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Archiv-Artikel

zahl der woche Ich wollt, ich wär kein Huhn

Deutschen essen weniger Eier

„Glückskinder“ heißt der Film, die Filmmusik kommt von den „Comedian Harmonists“. Der Refrain geht so: „Ich wollt, ich wär ein Huhn …“ – Bloß nicht! Die Niederländer ordneten am Donnerstag die Tötung von weiteren sechs Millionen Federviechern an. Rund 200 Geflügelbetriebe zwischen der Autobahn 67 von Eindhoven nach Venlo und der belgischen und deutschen Grenze sind betroffen. Amtsniederländisch heißt die Sprachregelung: „vorsorglich geräumt“.

Auch wenn es so aussieht, als wenn der nach Deutschland eingeschleppte Erreger sich nicht ausgebreitet hat: Momentan ist es doch besser ins Büro zu gehen. Das hat nicht zuletzt statistische Gründe: Dämlich aber froh täglich ein Ei zu legen – und sonntags auch mal zwei – wird nicht mehr nötig sein, wenn es so weiter geht.

Seit Jahren nämlich sinkt der Eierkonsum der Deutschen. Die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) hat in dieser Woche eine Statistik veröffentlicht, nach der der Durchschnittsverbrauch in den vergangenen beiden Jahren um jeweils drei Eier pro deutschem Kopf zurückgegangen ist. Wir essen jetzt 217 Eier pro Jahr. Damit habe sich der seit 1998 anhaltende Rückgang des Verbrauchs beschleunigt, sagt die ZMP. Anders gesagt: Hält der Trend an, werden die Legehennen in 72 Jahren arbeitslos.

Die Eiererzeugung in Deutschland verringerte sich im vergangenen Jahr um rund 2 Prozent auf knapp 14 Milliarden Stück. Rückläufig ist nach den Angaben der ZMP auch der Selbstversorgungsgrad mit in Deutschland produzierten Eiern. Jedes vierte in Deutschland gegessene Ei stammt nicht von einer deutschen Henne, sondern kommt aus dem Ausland.

Aber was heißt schon „deutsche Henne“? Unser Huhn stammt vom Bankiva-Huhn aus Südostasien ab. An seinem natürlichen Verhalten hat sich eigentlich nicht viel geändert. Hühner leben in kleinen Gruppen mit stabiler Rangordnung. Nur zum Eierlegen entfernen sie sich, ansonsten sind sie Herdentiere, die schon ungeschlüpft miteinander kommunizieren – durch die Schale.

Die natürliche Lebenserwartung eines Huhns beträgt zwischen 15 und 20 Jahre. Davon können die heutigen Hochleistungshennen natürlich nur träumen. Die durchschnittliche Lebenszeit eines Batteriehuhns beträgt zwischen 12 und 14 Monate. Durch ein spezielles Kraftfutter und bis zu 20 Stunden Kunstlicht, das permanenten Frühling vorgaukelt, werden die Hühner zu Höchstleistungen stimuliert. In Deutschland gibt es fast 50 Millionen Legehennen, rund 90 Prozent leben in Käfigbatterien.

Immerhin sind gestern – zwei Wochen nach dem Ausbruch der Geflügelpest – erste Auflagen wieder gelockert worden. Aber nur für Brieftauben. Die dürfen nun wieder in der ganzen Republik zu Wett- und Trainingsflügen starten.

Für die Hühner gilt bis auf Weiteres – leicht abgewandelt – die Textzeile der Comedian Harmonists: „Und hab ich manchmal keine Lust, ein dummes Huhn zu sein, erwacht ein Wunsch in meiner Brust, und ich gestehe ein. Ich wollt, ich wär Mensch.“ NICK REIMER