wortwechsel: Digital demokratisch? Tücken des Systems
Datenschutz – die neue Verordnung soll das digitale Leben sicherer machen, de facto erschwert sie aber den Alltag. Noch schwieriger: der Schutz demokratischer Systeme
„Digitale Zeitenwende“, taz vom 21. 5. 18
„Ausnahmetatbestände“
Ich lese immer wieder, dass „Verbraucher zustimmen müssen“, wenn es um die Verarbeitung ihrer Daten geht. Sorry, das ist mehrfach falsch. Zum einen geht es nicht um „Verbraucher“, sondern um alle natürlichen Personen, also auch um den Datenschutz der Beschäftigten. Auch der Big Boss eines Konzerns hat in seiner Funktion Rechte aus der DSGVO. Sobald ein Name auftaucht, jemand identifizierbar ist, greift die DSGVO. Eine Zustimmung zur Verarbeitung ist nicht notwendig, wenn die datenverarbeitende Stelle einen „Ausnahmetatbestand“ anführen kann.
Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung ist dann auf „berechtigte Interessen“ gestützt. Oder, weil ein anderes Gesetz es verlangt. Bei Kleinunternehmen ist das bei Rechnungen so. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass jemand, der eine Rechnung ausstellt, eben nicht auf die Zustimmung zur Verarbeitung der Daten des Rechnungsempfängers warten muss.
Was dennoch gilt, ist zum Beispiel die Auskunftspflicht gegenüber den Betroffenen. Udo Siebrasse, Gelsenkirchen
Zu Tode informiert
Aus meiner Sicht verfolgt die EU mit der DSGVO ihren bekannten paternalistischen Ansatz, die Bürger fast zu Tode zu informieren, ohne dass hierdurch ein tatsächlicher Mehrwert für den Schutz ihrer persönlichen Daten entsteht.
Stefan Eichardt, Celle
Fragen zu Nicaragua
„Der Aufstand hat alle überrascht“, „Die Kinder fressen die Revolution“, taz vom 25. und 28. 5. 18
Die Berichte zu Nicaragua sind unbefriedigend. Sie informieren, ohne aufzuklären. Dass in einem Leserbrief zu Nicaragua leichtfertig das Wort „Diktatur“ verwendet wird, muss man hinnehmen. Es macht mich jedoch wütend, wenn ich auf Reporter angewiesen bin, die im Interview mit Sergio Ramírez die Aussage: „Deswegen hat der Weltwährungsfonds eine Anzahl von Reformen empfohlen, von denen Ortega die dümmsten ausgewählt hat; so begann der Aufstand“, als unkommentierten Schlusssatz wählen.
Auch in dem Bericht „Die Kinder fressen die Revolution“ erkennt man von der Überschrift bis zum Schlusssatz die Meinung des Autors. Dieser Artikel mit den großformatigen Fotos von Barrikaden gibt ein Stimmungsbild wieder, ohne der Komplexität der Situation gerecht zu werden. Wenn Menschen auf die Straße gehen, möchte ich verstehen, was sie antreibt, wer sie unterstützt und ob es unterschiedliche Forderungen gibt.
Das Pro und Contra sollte ausgeleuchtet werden. Gibt es in der FSLN Diskussionen? Welche Führungskräfte der Opposition gibt es? Wie verhält sich der Unternehmerverband? Was erwarten die Menschen von der katholischen Kirche? Wie groß ist der Einfluss der Evangelikalen? Der Gewerkschaften? Nicaragua verdient kritischen Journalismus, der nicht vorverurteilt, sondern fragt: Welche Kräfte haben etwas davon, wenn Nicaragua „venezolanisch“ wird? Marianne Link, Heidelberg
Fragen zu Venezuela
„Opposition sucht neues Bündnis“, taz vom 22. 5. 18
Sehr geehrte Redaktion der taz, ich finde Ihre Berichterstattung über Venezuela rund um die Wahl mehr als problematisch: So fungieren Sie als Sprachrohr einer nicht demokratischen Regierung! Dass die Opposition die Wahl nicht anerkennt, ist mehr als naheliegend. Das hat sie auch schon getan, als Chávez haushoch gewann. Wenn heute aber beispielsweise die EU die Wahl nicht anerkennt, sollten Ihre Berichterstatter/innen tiefgründiger forschen.
Der Wahlsieg beruht nicht nur auf der Tatsache, wie es bei Ihnen dargestellt wird, dass die Opposition zerstritten ist, sondern dass allen ernsthaften Gegenkandidat/innen unrechtmäßig die demokratischen Rechte aberkannt wurden. Sie stellen es so dar, dass dies rechtens war, Korruption, Gewalt, und geben somit ohne kritische Prüfung die Position der Regierung wieder. Liebe Genoss/innen: Es handelt sich um eine Militärdiktatur, die hinter dem sozialistischen Vorhang, von dem man sich gern täuschen lässt, eine der weltweit reinsten Formen des Kapitalismus betreibt – ohne jeglichen Respekt für demokratische Grundrechte, von (hauptsächlich) China und Russland interessengeleitet unterstützt. Caspar Knieper, Frankfurt am Main
„Bürger, macht euch auf ins System!“, taz vom 24. 5. 18
Ad infinitum
Reflexionen und Debatten über die demokratischen Wertstellungen sollten selbstverständlich und ad infinitum vorgenommen und geführt werden, denn die Staatsform unseres Landes und deren Verfasstheit bestimmen und beeinflussen unser aller Leben, tagein, tagaus. Viele jener (Glücklichen), die von dieser Aussage am wenigsten überzeugt sind, dürften indes selbst in einer recht gut funktionierenden Demokratie leben. Darum gilt es, dieser bestmöglichen staatsbürgerlichen Errungenschaft regelmäßige Anteilnahme zu gewähren; demokratisch liefern müssen also nicht allein, wenngleich freilich zuvorderst, die gewählten Volksvertreter. Sonst droht in der Tat eine fatale Schwächung oder im schlimmsten Fall gar eine Selbstabschaffung der Demokratie (Länder wie etwa Polen oder Ungarn geben allemal zu denken). Sonst droht der Albtraum der Abschaffung der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung.
Die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angestoßene Vermessung unserer demokratischen Werte ist daher überaus richtig und wichtig, und da es – frei nach Adorno – keine richtige Demokratie in der falschen gibt, bleibt sie es auch. Matthias Bartsch, Lichtenau-Herbram
Die Verhinderer
Mehr Demokratie wagen, das gilt immer noch. Leider sind die Parteien strukturell das wichtigste Hemmnis für mehr Demokratie und schnellere und radikalere Veränderungen. Die Parteien sind einfach grundsätzlich konservativ, ein Sammelbecken der Verhinderer, sie absorbieren und vernichten Energie, die sich ganz natürlich zunehmend „unpolitischere“ Formen sucht. Direkte Demokratie und sogar auch Losverfahren sind dringend benötigte belebende Elemente.
Natürlich wächst durch Plebiszite auch die Kraft populistischer Strömungen, aber wer ist denn populistischer als die Parteien? Die eigentliche Ursache dieser Gefahr ist jedenfalls die jetzt vielfach empfundene Ohnmacht. Dringend geschwächt werden muss auch der Einfluss von Interessenverbänden, auch diesbezüglich spielen die Parteien eine sehr fragwürdige Rolle. Parteiendemokratie ist schon vernünftig, sie braucht nur gerade jetzt dringend einen Tritt in den Hintern. Haresu auf taz.de
Meisen im Garten
„Im Frühling keine Vögel füttern“, Brief in der taz vom 22. 5. 18
Seit zwei Jahren füttern wir die Vögel ganzjährig. Niemals vorher gab es so viele erfolgreiche Bruten wie seitdem (im letzten Jahr flogen im 1.500-Quadratmeter-Garten bei Kohl- und Blaumeisen über 20 Junge aus, dieses Jahr bereits 11). Ich sehe die Meisen fleißig Raupen sammeln – und sich zwischendurch am Futterhäuschen stärken. Jungvögel von Rotkehlchen und Grünfink flattern auch herum. Es mag jede halten wie sie will, aber dass die Fütterung schädlich sei, scheint mir bei uns empirisch widerlegt.
Peter Donath, Frankfurt am Main
Ein Mensch
„Bremer Bamf-‚Affäre‘: Ehemalige Chefin verteidigt sich“, taz vom 31. 5. 18
Hinter jedem Asylverfahren steht ein Mensch und sein Schicksal. Abweichungen von der Statistik sind normal. Ich frage mich allerdings, ob das Bamf und Minister Seehofer auch Außenstellen untersuchen lassen, in denen es überdurchschnittlich viele Ablehnungen gibt. Markus Kirchhoefer, Saulheim
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