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wortwechselVon Pazifismus, Papst und Porsche

Pazifismus funktioniert nicht in rechtsfreien Systemen. Franziskus bittet auf Büßerreise Kanadas Indigene demütig um Vergebung. Ist FDP mit Automobilkonzern verstrickt?

Federschmuck genügt nicht Foto: Adam Scotti/PMO/reuters

Meinungsbildung

„Anklagepunkt ‚ BDS-Nähe‘ “, taz vom 20. 7. 22

Danke, Georg Diez, für den erhellenden und schmerzhaften Kommentar. Es gibt nichts hinzuzufügen. Bestätigt ist meine Wahrnehmung, dass nicht nur mangelnde journalistische Sorgfaltspflicht, sondern zuerst politisches Kalkül der Chefredaktionen und Opportunismus der Redaktionen samt Hysterieproduktion zur Meinungsbildung eine Schmerzgrenze erreicht haben. „Die Enge ist umfassend geworden“.

Anita Weiß, Leipzig

Büßergewänder

„Bitte um Vergebung“, taz vom 27. 7. 22

Papst Franziskus befindet sich derzeit auf Büßerreise durch Kanada, um die Indigenen, die jahrzehntelang unter Verbrechen in katholischen Schulen litten, demütig um Verzeihung zu bitten. Eine höchst anerkennenswerte Geste des Papstes. Die weltliche „Instanz der Unfehlbarkeit“, die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel, verbringt ihren Ruhestand derweil mit Wohlfühlterminen oder präsentiert sich auf dem „Catwalk“ in Bayreuth um sich von ihren noch immer sehr zahlreichen Anhängern beklatschen zu lassen. Aber kann Dauerurlaub machen vom jahrelangen Aussitzen der großen politischen Herausforderungen für einen langen Lebensabend erfüllend sein?

Alfred Kastner, Weiden

Schuld und Vergebung

„Nett gemeint“, taz vom 27. 7. 22

Der Papst steht für uns, die Hellhäutigen, im Fokus des Fotos. Kann der sich mühende Jorge Mario Bergoglio damit die Institution entschulden, mit der Bitte um Vergebung der Schuld des Genozids entlasten? Der weiße Mann greift die farbige Hand, um seine Überzeugung zu leben. Zu der Demut gehört der Vorherrschaft, die er verteidigt. Das ist der hiatus, der unüberbrückbare Spalt.

Klaus Warzecha, Wiesbaden

Sozialfürsorge

„Ein zarter Versuch“, taz vom 26. 7. 22

Die Kolonialisten erstrebten die Assimilation der Indianer und damit die Vernichtung ihrer Identität. Die Kirchen waren ausführendes Instrument dieser Politik. Nicht weil Christen besonderes fanatisch, rassistisch oder sonst wie „böse“ sind, sondern weil die Kirchen mangels anderer Institutionen seinerzeit wesentliche Träger der organisierten Sozialfürsorge waren. Diese Praxis war nicht auf Kanada beschränkt, sondern wiederholte sich auf vielfältige Weise rund um den Globus.

Callcenter-Agent auf taz.de

Moin an die Isar

„Münchner Grüne wanken“, taz vom 24. 7. 22

Im Rahmen der europäischen Solidarität sollten sich auch die Deutschen mit den Bayern solidarisch zeigen. Es stimmt natürlich, dass die Bayern mit ihrer einseitigen Ausrichtung auf Erdgas unter den Kurfürsten Franz Josef, Max, Edmund und Horst sowie den Verzögerungen im Ausbau der Stromleitungen unter den Kurfürsten Horst und Markus ihre Probleme überwiegend selbst verschuldet haben. Das AKW Isar 2 sollte aber auch deswegen ein paar Wochen länger betrieben werden, weil die Sicherung der Stromversorgung durch PREUSSENelektra die Höchststrafe für jeden Bayern darstellt. Torsten Berndt, Koblenz

