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Archiv-Artikel

zwei kluge köpfe: die gräfin marion und buc „Glanzvoll am hohen Trapez“

Hannelore Hoger und Peter Lohmeyer geben in Hamburg die Dönhoff und den Bucerius. Und treffen den kritischen und klugen Ton der Korrespondenz der beiden „Zeit“-Geister

„Lieber Buc, dies ist nur eine von vielen Stimmen. Ich fände es traurig, wenn das, was wir in vielen Jahren aufgebaut haben, mit ein paar blöden und geschmacklosen Artikeln wieder zerstört wird.“

Gerd Bucerius erntete Kritik. Und zwar von niemand geringerem als Marion Gräfin Dönhoff, die sich über den Abdruck von Auszügen aus dem Buch „Das soeben entjungferte Mädchen“ empörte. Als Chefredakteurin und spätere Herausgeberin war sie der Konterpart, den der Verleger brauchte, um die am 21. Februar 1946 erstmals erschienene Zeit zu einem der wichtigsten Austragungsorte für den politischen Diskurs der jungen Republik zu machen.

Von der Besonderheit dieser 49-jährigen Arbeitsbeziehungen zeugen knapp 300 Briefe, die sich das ungleiche Duo schrieb. Briefe der persönlichen Anteilnahme, der Zuneigungsbeteuerungen und des unermüdlichen Kampfes um die Blattlinie. 160 dieser Briefe haben Haug von Kuenheim und Theo Sommer, „Die Buben“ wie Dönhoff und Bucerius ihre journalistischen Ziehkinder nannten, zur Veröffentlichung ausgewählt (Siedler Verlag). Am Dienstag lasen die Schauspieler Hannelore Hoger und Peter Lohmeyer aus diesem Lehrbuch der Beziehungskultur. Das Hamburger Schauspielhaus war voller „Zeit-Leser und FDP-Wähler“, wie eine Besucherin das Publikum einschätzte.

Es ist das Phänomen Hörbuch: Auch wenn eine Frau wie Hoger wenig auf die Vorstellung der Dönhoff passt, und Lohmeyer als Gegenüber zu juvenil anmutet, so vermögen die Profis den feinen Humor, den kritischen Ton viel besser zu treffen, als man es selbst beim Lesen könnte. Die Zuhörer wurden Beiwohner einer Beziehung, die in jeder Hinsicht außergewöhnlich war. Geprägt von tiefer, freundschaftlicher Zuneigung, getragen von dem gemeinsamen Kind Die Zeit, entzweit durch Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die politische Haltung des Blattes und die Frage seines Niveaus.

Beeindruckend ist die Schärfe, mit der Dönhoff gegen Bucerius vorgeht, ihr Bestreben, „glanzvoll am hohen Trapez zu turnen“, wie Bucerius es nannte. Lustig hingegen des Patriarchen Gejammere über seine Wehwehchen und seine ständig ins Feld geworfene Drohung, seine Verlegerschaft niederzulegen. Die bis zu 20 Seiten langen Briefe sind Dokumente deutscher Zeitungsgeschichte sowie einer außergewöhnlichen Beziehungskultur. Bis zum Schluss blieb die Anrede beim Sie, und doch erreichten sie eine Tiefe, die vielen Liebesbeziehungen fremd bleibt. Die scharfzüngigen, aber niemals persönlich verletzenden Auseinandersetzungen sind von entwaffnender Klugheit. Im Umkehrschluss lässt die Korrespondenz eine Erklärung für die wachsende Anspruchslosigkeit im Printbereich zu: Hinter einer bedeutenden Zeitung steckt nicht nur ein kluger Kopf. Sondern zwei.

SILKE BURMESTER