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Archiv-Artikel

zahl der woche Unerhört: Gegen Krach reichen schlappe zwei Euro

Neuer Anlauf für Fluglärmgesetz

Gleich startet der Flieger. Schnell einen Espresso geschlürft. Macht zwei Euro. Ab durch die Passkontrolle, dann hebt der Jet ab. Mit ohrenbetäubendem Getöse für die Anwohner des Flughafens. Dabei könnten die ihre Ruhe haben, würde jeder Fluggast für sein Ticket nur zwei Euro mehr zahlen. Ein Espressobetrag reicht, sagen der Verkehrsclub Deutschland und der Deutsche Arbeitsring für Lärmbekämpfung.

Die rot-grüne Regierung aber tut sich schwer, hadert mit der Neuauflage des Fluglärmgesetzes von 1971. Das regelt, wer in Flughafennähe zum Beispiel Schallschutzfenster bekommt – vom Flughafenbetreiber gezahlt, über die Airlines an die Passagiere weitergereicht. Seit 30 Jahren das gleiche Gesetz. Als hätte sich der Flugverkehr nicht verdoppelt, als fühlten sich nicht 15 Prozent der Deutschen durch Fluglärm belästigt, als wäre nicht erwiesen, dass Lärmgeplagte ein erhöhtes Herzinfarktrisiko haben. Wollen sie sich wehren, bleibt nur der Gang zum Gericht.

Immerhin: Die Regierung will sie besser schützen. SPD und Grüne einigten sich im Koalitionsvertrag 1998, das Fluglärmgesetz zu novellieren. Der zuständige grüne Umweltminister Jürgen Trittin schreibt ein Eckpunktepapier, spricht das Recht auf Schallschutz mehr Anwohnern zu. Und scheitert am SPD-Kollegen Kurt Bodewig, dem damaligen Bundesverkehrsminister.

Zu einer Zeit, als die Luftfahrtbranche in die Krise schlittert, will Bodewig weder Flughäfen noch -linien Lasten aufbürden. Das Umweltbundesamt hatte 600 Millionen Euro Mehrkosten berechnet, was dem Espressobetrag entspricht – verteilt auf Fluggäste und Frachtkilos über zehn Jahre. Die Branche ermittelte gleich mal das Fünffache. Als das Kanzleramt eingeschaltet werden sollte, kam der 11. September. Ende der Debatte.

Ein Jahr später gewinnt Rot-Grün wieder die Wahl, wieder kommt die Fluglärmnovelle in den Koalitionsvertrag. Trittins Staatssekretärin Probst kündigt sie diese Woche an. Dabei machen jetzt Irakkrieg und SARS den Airlines zu schaffen. Ist Verkehrsminister Stolpe (SPD) weniger wirtschaftsnah? Probst versichert, in der Koalition sei alles geklärt. Dann sagt sie: „Im Moment berechnen wir die Kostenfolgen.“ Das dauert. Derweil können Airlines abwarten, Espresso trinken, himmlische Ruhe genießen.

HANNA GERSMANN