Rechtsstaat

„Weltmeister im Pazifismus“, taz vom 27. 7. 22

Unser Grundgesetz erlaubt die Verweigerung des Wehrdienstes aus der Erfahrung des nationalsozialistischen Regimes. Unser Grundgesetz erlaubt aber auch Widerstand gegen diktatorische Gewalt und Mächte. Wenn wir diese Rechte haben, sollten wir diese den ukrainischen BürgerInnen nicht im Namen eines idealisierten Pazifismus absprechen. Pazifismus funktioniert in einem intaktem Rechtsstaat. In einer Diktatur oder gegen eine angreifende diktatorische Macht gerichtet, ist er ein selbstgefährdendes Mittel von Psyche und Körper, da rechtsfreie sowie diktatorische Systeme – und dazu zählt Putins Russland – sich um die humane Haltung von PazifistInnen und Rechtsnormen einen Sch… scheren. Ich muss hier keine Beispiele aufzählen, in der taz kann man diese in Vielzahl lesen. Falls noch jemand der irrigen Meinung ist, Pazifismus könne ein probates Mittel sein, Putin zu stoppen. Leider ist dem nicht so. Klaus Zerkowski, Rothenburg o. d. T.

Realitätsfern und belehrend

„Weltmeister im Pazifismus“, taz vom 27. 7. 22

Manchmal wirkt dieser sich sehr überlegt und vermeintlich unbefangen zu Bedenken gebende Gestus des „Interventions-Intellektuellen“ ziemlich realitätsfern und belehrend. Nach dem Motto: „Ihr seid zu sehr in eure unmittelbaren Nöte (in diesem Fall die möglichst erfolgreiche Abwehr des militärischen Übergriffs) verwickelt, als dass ihr objektiv und über euren Tellerrand hinaus über Lösungen nachdenken könntet, sodass wir aus reflektierter Distanz gegen eure gefährlich engen Wege intervenieren.“ Doch deshalb ist nicht jedweder dieser Einwände pazifistischer Intention. Genauso wenig, wie ein Waffenlieferungsbefürworter ein Kriegstreiber, ist ein Verfechter der dringenden Suche auch nach anderen als militärischen Reaktionen nicht automatisch ein Pazifist! Wolfram Hasch, Berlin

Pazifismus

„Weltmeister im Pazifismus“, taz vom 27. 7. 22

Es gibt keine spezifisch deutsche Art des Pazifismus, dumm und naiv, wie Marinićunterstellt. Mit diesem Label hat sie aber zugleich den Pazifismus in eine Ecke gestellt, man sieht dann schnell, wohin das führt, aus den deutschen Pazifisten werden „Superpazifisten“, die eine gefährliche Stimmung vorbereiten, in einem Land, in dem Ausdauer und Moral gebraucht wird.Der Pazifismus ist, wie sie schreibt, eine Haltung. Aber eine Haltung ohne moralische Bodenplatte oder Grundierung gibt es nicht. Damit hätte sich das Schlaglicht beschäftigen können. Eckart Riehle, Karlsruhe

Klientel

„Porsche-Partei FDP“, taz vom 25. 7. 22

Mehr als Klientelpartei und Schleuder-Plattform für Karrieristen war die FDP nie, besonders seit Westerwelle und Lindner. Ihre sozialliberale Zeit mit den Freiburger Thesen hat sie erfolgreich entsorgt. Aber Empörung darüber ist fehl am Platze. Irgendwo müssen die Geldmacher, Zahnärzte und Möchtegerne eine politische Plattform haben, sonst rebellieren sie oder tauchen völlig ab. Es liegt an den anderen Parteien, wie sie mit einer solch geld- und machtgeilen Gruppe umgehen und sie kontrollieren. Es war naiv von den Grünen und der SPD zu glauben, die FDP einhegen oder gar auf einen Pfad politischer Rationalität bringen zu können, wenn sie ihr nur ein paar Sahnestückchen wie den Verzicht auf das Tempolimit zugestehen. Hans-Dieter Kübler, Werther

Tradition

„Porsche-Partei FDP“, taz vom 25. 7. 22

Die Verwebungen und Verstrickungen der Automobilkonzerne mit der Politik haben Tradition und Konjunktur, schon mindestens seit Ferry Porsche. In München dürfte die proaktive Protektion der großen Konzerne und der milliardenschweren Un­ter­neh­me­r:in­nen­fa­mi­li­en ebenfalls in Stein gemeißelt sein. Die vielen jungen Erstwähler:innen, die sich dynamische Entscheidungen und Generationengerechtigkeit mit Maß und Weitblick bei der Bundestagswahl gewünscht haben, werden von der Macht des Lobbyismus und großer Unternehmen hoffentlich nicht überrascht sein. Martin Rees, Dortmund

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