zahl der woche : Die Erfinder des dynamischen Deutschland
58.000
Oscar Wilde begriff den Fortschritt als eine Verwirklichung von Utopien. Die Hummel kann nach unseren Gesetzen der Physik eigentlich nicht fliegen. Sie weiß es nur nicht. Ebenso setzt sich der Erfinder über gültige Normen hinweg – allerdings bewusst, denn sie belasten sein Denken.
Auf der alljährlichen Fachmesse „Ideen–Erfindungen–Neuheiten“ (Iena), die noch bis Sonntag in Nürnberg stattfindet, stellen kreative Menschen aus 29 Ländern rund 650 gesprengte Normen vor. „Der Trend zu Forschung und Entwicklung lässt in Deutschland nicht nach, ganz im Gegenteil“, sagt die Sprecherin des Deutschen Patent- und Markenamts, Diane Nickl. Für das Gesamtjahr erwartet die Behörde rund 58.000 Patentanmeldungen, das sind 10.000 mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Markenanmeldungen stieg ebenfalls: um 10 Prozent. Mehr als 69.000 sollen bis Ende 2004 vorliegen.
Bevor Konsumgüter wie Inlineskater und Lenkdrachen zu Verkaufsschlagern avancierten, waren auch sie vor Jahren auf der Iena präsentierte Neuheiten. Doch viele der teilweise genialen Ideen in diesem Jahr werden wieder schwer zu vermarkten sein. Wie die elektrische Klobürste mit Rechts- und Linkslauf.
Viele Innovationen gibt es zum Thema Umwelt. Besonders interessant: ein spezielles Bohrersystem zur Gewinnung von Erdwärme. Der Antrieb ist integriert und ersetzt den externen Bohrturm. Im Vorgarten wird in einem bis zu 500 Meter tiefen Loch Wasser auf 27 Grad erhitzt, es steigt nach oben. Hier treibt es einen Generator an und dient der Erwärmung der Fußböden. Kostet aber immerhin 35.000 Mark.
Dem Energiepreisschock der vergangenen Wochen kann nun auch begegnet werden: mittels einer neuen Fassadendämmung. Das Material wird einfach auf eine Trägerplatte angeklebt und kann sogar Lasten tragen.
Alle Tüftler hoffen auf große Resonanz. Doch leider mangelt es am Interesse der Firmen. Neue Lösungen versprächen grundsätzlich oft neue Arbeitsplätze, sagt der Chef des Deutschen-Erfinder-Verbands Karl Bauch. Aber nicht mal 5 Prozent der Anmeldungen würden weiter entwickelt. Schwierig gestalte sich der Schutz geistigen Eigentums. Ehe der Behördenapparat durchlaufen ist, vergeht viel Zeit.
Immerhin hat ein schwedisches Möbelhaus schon Interesse an bunten individuellen Computerverkleidungen angemeldet. Und auch für Aquarien im Fenster, die das Urlaubsfeeling nach Hause holen, liegen schon Bestellungen vor. STEFANIE WERNER