? Wo die Verführungskraft der alten Soulsänger in dem rhetorischen Trick bestand, den lieben Gott durch eine ganz irdisch Angebetete ersetzt zu haben, was durch die damit verbundenen Seelenqualen an Überzeugungskraft noch gewann, haben die Rapper jegliches Interesse an der geschlechterübergreifenden Transzendenz verloren. Was ja auch ganz praktische Gründe hat: Das HipHop-Kernpublikum sitzt ohnehin im Gefängnis und hat schon qua Alltagssituation vor allem mit Männern zu tun.
Wo Männer keine Gefühle zeigen können oder wollen, bleibt dies also Refugium der Frauen. Eine Aufgabe, der diesen Sommer wenige R & B-Sängerinnen so überzeugend nachkommen wie Brandy auf ihrem neuen Album „Aphrodisiac“.
Schon im ersten Stück „Who I Am“ gibt sie ihrem nunmehrigen Exmann ein Beziehungsaufarbeitungsgedicht mit auf den Weg, das auch im Herzen des an diesem Trennungsdrama unbeteiligten Zuhörers noch lange nachhallt. Während die fantastische Single-Auskoppelung „Talk About Our Love“, eingespielt als Duett mit Kanye West, jenen als einen der wenigen Frauenversteher des HipHop ausweist. Dass Brandy sogar sich selbst versteht, kann man dem Stück „Come As You Are“ entnehmen, in dem sie die Wandlungen ihres Images mit dem Zustand ihres wirklichen Ichs kontrastiert.
TOBIAS RAPP
213: „The Hard Way“ (TVT)Brandy: „Aphrodisiac“ (Atlantic)