zwangspfand : Dreiste Tricks der Dosenlobby
Die Taktik ist so einfach wie perfide. Handel und Einwegindustrie lassen das Rücknahmesystem platzen und schieben dann dem Umweltminister die Schuld zu. Es könne doch nicht sein, dass Jürgen Trittin aus rein pfandideologischen Gründen den Markt für Einwegbehältnisse wegbrechen lasse – und die Jobs dazu, heißt es nun nach dem ergebnislosen Krisentreffen. Kanzler und Wirtschaftsminister, oh helft uns doch!, so die unterschwellige Botschaft der Einweglobbyisten.
Kommentarvon MATTHIAS URBACH
Schließlich ist in diesem Land derzeit nichts mehr tabu – weder Kündigungsschutz noch Rente oder Arbeitslosengeld. Da soll es das Pfand sein? Und außerdem: Was schert die Verbandschefs ihr Geschwätz von gestern? Zwar verpflichtete sich die Getränkewirtschaft 1977 und 1987 freiwillig, den Mehrweganteil konstant zu halten. Aber er sank drastisch. Erst daraufhin handelte Umweltminister Töpfer 1991 eine neue Selbstverpflichtung aus, dieses Mal mit einer Sanktion bei Nichterfüllung: das Zwangspfand.
Als das Pfand vor zwei Jahren dann nahte, brach der Handel eine beispiellose Klagewelle vom Zaun. Einen Monat bevor es in Kraft trat, fiel dem Handel ein, dass er kein Rücknahmesystem installiert hatte – und bettelte um Fristverlängerung: In neun Monaten könne die Rücknahme stehen. Trittin gewährte die Frist.
Nun wird auch dieses Versprechen gebrochen. Faktisch verkauft der Handel die Dosen seit einer Woche illegal. Aber was kümmert das den Einzelhandelsverband HDE. Er fordert fröhlich „neutrale Vermittler“, weil sich Trittin ja nicht noch weiter bewege. Wer aber könnte neutraler sein als die mehreren Dutzend Richter, die das Dosenpfand bestätigt haben?
Diese bodenlose Dreistigkeit des HDE wird allerdings noch getoppt: Von der Anmaßung der Verbandschefs im Namen aller Mitglieder zu sprechen – denn viele von ihnen setzen durchaus auf Mehrweg, andere organisieren private Rücknahmesysteme. Und von der Meckerei des BDI-Chefs Michael Rogowski gegen das Dosenpfand. Gehören zur Industrie nicht auch die Mehrwegflaschenhersteller und -abfüller? Die Privatbrauereien, der Getränkefachhandel und die Mineralbrunnen? Die nämlich vertrauen seit Jahrzehnten auf Abmachungen und investierten in Mehrweg.
Ärgerlich ist auch das Schweigen des Kanzlers. Er, der schon oft für die Wirtschaft Feuerwehr spielte, nährt so die Hoffnungen der Einweglobby. Mit einem Satz könnte er den Spuk beenden. Falls er wollte.
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