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Archiv-Artikel

zweites Halbjahr

2. Juli: In Kreuzberg startet die WM der Straßenfußballer. Der Außenminister ist da. Der Regierende Bürgermeister. Der Fifa-Präsident. Nur die Teams aus Ghana und Nigeria fehlen. Sie bekamen keine Visa.

4. Juli: In der 119. Spielminute schweigen eine Millionen Menschen auf der Fanmeile. Irgendein Italiener hat ein Tor geschossen.

9. Juli: Zidane beendet seine Karriere mit einem Kopfstoß, einer roten Karte und einem verlorenen WM-Finale – alles im Berliner Olympiastadion.

15. Juli: Schon wieder Massen im Tiergarten. Nennt sich Love Parade, ist aber die Werbeveranstaltung einer Fitnessstudiokette.

20. Juli: 36,1 Grad.

4. August: „Berlin bewegt“. „Konsequent Berlin“. „Berlin kann mehr“: Plötzlich ist die Stadt zuplakatiert mit inhaltsvollen Parolen. Der Wahlkampf hat begonnen.

5. September: 15 Jahre Planung sind zu Ende. Ab heute wird in Schönefeld tatsächlich der Großflughafen gebaut.

14. September: Drei Tage vor der Wahl weiht Kultursenator Thomas Flierl (PDS) noch schnell das noch nicht ganz fertige Rosa-Luxemburg-Denkzeichen ein.

17. September: Bei der Abgeordnetenhauswahl verliert die PDS die Hälfte ihrer Wähler. Die CDU erzielt ihr schlechtestes Ergebnis seit 1948. Die SPD legt kaum merklich zu. Die Grünen gewinnen kräftig. Wowereit strahlt und kann sich den Koalitionspartner auswählen.

25. September: Die Deutsche Oper nimmt das Mozart-Stück „Idomeneo“ vom Spielplan. Weil darin neben Jesus und Buddha auch Mohammed geköpft wird, sieht Innensenator Körting eine Gefährdungslage. Zur Strafe wird wochenlang heftig über Kulturen debattiert. Mitte Dezember wird Idomeneo wieder aufgeführt.

29. September: Wowereit wählt PDS. Die Sozialisten sollen erneut sein Koalitionspartner sein. Die Grünen werden aussondiert.

5. Oktober: Eine Krankenschwester der Charité gesteht, zwei Patienten getötet zu haben.

19. Oktober: Welch eine Pleite: Das Bundesverfassungsgericht macht Berlin einen Strich durch die Rechnung. Statt der erhofften Milliarden bekommt die Stadt keinen Cent vom Bund.

21. Oktober: 750 Nazis bei einem Knastkonzert vor der JVA Tegel.

30. Oktober: Endlich mal ein heißes Thema: Die rot-rote Koalition kündigt ein Rauchverbot in Kneipen an.

2. November: Der Aufschwung ist da. Dank höherer Steuereinnahmen will Rot-Rot plötzlich überhaupt gar kein Finanzproblem mehr haben.

9. November: Ein guter Tag für Revolutionen. Das Abgeordnetenhaus schafft den Ladenschluss ab.

14. November: Bei einem abendlichen Gerangel im Wrangelkiez verliert die Polizei den Überblick. Erst behauptet sie, von bis zu 100 Jugendlichen bedrängt worden zu sein. Tage später soll es dann nur noch eine Handvoll gewesen sein.

23. November: Klaus Wowereit ist verstimmt. Erst im zweiten Wahlgang wählt ihn das Abgeordnetenhaus wieder zum Regierenden Bürgermeister.

28. November: Ästhetik besiegt Sparwut. Laut Gerichtsurteil muss der Hauptbahnhof umgebaut werden, weil Bahnchef Mehdorn eine billige Blechdecke einbauen ließ, die dem Architekten nicht gefällt.

6. Dezember: „Nein“, sagt Klaus Wowereit. Dummerweise auf die Frage, ob er seine Kinder in Kreuzberg zur Schule schicken würde. Später entschuldigt er sich.

19. Dezember: Drei Jahre Haft fordert die Staatsanwältin im Bankenprozess für den einstigen CDU-Strippenzieher Landowsky. Der will einen Freispruch. Das Urteil kommt nächstes Jahr. Es bleibt spannend.