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wortwechselNeue Töne in der Nato: Rest in peace?

Sollte die Nato sich auflösen? R.I.P.? Hat das Militärbündnis sich selbst ins „Aus“ manövriert? Oder manipuliert Trump auf eigene Rechnung die alten Allianzen? Alles Schaumschlägerei?

15. Juni 2018: US-Apache-Hubschrauber über Polen im Rahmen des Manövers „Saber Strike“.18.000 Soldaten aus 19 (Nato-)Ländern nahmen teil Foto: Georgina Stubbs/PA Wire/dpa

„Die Nato sollte sich auflösen“

taz vom 13. 7. 18

Der Westblock

Als Barack Obama in seiner Amtszeit zu Gast bei der Bundeskanzlerin Angela Merkel war, hat Frau Merkel gesagt: „Amerikaner sind Europäer.“ Und nun, Frau Merkel? Sind Amerikaner immer noch Europäer? Trump hat diese Frage mit einem großen Nein beantwortet. „Auflösung der Nato“ ist das entscheidende Wort für dieses Nein. Die Nato ist die einzige und wichtigste Organisation, die die romantische Beziehung zwischen den USA und Europa verkörpert. Ohne die Nato verliert das Wort „der Westen“ seine politische Bedeutung. Nur der Kontinent Amerika (Nord, Mittel, Süd) ist dann der Westen. Der Ostblock hat sich selbst vor dreißig Jahren unter Führung der Sowjetunion aufgelöst. Jetzt ist der Westblock an der Reihe, sich aufzulösen. Die Nato. Und natürlich unter Führung der USA.

Die Selbstauflösung ist unvermeidlich, weil die neuen Weltmächte schon auf der Bühne sind. Mit dieser Auflösung kann man dann ernsthaft sagen: „Der alte kalte Krieg ist endlich vorbei.“

Ali-Reza Hassanpour, Berlin

Kriegstreiber

Liebe Leute, verzweifelt suche ich nach Medien und Politikern, die genug Hirn haben, die Auflösung der Nato zu fordern. In der Frühe hörte ich im Deutschlandfunk, dass die taz sich gegen die Nato einsetzt! Leider sind nicht alle so intelligent. Donald will die Nato nur als Geldquelle und als Proxy-Armee für seine Kriege, die nur den USA, Saudi-Arabien und Israel nutzen. Die ganze Welt will Frieden, nur die drei Oberkriegstreiber nicht.

Tyll Ruhtenberg, Hamburg

Rochade

Ja, die Nato sollte sich auflösen! Dass wir uns vor Russland fürchten sollen, das ist ja nur Trumps Idee, der perfide zugleich Putin durch Freundschaft gegenüber Europa stärken will. Die Rochade muss lauten: Krim-Annektion endlich anerkennen, allerdings unter der Bedingung von Frieden in der Ukraine, und endlich den Schulterschluss mit der uns tatsächlich näher stehenden Großmacht Russland suchen! Und Trumps perfide Strategie des „Divide et impera“ (mit dem Thema Brexit und seiner Kritik an May tut er ja genau dasselbe) durch lautstarke Benennung zu Fall bringen, denn der Einzige, vor dem wir uns fürchten müssen, ist Trump! ­Annette Weber, Heusenstamm

Austritt

Die Nato war als Verteidigungsbündnis konzipiert. Ihr Motto lautet (immer noch): „Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit.“ Dass der Pakt allerdings hauptsächlich amerikanischen Interessen diente, wurde Charles de Gaulle schon Anfang der 60er Jahre klar. Er jagte die Amis aus dem Land. So mussten 1967 in Evreux (air base) circa 10.000 US-amerikanische Soldaten mit ihren Familien die Koffer packen und französischen Boden verlassen. Bling-bling-Präsident Nicolas Sarkozy führte 2009 sein Land in den Schoß der „Otan“ zurück. Das war ein Fehler. Großbritannien glaubte die ganze Zeit fest an sein besonderes atlantisches Verhältnis zu Onkel Sam. Das hat ja nun auch einen deutlichen Knacks bekommen.

Wenn Bernd Pickert also formuliert, die Nato sollte sich auflösen, hat er Recht, aber nicht in der Formulierung. Es muss heißen: wir sollten aus der Nato austreten; wir und die betreffenden Staaten der Europäischen Union. Mister Trump kann sich dann seine Nato an den Hut stecken. Leider fehlt uns Europäern zu einer solchen Initiative der Mut. Wir benehmen uns diesem Trampel gegenüber auf allen möglichen Ebenen wie hypnotisierte Kaninchen. Pickert ist darüber hinaus ein bisschen blauäugig, wenn er meint, es gehe ohne Militär.

Wir brauchen eine eigene europäische Verteidigung. Initiativen dazu hat es immer wieder gegeben, aber jetzt wird es höchste Zeit. Wir sollten der augenblicklichen Entwicklung auch durchaus Positives abgewinnen: Es stellt sich heraus, dass auf allen möglichen Ebenen internationaler/weltweiter Foren und Vereinigungen ein Demokratisierungsprozess stattgefunden hat, der dazu führt, dass jedes Mitglied, auch das kleinste, eine gleichwertige Stimme hat. Heinz Mundschau, Aachen

Feindbild

Den Warschauer Vertrag gibt es seit 1990 nicht mehr, das Gegenbündnis die Nato schon, aber warum? Nun muss ein Feindbild herhalten (Russland), um zu rechtfertigen, warum es dieses Militärbündnis immer noch geben muss. Auch ist bemerkenswert, dass die Nato schon lange kein Verteidigungsbündnis mehr ist – oder werden die Nato-Staaten mittlerweile am Hindukusch verteidigt? Die einzige richtige Schlussfolgerung kann nur sein: Nato auflösen oder Deutschland und die EU-Staaten raus aus der Nato! René Osselmann, Magdeburg

Umrüstung

Wofür bedarf es heutzutage eigentlich noch großer Armeen? Es gibt Drohnen, die kommen an jeden Ort der Welt und sind gleich am Ziel. Nein, der Krieg der Zukunft dreht sich um Daten und Ressourcen. Es geht um die Wirtschaft. Die Weltgemeinschaft braucht mehr Globalisierung, mehr Gleich- und Einklang, nicht weniger. Und da wir nun mal nur diese eine Welt haben, sollten wir uns darauf konzentrieren, diese besser zu schützen, statt unsere Energie in die Zerstörung zu leiten. Rüstung gehört umgerüstet in Nachhaltigkeit und Umwelt-Technologien.

Das US-Militär ist der größte Energieverbraucher (Verschwender?) der USA. Das Militär könnte wie die Raumfahrt dafür Pate stehen, der Brennstoffzelle (BZ) zum Durchbruch zu verhelfen. Statt in Panzer, Gewehre, Raketen sollte die Welt in umweltfreundliche BZ-Technik in allen ihren Variationen investieren. In U-Booten gibt es den Einsatz schon lange. In Bussen, Pkw, Lkw, Schienenfahrzeugen, Drohnen, Gabelstaplern, Kreuz-und Fährschiffen ist der Einsatz der BZ nur eine Frage der Zeit. Das US-Militär könnte Vorreiter in Sachen Energieeffizienz werden. Eine schöne Utopie! Sven Jösting, Hamburg

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