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wortwechselEine Lanze fürs Gendern brechen

Viele Le­se­r:in­nen schätzen es, endlich sprachlich mitgenannt zu werden. Nicht jede Frau hat Lust, sich oben auf der Karriereleiter abzustrampeln. Jede Generation wird gefordert

Illustration: Gary Waters/imago

Die oliven Grünen

„Unbedingt abwehrbereit“, taz v. 29. 5. 21

Ich vermisse bei der Aufzählung grüner Zustimmung und Beteiligung an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr unter Joschka Fischer immer die Teilnahme am ersten Golfkrieg. Damals dienten deutsche Luftabwehrraketensoldaten in Zivilkleidung an der Südgrenze der Türkei in Incirlik, um den Mythos aufrechtzuerhalten, man habe sich aus dem Kreig herausgehalten. Damals schon wurde den Grünen vorgeschlagen, sich in die Oliven umzubenennen, da kein Außenminister nach dem zweiten Weltkrieg mehr deutsche Soldaten in den Krieg geschickt hatte als Joschka Fischer. Arp Blum, Westerstede

Heile Parallelwelt?

„Als die Zukunft noch egal war“,

taz vom 1. 6. 21

Vielleicht hat die Autorin ihr Leben als Made im Speck in einer heilen Parallelwelt verbracht. Meine Welt in der gleichen Zeit war eine andere. Darin gab den Kalten Krieg mit der Drohung eines dritten Weltkriegs und der totalen Zerstörung durch Atombomben, die Friedensbewegung war bereits gescheitert. Über uns hing das Damoklesschwert der Umweltzerstörung: der saure Regen, Smog, Wasserknappheit und die Verseuchung durch Tschernobyl. Es gab Aids und keineswegs unbeschwertes Vögeln zur Wiedervereinigung.

Zwar hatten wir einen naiven Glauben an Jobsicherheit und finanziellen Wohlstand, aber auch nur solange wir in der Schule waren und noch nicht gemerkt hatten, dass die Welt uns gerade nicht braucht, weil die geburtenstarken Jahrgänge vor uns schon alle Jobs besetzt hatten. Die Grünen waren eine interessante Randerscheinung, gleichzeitig hat der erstarkende Neoliberalismus uns gezeigt, dass wir uns auch in Zukunft nicht auf die faule Haut legen können, nicht mal in der Rente, falls wir überhaupt eine bekommen. Sich per Generationenbashing bei den eigenen Kindern einzuschleimen finde ich peinlich. Dörte Stein, Düsseldorf

Können und wollen

„Männerfestspiele“, taz vom 28. 5. 21

Kraftanstrengung, Zeitaufwand, Entbehrungen und den Willen, zu Macht und Entscheidungen verbinden, um in Führungspositionen zu kommen,. „Das müssen Frauen können und wollen“ meint Frau Schmollack. Also, müssen müssen Frauen schon mal gar nichts, und können können nicht alle, und wollen wollen auch nicht alle.

Meine Tochter wollte in einem Konzern zweimal nicht, weil sie keinen Bock darauf hatte, Druck von oben nach unten durchzutreten. Haben wir als Eltern wohl nicht die richtigen Werte vermittelt. Vielleicht hängt es auch mit dem Testosteronspiegel zusammen, dessen Höhe bei Frauen nicht ausreicht, um beim Knechten von Untergebenen Freude zu empfinden. Das ist in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem mit neoliberaler Philosophie eine doppelte Benachteiligung. Und vielleicht ist das auch gut so. Kurt Kaehn, Großostheim

Sozialstaaten

„Ich finde Hedonismus sympathisch“,

taz vom 30. 5. 21

Es verwundert mich immer wieder, wenn ausgerechnet die DDR-geschulte Sahra Wagenknecht nonchalant von einem Deutschland der 70er Jahre spricht, ohne zu differenzieren, welches Deutschland sie meint. Der Sozialstaat in den 70er-Jahren sei besser gewesen – welcher?

Und daran muss sich anschließen: Zu welchem Preis? Schade, dass Peter Unfried da nicht nachgefragt hat, sondern selbst undifferenziert nach dem Deutschland der 70er gefragt hat. Übrigens, die vielen Leute, die damals SPD wählten, wählen größtenteils heute niemanden mehr, weil sie tot sind. Mein noch lebender Vater war damals junger Sozialdemokrat. Aber vielleicht sind das ja alles Lifestyle-Identitätsfragen. Oder das mit den Nationalstaaten ist doch beliebig. Stefan Diefenbach-­Trommer, Marburg

In Vorleistung

„Ignorante Vorwürfe“, taz vom 1. 6. 21

Die Grünen wollen also die Einnahmen aus dem höheren CO2-Preis an alle BürgerInnen wieder ausschütten, schreibt ihr. Da kann man sie deshalb auch nicht kritisieren, dass sie einen höheren Benzinpreis wollen. Sollte das Energiegeld kommen, wird es aber im Nachhinein ausgeschüttet. Alle müssen also erst einmal in Vorleistung gehen. Auch die, für die jeder Euro nach den rot-grünen Hartz-Reformen jeden Monat wichtig ist.

Wenn man also Energie teurer machen möchte, was absolut richtig ist, muss man zwei Dinge tun: den Mindestlohn erhöhen und ansonsten dafür sorgen, dass jede*r, der*­die Energie bezahlen muss, ein Einkommen hat, das es ihm möglich macht, die für den Klimaschutz nötigen Erhöhungen so lange vorzustrecken, bis das Energiegeld ausbezahlt wird. Jörg Rupp, Malsch

Keine Phrasendrescher

„Bremen Deutscher Meister“,

taz vom 2. 6. 21

Das große Lob für Bremen verdient seine Berechtigung. Schließlich zählt zu einem wirklich gelebten gesellschaftlichen Zusammenhalt, dass zu einer fairen Priorisierung beim Impfen in jedem Fall auch soziale Kriterien gehören, da die Zahlen nun einmal in wissenschaftlicher Hinsicht eine klare Sprache sprechen, dass die Menschen in ärmeren Stadtvierteln und einfachen Jobs ein besonders hohes Infektionsrisiko tragen. Deshalb sollte man sich endlich auch in Hamburg nicht mehr einer gerechten Impfstoffverteilung verweigern, zumal hier ohnehin leider bereits seit Langem sehr viel im Argen liegt, da man zum Beispiel auf der Veddel so gut wie nie Senatspolitiker von SPD und Grünen sieht, als würde man sich überhaupt nicht für das multikulturelle Zusammenleben interessieren.

Rasmus Ph. Helt, Hamburg-Veddel

Standardabweichung

„Deutschland brutal“, taz vom 30. 5. 21

Frau Liebelt weist richtig darauf hin, dass das Konzept des Durchschnittsbürgers aus empirischer Forschung entstanden ist beziehungsweise ihrer statistischen Auswertung. Sehr viele Phänomene der physischen Welt, vor allem der nicht-kulturellen Welt, sind „normalverteilt“, was bedeutet, dass die hohen oder niedrigen Abweichungen in Richtung der Extreme immer seltener werden, während der Großteil der real auftretenden Fälle in der Mitte liegt – daraus ergibt sich die Form der berühmten „Gauß-Glocke“. Die Grenze des Normbereichs, die sogenannte Standardabweichung, ist keine willkürlich gesetzte Grenze, sondern findet sich dort, wo die Kurve „ihre Richtung ändert“, oder mathematisch ausgedrückt: Wo die „Beschleunigung“ = 0 ist, also die Häufigkeit (vom seltenen Extrem her) nicht mehr immer weiter steigt, aber auch noch nicht immer weniger steigt. Eine solche Verteilungskurve kann natürlich im einzelnen Fall flacher oder spitzer sein. Trotzdem gibt es immer den Bereich der Standardabweichung. Die Normalverteilung ist also nicht „wirkmächtig“, sie ist einfach real.

Florian Suittenpointner, Köln

Angelsport?

„Ein toller Hecht“, taz vom 31. 5. 21

Meiner Meinung nach ist es perfide, das Angeln als „Sport“ zu bezeichnen, denn es geht darum, ein Lebewesen zu töten. Wenn schon, dann sollte zumindest die taz nicht mitmachen, das schönzureden. Ehrlich sein hieße, von „Töten-durch-Angeln-Sport“ zu reden. Das klingt längst nicht mehr so harmlos und berücksichtigt, dass die Fische ja nicht gefragt werden, ob sie damit einverstanden sind, zum „Sportspaß“ anderer getötet zu werden.

Wolf-Matthias Gallien, Süderbrarup

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