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wortwechselWenn Haus­ärz­t:in­nen an ihre Grenzen geraten …

Die Haus­ärz­t:in­nen sind ein Anker in der Pandemie. Sie leisten noch mehr als sonst – im Fangnetz der Bürokratie. Werden sie jetzt zum Sündenbock gemacht für neue Impfdebakel?

Impfzentrum auf – Impfzentrum zu. Politik à la Spahn. Die Hausärzte impf(t)en tapfer weiter – wenn Impfstoff und Willige da waren. Anerkennung? Manchmal Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

„Kommentar zur Debatte über die vierte Coronawelle: Die Mitschuld der Hausärzte am lahmen Impftempo“,

taz vom 2. 11. 21

Unsern Patienten zuliebe

Ich bin sehr verärgert über die hier vertretene Ansicht, dass „die Hausärzte“ eine „Mitschuld am schleppenden Verlauf der Impfkampagne“ tragen. Das ist so nicht richtig! Ich bin als internistische Hausärztin tätig und wurde, ebenso wie meine Kollegen, in keiner Weise in die publik gemachte Forderung des Verbandes involviert. Im Gegenteil. Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt und mussten irgendwie versuchen, Impfungen in unseren Praxisalltag zu integrieren, die eine sehr zeitintensive Vorbereitung und Dokumentation forderten, von der Sorgfalt im Umgang mit dem hoch empfindlichen Impfstoff gar nicht zu reden. Unseren Patienten zuliebe haben wir es gemacht, aber was das an zusätzlicher Arbeit, Nerven und Energie benötigte, können nur Kollegen ermessen, die in der gleichen Situation waren und sind. Es jetzt so darzustellen, dass „wir“ das so wollten und sogar eine „Mitschuld“ tragen, ist, gelinde gesagt, eine Frechheit! Wir kämpfen Tag für Tag mit Bürokratie, ständig wechselnden Vorgaben und verärgerten Patien­ten, denen durch so eine Darstellung vermittelt wird, dass wir unsere Arbeit nicht machen. Das ist in höchstem Maße kontraproduktiv. Seit Monaten arbeiten wir am Rande der Belastungsgrenze. Ein wenig Anerkennung wäre das Mindeste!

Dr. S. Bredemeier

Unsolidarisch?!

Jede Menge Ärz­t:in­nen und ihre Mit­ar­bei­te­r:in­nen reißen sich seit Beginn der Corona-Epidemie den A. auf. Dann gibt es welche, die neben ihrer normalen Arbeit nicht noch impfen können oder wollen. Weil keine Zeit dafür da ist! Nun sind alle Hausärzte deshalb nicht solidarisch? Sind alle taz-Mitarbeiter Bild-Journalisten? Meine MFAs, die es mir ermöglichten, in einer Einzelpraxis 1.500 Menschen gegen Covid zu impfen (neben Grippe, FSM, Tetanus und Co), die jede Menge Überstunden machen, auch mal im Urlaub impfen, laden euch gerne ein, zu sehen, wie ihre Arbeit in einer Hausarztpraxis läuft. Macht weiter so: belobhudelt mit Sonderbeilagen die impfbegeisterten Waldorfschulen und beschimpft den Klassenfeind Hausarzt. Harald Hartmann, Wyhl

Seit Monaten am Limit

Als seit 1,5 Jahren permanent mit dem Thema Corona beschäftigter und aktiv impfender Hausarzt habe ich mich sehr über diesen Artikel geärgert. Es gibt, anders als geschrieben, keine 150.000 Hausarztpraxen in Deutschland. Für die Behauptung, es gebe „nicht wenige, die Forschungsergebnisse nicht mitverfolgen, Impfungen ablehnen“ bleibt der Autor einen Beleg schuldig. Idioten finden sich natürlich in jeder Berufsgruppe. Uns hausärztlichen Praxis-Teams, die wir seit Monaten am Limit arbeiten, aber derart gegen das Knie zu treten, empfinde ich als sehr unfreundlich und kontraproduktiv. Günther Egidi, Bremen

Das ist Interessenpolitik

Der Hausärzteverband ist eine Interessenvertretung der „Basis“ärzte, die nach Vorteilen für ihre Klientel strebt. Es geht nicht um Vorteile für Patienten und alle Ärzte, also für die Allgemeinheit, sondern nur um Macht und Wohlstand für die eigenen Mitglieder. Viele Hausärzte fand man statt in ihren Praxen in den Impfzentren, solange die Bezahlung dort überdurchschnittlich war. Kaum war die Bezahlung reduziert, ging es zurück in die Praxen, und um dort den Umsatz wieder anzukurbeln, drang man deshalb auf Schließung der Impfzentren und sorgte so für überdurchschnittliche Patientenströme für den eigenen Wohlstand.

Dr. med. Helge Scheibe, Bad Krozingen

Und taz.de schreibt …

Impfende Hausärzte tun das im Spahn-Universum auf eigene Rechnung. Noch immer erhält jeder Hausarzt pro Corona-Impfung 20 Euro, das ist nicht mal kostendeckend, denn der Personal- und Raumbedarf dank überbordender Coronabürokratie ist immens. Während sich Apotheken mit Masken und digitalen Impfpässen goldene Nasen verdienen konnten und eine Impfung im Impfzentrum circa 120 Euro kostet. Calliope auf taz.de

Ich kann nur den Kopf schütteln über die Anspruchshaltung der (meist älteren) PatientInnen, die sich für den Nabel der Welt halten. Da wird die aufgrund des Abstandsgebots mühsam organisierte Logistik immer wieder unterlaufen, weil „man ja nur was fragen will“ oder „einen Termin hat“. Die Mitarbeitenden werden wie Fußabtreter behandelt und sind am Ende mit ihren Kräften. Ich würde das dort nicht eine Stunde aushalten! Aber mein Hausarzt macht tapfer weiter, impft im Akkord gegen Grippe und lädt aktiv zum Boostern ein. Life is life auf taz.de

Das Hausärzte-Bashing ist schwer in Mode. Keinen Menschen interessiert es, dass es gerade die Hausarztpraxen sind, die die Grippewelle und vierte Covid-Welle voll abbekommen. Die Patienten laufen hustend, verschnupft, fiebrig, mit Gliederschmerzen in der Praxis auf. Hat der Patient Grippe oder ist es Covid, offene Tuberkulose oder eine Pneumonie, schlichte Erkältung oder will er nur einen „gelben Schein“? Dietmar Rohm auf taz.de

Ganz ehrlich, die taz ist die einzige Zeitung mit einem Artikel, nur einem, wohlgemerkt, der die Hausärzte daran erinnert, wie sie am Anfang des Jahres Stimmung gemacht und laut propagiert haben, mit ihnen würde das Impfen schnell gehen und man wäre ja viel besser als Impfzentren. Also, erst haben sie laut getönt und dann nicht geliefert. Das ist kein „Schuld geben“, sondern lediglich „haftbar machen“ für getroffene Aussagen. Curiouscat auf taz.de

Die (Haus-)ärzte machen einen guten Job, der Fisch stinkt vom Kopf. Wer hat sich diesen Irrsinn ausgedacht, dass 80 Millionen Menschen 150.000 Arztpraxen solange anrufen müssen, bis irgendwo ein Termin frei ist? Das treibt Pa­ti­en­t:in­nen zum Wahnsinn, die Mit­ar­bei­te­r:in­nen der Praxen ebenfalls. Peter_ auf taz.de

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