piwik no script img

wortwechselBayerische Gruseloperette oder rechter Durchmarsch?

Söder verklärt Aiwangers Antisemitismus zur Jugendsünde. Macht der bayerische CSU-Ministerpräsident mit „Opfer Hubsi“ die Holocaustverhöhnung in Deutschland salonfähig?

„Es geht um Machtkalkül, nicht um Moral“, taz vom 4. 9. 23

Neonazi-AfD-Sprech

Also ich, mit über 80 erheblich älter als Herr Aiwanger, weiß noch genau, was ich in meiner Schultasche als 16-Jähriger hatte und für welche Unbotmäßigkeiten (unter der Bank explodierende Zündplättchen für die Faschingsrevolver) ich einen Eintrag ins Klassenbuch bekam. Und ja, als mein Vater sich ein Hitlerbärtchen anklebte, fand ich das nicht witzig. Hitlergruß und Judenwitze? Eine völlig andere Liga. Dass Aiwanger sich nicht erinnert, und dann doch, und dann war’s der Bruder … Und heute der „erwachsene“ Aiwanger mit seinem infantilen Geschwurbel … Meine Stimmung versinkt in unfröhliches Nachtschwarz. Es ist nur noch widerwärtig.

Schlimmer als diese, wie ich finde, wirklich nicht harmlosen Jugendsünden, ist, wie dieser „Menschenfreund“, als der er sich geriert (hat er da auch Frau Weidel kopiert?) – viel, viel schlimmer ist, dass er in lupenreinem Neonazi-AfD-Sprech sich die „Demokratie“ „zurückholen will“. Das ist nur noch zum Kotzen widerwärtig. Herr Aiwanger, der nicht daran denkt, zurückzutreten. Muss er auch nicht, denn in Söder hat er den verlässlichsten Sinnesbruder, der auch nur zum Schein Bäume umarmt, den Klimawandel leugnet, erneuerbare Energien verhindert und die Grünen bekämpft. Es fehlt noch sein Antrittsbesuch bei der „Naziverbrechen-der-Fliegenschiss-der-Geschichte-Camerilla.“ Winfried Grißmer

Leugnerzeugnis

25 Antworten. Schriftlich. Sie wurden mir zugespielt. 1.) Nein. 2.) Wieder Nein. 3.) Ja. 4.) Niemals. 5.) Nochmals Nein. Vollumfänglich. 6.) Nein und das wäre auch neu. 7.) Nicht ich. 8.) Noch niemals. 9.) In keinster Weise. 10.) Nie im Leben. 11.) Nur so. 12.) Nur ich sage hier Nein. 13.) So gut wie nie. 14.) Aber Nein. Weil ich das nämlich wüsste. 15.) Nein! Wer sagt das? Ich stelle fest: Das ist eine nichtige Unterstellung. 16.) Nein, keiner. 17.) Nein. Niemandem. 18.) Neun. Nicht zehn. Öfters auch nicht. Unmöglich. 19.) Auch Nein. 20.) Auch nicht. Im Leben nicht. 21.) Ich kann mich nicht erinnern. Aber wenn’s so wäre, ist es nicht meine Sache, noch Streben, weder Suchen noch mein Anliegen. 22.) Da müsste ich lügen, wenn ich nicht Nein sage. 23.) Nein. 24.) Abermals Nein. 25.) Das verlangt nur eine Antwort: Nein. Bayern, am 31. August 2023. Roland Spur, Fellbach

Bayern im Stechschritt?

„Aiwanger muss gehen“, taz vom 30. 8. 23

Sehr geehrter Herr Leggewie, Ihrer Analyse der derzeitigen und historischen Situation in Bayern kann ich nur zustimmen. Ihre Folgerung, „Aiwanger muss gehen“, allerdings, ist für mich nicht zwingend. Aiwanger und Söder sind bekennende „Fans“ von Franz Josef Strauß. Demokratie, freie Wahlen sind für sie nur Mittel zum Zweck. So wie bei Strauß geht es nur um den Machterhalt, ganz gleichgültig, welche rechtsradikale Klientel sie wählt und an die Regierung bringt. Zusammengenommen kommt dieses politische Konsortium aus CSU, AfD und „freien Wählern“ auf circa 60 Prozent der Wählerstimmen in Bayern. Warum also sollte Aiwanger gehen? Bayern steht zu 60 Prozent hinter solchen Politikern, deren Ansichten und deren Tun. Sollte man hier nicht die Folgerung ziehen: Bayern sollte gehen? Name ist der Redaktion bekannt

Er war nicht der Einzige

„Rechte Tendenzen in der BRD der 1980er: Was war das für eine Zeit, als die Aiwanger-Brüder zur Schule gingen? Es war eine dunkelbraune Zeit, in der eine rechtsextreme Jugendkultur entstand“, wochentaz vom 2. 9. 23

Es war auch die Zeit der „Wehrsportgruppe Hoffmann“, aus deren Reihen der Oktoberfest-Attentäter kam – selbstverständlich ein „Einzeltäter“! Man fragt sich, ob diese bis heute noch gern genommene These damals erfunden wurde.

Puck auf taz.de

So habe ich die 1980er überhaupt nicht erlebt. Im tiefsten Oberschwaben gründete sich gerade die alternative Liste. Es gab Treffen der Friedensbewegung. Für mich eine sehr schöne und lebenswerte Zeit.

H. L auf taz.de

Trotz allem bleibt die Frage, wieso das bürgerliche Milieu soviel Menschenverachtung und Gewaltphantasien hervorbringen kann. Gerade in einem katholischen Land. Jesu würde denen allen in den Allerwertesten treten, so, wie er im Tempel gewütet hat.

Shitstormcowboy auf taz.de

Vielen dank für diesen sehr notwendigen bericht. den erzählungen von jugendsünden und einzeltätern muss etwas entgegen gesetzt werden. rassismus, antisemitismus, und white supremacy verschwinden nicht einfach mit dem erwachsenwerden. Nafets Etnep auf taz.de

Dieser erhellende Bericht überwindet so manches Klein-Klein der aktuellen Rechtfertigungen, die Aiwanger zu retten versuchen. Es geht um mehr als einen persönlichen Ausrutscher eines Jugendlichen. Danke! Osman Yoncaova auf taz.de

Was mich richtig frustriert, ist, dass „wir“ das damals alles haben kommen sehen. Ob man nun die Gebrüder Engel mit „Sie fangen wieder an“ nimmt, einem Song, der an Aktualität quasi in fünfzig Jahren nichts verloren hat – oder sich die eigene aktive Mitarbeit in der seinerzeit noch gewaltbereiten Kölner Antifa ans Revers heftet, die immerhin bis in die Nuller-Jahre Köln frei gehalten hat von offenkundig als Faschos auftretenden Uniformierten. Es schien alles so klar, und das war es wohl leider auch. „Wehret den Anfängen“ ist heute jedenfalls maximal noch ein gut gemeinter Anachronismus.

Tripler Tobias auf taz.de

Diese Analyse von Eberhard Seidel finde ich ausgezeichnet. Man kann darüber streiten, ob Aiwanger sich seither von dem geschilderten Gedankengut entfernt hat. Selbst wenn, es findet gerade heute erneut Follower. Danke, wegen solcher Artikel schätze ich die taz.

Brigitte Kreplin, Herdecke

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen