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wortwechsel„Die Demokraten müssen sich zusammenraufen“

Die Linke gewinnt in Thüringen, aber die rechtsextreme AfD steigt weiter auf. Welche Strategien und Taktiken folgen daraus? Welche Regierungskoalition ist möglich?

Schräges Weltbild

„Sozis, vereint euch wieder!“,

taz vom 30. 10. 19

Vielleicht sollte die (Junge) Union ihr Weltbild mal mit der Realität abgleichen, dann würde sie zumindest merken, dass die Bezeichnung „SED-Nachfolgepartei“ für die Linke 30 Jahre nach Ende der DDR nicht mehr so ganz zutrifft, weil deren führende PolitikerInnen zu jung sind, wie Katja Kipping, oder aus dem Westen stammen, wie Bodo Ramelow, und somit über diesen Zweifel erhaben sind.

So wie man nicht von der Union sprechen kann, kann man auch nicht über die Linke sprechen; in den Landesverbänden beider Parteien gibt es unterschiedliche Strömungen und regionale Unterschiede, insbesondere stellt sich die politische Situation im Osten anders als im Westen dar. In Ramelow hat die Linke einen Politiker, der über Parteigrenzen hinweg Respekt und Sympathie genießt und in vier Jahren als Ministerpräsident bewiesen hat, dass die Linke eine demokratische und verlässliche Regierungspartei ist. Zudem können sich Parteien wandeln, man denke nur mal an die Grünen, die vor gar nicht so langer Zeit von der CDU noch kategorisch als Koalitionspartner ausgeschlossen worden.

Gerade in einer Situation einer zunehmend erstarkenden rechtsextremen Partei müssen die demokratischen Parteien sich zusammenraufen; es geht um mehr als nur um zuweilen lächerlich anmutende, vorgestrige Animositäten. Anders als die AfD will die Linke nicht das System abschaffen und das Land von Ausländern und sonstigen irgendwie anderen säubern. Eine Gleichsetzung verbietet sich also. Kirsten Diercks, Norderstedt

„Die über 60-Jährigen wählten links“, taz vom 29. 10. 19

Die in der taz gezeigte Wahlanalyse zeigte auch, dass die über 60-Jährigen links wählten. Und die AfD lag bei den unter 25-Jährigen vorn, bei den 30- bis 44-Jährigen sogar weit vorn. Was lernen wir also daraus – mit der Empfehlung Ihrer Kollegin Johanna Roth im Hinterkopf („Rentner, gebt das Wahlrecht ab!“)? Gut, noch klarere Verhältnisse hätten wir dann schon, zumindest in Thüringen.

Klaus-Ulrich Blumenstock, Stuttgart

Gift von Hass und Lügen

„Antifaschistische Koalition: Letzter Ausweg?“, taz vom 29. 10. 19

Stefan Reinecke vertritt zum wiederholten Male folgende Thesen:

1. Die Union hat sich sozialdemokratisiert. 2. Sie hat dadurch rechts die Flanke geöffnet und so konservative WählerInnen in die Arme der AfD getrieben. 3. Würde die Union wieder konservativer werden, könnte man die AfD wieder schrumpfen. 4. Die Stärke der Rechten ist mit der Stärke der AfD gleichzusetzen.

Das ist viermal falsch. Unter Angela Merkels Führung wurde der angeblich konservative, in Wahrheit mit reichlich rechtem Gedankengut durchsetzte Parteiflügel zurückgedrängt. Von Sozialdemokratisierung kann keine Rede sein, so ist zum Beispiel die Wirtschaftspolitik der Union sehr unternehmerfreundlich. WählerInnen, denen die jetzige Union zu wenig konservatives Profil hat, wählen deshalb sicher nicht die AfD – die hat nämlich wirklich kein konservatives Profil. Wenn sich die Union so weit nach rechts bewegen würde, dass sie dadurch der AfD Stimmen abnehmen könnte, hätten wir in Deutschland ein viel rechteres Gesellschaftsklima als heute.

Die Geschichte hat gezeigt, dass der Machtergreifung des Faschismus stets eine Rechtsentwicklung der Konservativen vorausgegangen war. Und es gibt in Europa zahlreiche Beispiele dafür, dass eine starke rechtskonservative Partei das Aufkommen von Rechtsextremisten nicht verhindern konnte. Rechtsextremisten werden durch das Gift von Hass, Hetze und Lüge gestärkt, und das kann man Frau Merkel nicht in die Schuhe schieben. Die „konservative Wende der Union“, die Stefan Reinecke fordert, würde Deutschland insgesamt weiter nach rechts rücken.

