zahl der woche : Null Bock auf weniger Verkehrsprobleme
Deutschland ohne City-Maut
Die Londoner City-Maut, die heute das niedliche Alter von drei Monaten erreicht, ist schon jetzt ein Riesenerfolg. In der Innenstadt der britischen Hauptstadt fahren 20 Prozent weniger Autos, doppelt so viele, wie selbst die zweckoptimistischen Planer der Maut erwartet hatten. Verdoppelt hat sich auch die Durchschnittsgeschwindigkeit der Autofahrer. Auf den leereren Straßen stieg sie von 15 auf 30 Stundenkilometer. Von den Gebühren hat die Stadt 300 neue Busse angeschafft. Neue wie alte Busse sind viel pünktlicher – die Zahl der Verspätungen halbierte sich.
Das alles führt dazu, dass 67 Prozent der Londoner den Erfolg anerkennen. Die kleine Verkehrsrevolution ging auch für den Verantwortlichen gut aus. Vor der Einführung war der Londoner Bürgermeister Ken Livingston U-Bahn-Fahrer („Ich hasse Autos“) noch für verrückt erklärt worden. Jetzt sehen ihn in Umfragen 46 Prozent der Befragten positiv.
So weit die gute Nachricht. Und damit sind wir bei der Null. Die Zahl der Kommunalpolitiker in Deutschland, die diesen Erfolg nachahmen – und so ihre Umfragewerte steigern möchten – ist nämlich gleich null. Das hatte der Städtetag vorsorglich schon nach zwei Monaten City-Maut London bekannt gegeben.
Mathematisch betrachtet ist diese Null keine Zahl, politisch gesehen schon. Denn alle Gründe, die der Städtetag, der ADAC oder der Einzelhandel gegen die Einführung der Maut anführen, werden durch den Londoner Versuch hinfällig. Zu diesem Schluss kommt die „Allianz pro Schiene“ in einer ersten Auswertung, die sie gestern vorstellte. Der deutsche Handelsverband BAG unkte, die Großstädte würden „ausbluten“. Den Londoner Einzelhandel gibt es aber noch. Die Geschäftsstruktur verändere sich nur leicht, sagt Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene: „Es gibt weniger Drive-ins von McDonald’s.“
Die Frankfurter Stadtregierung ist wiederum gegen das Modell, weil sie den S-Bahn-Verkehr nicht ausbauen könne. In London ist der öffentliche Nahverkehr nicht zusammengebrochen, obwohl keine Bahn ausgebaut wurde. Das sei nicht nötig gewesen, erklärt Flege und verweist auf sein Krawattenmuster: rote Londoner Busse vor blauem, autofreiem Hintergrund.
Die Verkehrspolitiker in anderen Ländern wehren sich nicht so heftig gegen Erfolg. Über 30 europäische Städte beratschlagen die Innenstadt-Maut, ergab eine Umfrage von Deloitte Consulting.
MAREKE ADEN