wortwechsel: Gasembargo sofort? Eine Frage der Moral?
Die Bilder mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine lösen Entsetzen, eine zornige Hilflosigkeit aus – und Forderungen nach einem sofortigen Embargo von russischem Gas
„Energieexperte Halver über Gasstopp: „Ohne Versorgungssicherheit ist der Exodus deutscher Firmen eingeleitet“, taz vom 31. 3. 22
Hilfe – ohne Energie?
Der Wille zum Energieembargo muss unbedingt vorher zwei Fragen aushalten und einigermaßen realistisch beantworten können: Wird damit dieser Verbrechenskrieg unverzüglich beendet? Falls dieses Ende damit nicht garantiert ist, weil der Verbrecher seine Zerstörungskolonnen in Rubel bezahlt, jederzeit druckbar, stellt sich die zweite Frage: Kann mit einem solchen Embargo deutlich mehr Leid verhindert werden als durch die Aufrechterhaltung der russischen Energielieferungen? Ein möglichst intakt funktionierendes Warenproduktionssystem kann die Ukraine mit Waffen, Lebensmitteln, Medikamenten, Treibstoffnachschub unterstützen, zudem Hunderttausende geflüchtete Ukrainer versorgen. Das alles benötigt Energie – bei der ans Energiesparen durch Reduktion der Hilfeleistungen nicht gedacht werden darf.
Wolfram Hasch, Berlin
Autark – im Privaten?
Seit mindestens vierzig Jahren werden alle, die auf Versorgungssicherheit und Autarkie für den Krisenfall hinweisen, von den Mehrheitsparteien und deren Wählern konsequent ausgelacht. Warum sich selbst um etwas bemühen, wenn man es billiger aus dem Ausland importieren kann? Ich bin so situiert, dass ich wohl halbwegs über die Runden kommen werde. Axel Berger auf taz.de
@Axel Berger Wenn alle um Sie herum nichts mehr haben, werden Sie auch nichts mehr haben. Autark im Berg lebt es sich in Deutschland nicht. Die Prepperszene geht dummerweise von der falschen Vorstellung eines unabhängigen Lebens im Chaos aus. Nein, auch alle, die „vorsorgen“, werden keine Freude haben, wenn die gewohnte Welt untergeht.
Hans Wurst auf taz.de
In Krisenzeiten sind die Unternehmer dann also von der Bildfläche verschwunden? Gewinne privatisieren und Verluste vergesellschaften? Wenn ich kleiner Bürger mich mal verzocke, rettet mich kein Staat. Wenn Konzerne sich verzocken, werden sie gerne mit Staatsgeldern gerettet, meistens dazu noch ohne entsprechende Gegenleistungen einzufordern.
Josan auf taz.de
Putin: Staatsbrankrott?
„Wirtschaftskrieg um Gas und Geld“,
taz vom 1. 4. 22
„Umgekehrt benötigt Putin die westlichen Devisen nicht, um seinen Krieg zu führen.“ Diese Argumentation ist so nicht korrekt. Selbstverständlich kann Putin Rubel drucken und damit die Inflation im eigenen Land anheizen. Er braucht allerdings die Devisen, um seinen Zahlungsverpflichtungen in Dollar/Rubel nachkommen zu können. Zum 1. April muss Russland eine Anleihe von 2 Milliarden tilgen – in Dollar. Sollte er nun in Rubel zahlen, wird dies nicht akzeptiert. Nach 30 Tagen tritt dann Zahlungsausfall ein und Russland steht vor dem Staatsbankrott. Da hilft die autarke Versorgung auch nicht mehr. Diese Konsequenzen werden die Menschen in Russland bezahlen müssen. Georg Flad, Norderstedt
Rückgrat beweisen?
Wann verstehen die europäischen Politiker endlich, dass gegen einen Despoten wie Putin nur Härte Erfolg hat? Auf die Verträge pochen, auf ein Sperrkonto einzahlen und Putin den Vertragsbruch begehen lassen. Wir werden uns einschränken müssen, aber wir sollten Rückgrat beweisen! Gerhard Hücker, Kelkheim
Vertragsbruch?
Warum hat Russland nicht schon längst den Gashahn zugedreht als Antwort auf die Sanktionen des Westens?
Wenn das Land die Devisen sowieso nicht braucht, wäre ein Szenario mit all den angeblich dramatischen und katastrophalen Auswirkungen für die westlichen Volkswirtschaften doch ein richtig scharfes Schwert in Putins Instrumentenkasten.
Könnte es also nicht doch so sein, dass Russland aus wirtschaftlichen Interessen, aber auch aus innenpolitischem Kalkül sein Gas im Westen losschlagen muss?
Peter Lessmann-Kieseyer, Köln
Nicht nur zuschauen!
Die neuesten Bilder aus der Ukraine sind kaum erträglich. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, damit dieses sinnfreie Morden endlich aufhört! Nach den aktuellen Vorfällen dürfen wir nicht mehr nur zuschauen! Es ist an der Zeit, die Energielieferungen aus Russland umgehend zu stoppen und den Geldhahn dafür endlich zu schließen!
Achim Bothmann, Hannover
Wohlstand weg?
„Wie sähe es aus ohne Russlands Energie? Die Ökonom:innen streiten sich immer noch über die Auswirkungen eines Lieferstopps“, taz vom 30. 3. 22
Die „enormen wirtschaftlichen Folgen“ eines Stopps der Energieimporte aus Russland, so Herr Habeck, würden eine erhebliche Absenkung unseres Wohlstandsniveaus nach sich ziehen. Als elendiglich – angesichts der Höhe und der „Qualität“ der Absenkung des Wohlstands (!) der Bürger der Ukraine – muss man diesen Zynismus und diese schändliche Laviererei empfinden!
Ich schäme mich für mein Land.
Axel Zyrewitz, Rottweil
„Wir schaffen das …“
Herr Habeck ist ein sympathischer Deutscher. Er ist der sympathische Scholz: An Stelle von „Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft!“ fehlt eine Brandrede: Wir schaffen das! Wenn wir das schaffen, wenn Putin den Hahn abdreht, warum machen wir es dann nicht selbst? Die Ukrainer machen vor, was unter sehr widrigen Umständen zu schaffen ist. Anscheinend fühlen sich die Deutschen nicht bedroht.
W. Linsenhoff, Berlin
Fatale Abhängigkeiten
Ein Weiser der Wirtschaft, Achim Truger, wünscht sich einen noch schnelleren Strukturwandel – weg von fossilen Energierohstoffen durch Wind und Sonnenenergie. Sind wir heute von Öl und Gas aus Russland abhängig, werden wir es bei PV-Modulen in Zukunft von China sein. Das Freiburger Ökoinstitut hat immer wieder versucht, die Produktion von PV-Modulen in Deutschland zu ermöglichen. Diese noch fatalere Abhängigkeit wird aus Angst überhaupt nicht diskutiert. Truger befürchtet, durch das Gasembargo könnten wir ins Jahr 2020 zurückgeworfen werden. 2020!
Wachstum ist die fatalste aller Abhängigkeiten. Klaus.Warzecha, Wiesbaden
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen