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Archiv-Artikel

zahl der woche Vorbeugender Umweltschutz ganz inhaltsleer

424 Millionen

Diese Zahl hat das Statistische Bundesamt erstmals ermittelt: 424 Millionen. So viel Euro nämlich hat die Industrie in Deutschland im Jahr 2003 in „vorbeugende Umweltschutzmaßnahmen“ investiert – Produktionstechniken, die Schadstoffe gar nicht erst entstehen lassen, erläutern die Wiesbadener Statistiker. 5.000 Unternehmen wurden repräsentativ befragt.

Keine Frage: 424 Millionen Euro klingt irgendwie viel. Aber was soll uns diese Zahl sagen? Vergleiche früherer Jahre, bedauert man in Wiesbaden, gibt es nicht. Zahlen anderer Länder genau so wenig. Zudem ist die Zahl an sich reichlich inhaltsleer. Denn auch das Statistikamt muss eingestehen, dass man bei der Bewertung der Investitionen „durchaus Bewertungsspielräume“ habe.

So ist die Definition von „vorbeugender Umweltschutz“ willkürlich. Wenn eine Firma in Ökotechnik investiert, weil es sich finanziell lohnt (etwa durch verbesserte Energieeffizienz der Anlagen), weigern sich die Statistiker, das mitzuzählen. Wird aber investiert, weil es durch neue gesetzliche Vorgaben erforderlich wurde, fließen die Kosten in die Statistik ein. Das wiederum tun sie aber nur teilweise. Denn je nachdem, um welche Art von Investition es sich handelt, werden nur die umweltrelevanten Mehrkosten oder aber die Gesamtinvestitionen gezählt. Bewertungsspielräume eben.

So kommt man immerhin zur Erkenntnis, dass von den 863 Millionen Euro Umweltschutzinvestitionen in Deutschland ein Drittel dem vorbeugenden Umweltschutz zuzuschreiben sind. Vom gesamten Investitionsvolumen des verarbeitenden Gewerbes macht der Umweltschutz gerade mal 2,7 Prozent aus.

Warum eigentlich wurde nur das verarbeitende Gewerbe ausgewertet? Was ist mit Handel, Dienstleistern und vor allem dem Verkehr? Ein Busunternehmer, der Dieselfilter einbaut, könnte sich den vorbeugenden Umweltschutz doch auch zugute halten. „Würden wir ja gern erfassen, aber dafür haben wir nicht die gesetzliche Grundlage“, heißt es in Wiesbaden.

Vielleicht ist das auch gut so. Schließlich müssen wir erst mal die 424 Millionen Euro verdauen. Ein Jahr lang können wir darüber nachdenken, was die Zahl uns sagt. Ist das viel? Wenig? 2006 wird ein neuer Wert kursieren. Er wird höher liegen. Oder niedriger. Vielleicht wird man ihn ja sogar irgendwie mit dem diesjährigen vergleichen können. Vielleicht aber auch nicht. Denn so einfach ist die Erfassung nicht: wegen der Bewertungsspielräume. BERNWARD JANZING