Peter Neuwerth, Hinterzarten

Scheinheilige Besorgnis

„Antifaschistische Koalition: Letzter Ausweg?“, taz vom 29. 10. 19

Die CDU eine Partei mit Prinzipchen? Mit den Nazifunktionären nach 1945 bis hin zu Filbinger hatte es die CDU schon nicht so genau genommen. Aber auch bei den Erben der SED-Diktatur vermochte sie großzügig wegsehen.

In Westdeutschland vermochte sie die Ost-CDU teilweise als SED-Opposition darzustellen, was sie jedoch bis auf Einzelfälle nicht war. Ja sie hatte beispielsweise keine Probleme damit, dass der DDR-Karrierist und Aktivist Stanislaw Tillich in der Ost-CDU im Schoß der SED-Blockpartei in Sachsen sogar Ministerpräsident (2008–2017) werden konnte.

Auch wenn mir die Fortsetzung der bisherigen Koalition lieber wäre, die Berührungsangst der CDU mit den Linken in Thüringen ist scheinheilig. Berthold Noeske, Freiburg

Wut- und Hutbürger

„Die Wahrheit ist schlimm genug“,

taz vom 25. 10. 19

Sie schreiben: „Die Idee, dass man nur mit möglichst markigen Worten einen Keil zwischen die Klientel der AfD und die rechtsextremen Führungskader treiben kann, ist eine Illusion.“ Das ist falsch. Es ist keine Illusion, dass die AfD sehr damit kämpft, dass ihr die Bürgerlichkeit abgesprochen wird. Ihr Vordenker, Götz Kubitschek, beschreibt das so: „Daß die Alternative bisher nicht genügend Leute davon überzeugen konnte, wahrnehmbar an diesem Politikwechsel mitzuarbeiten, ist das Ergebnis der geballten denunziatorischen Stigmatisierung der Partei: Jeder, der nicht sowieso aus „unserem Milieu“ stammt, wird sich vor seinen Verwandten, Freunden, seinen Vereinskollegen, der Lehrerschaft an der Schule seiner Kinder, vielleicht sogar vor seinen Kindern dafür rechtfertigen müssen, daß er mittut bei jenen, die nicht Gutes im Schilde führen.“

Wäre es anders, hätte die AfD flächendeckend zum Beispiel in Baden-Württemberg kommunale Mandate errungen – aber sie hat nicht genügend Leute gefunden, die ihr Gesicht zeigen wollten für diese Partei. Die Leute wissen sehr genau, wen sie wählen und wer die AfD ist. Deshalb ist es wichtig, jedem Normalisierungsversuch dieser Partei entgegenzutreten und sie als das zu bezeichnen, was sie ist. Eine Partei, in der sich Nazis, Sexisten, Antisemiten, Rassisten, Menschenfeinde, Wut- und Hutbürger wohl und zu Hause fühlen. Jörg Rupp, Malsch

Christliche Frauenfeinde

„Tausend Jahre sind genug“, taz vom 28. 10. 19

Ich habe gerade eine Wette gegen mich selbst gewonnen: Die katholische Kirche verabschiedet sich eher vom Zölibat, als dass sie Frauen zum Priesteramt zulässt! Kein Wort davon in Ihrem Artikel. Soviel ich weiß, wird die Hauptarbeit in den Gemeinden im Amazonasgebiet von Frauen geleistet. Sabine Komossa, Bonn

Sollen sie doch …

„Flixbus droht mit Abbau“, taz vom 24. 10. 19

Sollen sie doch. Mit der Mehrwertsteuerabsenkung soll die Schiene gestärkt werden und kein privates Busunternehmen. Hoffen wir, dass die CDU nicht wieder einknickt. Angelika Binding, Heidelberg

Hambacher Sarg

„Geld statt Kohle verbrennen“, taz vom 29. 10. 19

RWE-Chef Schmitz hat behauptet, der Hambacher Wald müsse weg, weil die Begradigung zwischen Loch und Wald zu viel koste, und baggert noch näher an den Wald heran, reißt weiter Siedlungen ein: Schmitz schafft Tatsachen. Was RWE im Hambacher Loch angerichtet hat, ist eine nie wieder gutzumachende Sünde gegen die Natur. Dort plant man einen See, nach dem Bodensee dann der größte deutsche See. Nach den Kühen vor AKWs Segelboote auf dem Riesenloch. RWE hat die Wende verschlafen. Dafür will man Kohle sehen. Das ist obszön. Gert Reising, Karlsruhe

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