wortwechsel: Wissenschaftler haben entdeckt, dass …
Was eine wertvolle wissenschaftliche Entdeckung ist, bleibt umstritten. Ein paar Gedanken über Katzenbabys, zur deutschen Geschichte und zum Nobelpreis
Wozu det janze?
betr. „Von der Babymieze zum Randalierer“, taz vom 6./7. 10. 17
„Wissenschaftler haben herausgefunden, dass …“ Ich habe geglaubt, dass Artikel dieser Machart nur für überflüssiges Seitenbefüllen in Magazinblättern dienen.
Dass aber nun in der taz mit so einem Käse über Katzenbabys eine halbe Seite verschwendet wird, hat mich sehr geärgert. WTF? Es sollte doch wohl Interessanteres geben als das.
Und zu allem Überfluss wird dann auch noch im letzten Satz die Aussagekraft der Studie bezweifelt. Wozu also det janze? Ich hoffe doch sehr, dass das ein Ausreißer war und nicht Vorbote einer neuen Ausrichtung. Ulrich Babiak, Köln
Tag der Deutschen
betr. „Nicht noch eine Neiddebatte“,taz vom 4. 10. 17
Leider hat Simone Schmollack weder in ihrem Kommentar am Mittwoch noch in ihren vorausgegangenen Artikeln konkret gemacht, wie denn die „ideelle Anerkennung der Transformationsleistungen der Ostdeutschen“ aussehen soll, wenn sie sich eben nicht in Frank-Walter Steinmeiers Schulterklopfen und Armtätscheln am 3. Oktober erschöpfen soll.
Dazu ein bescheidener Vorschlag: Den Tag der deutschen Einheit endlich auf den 9. November legen und dem Staat damit weg- und dem Volk (wir sind das!) zurückzugeben, wäre sicher ein Anfang.
Der 9. November ist auch der Tag der Kulmination der Novemberrevolution sowie der Reichspogromnacht, steht also mit den Ereignissen von 1918, 1938 und 1989 für die ganze Großartigkeit und Abscheulichkeit der deutschen Geschichte der letzten 100 Jahre.
Wenn ein solcher „Tag der Deutschen“ noch dazu beiträgt, die Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges – und damit direkt der Entstehung der DDR – wieder mehr ins Alltagsbewusstsein aller Deutschen zu holen, wäre ein Schritt getan aufzuzeigen, in welchem Maß die Ossis den Preis gezahlt haben und wie sehr die Wessis Glück hatten und damit umso weniger Grund zu Ihrer bräsigen Selbstgefälligkeit. Michael Richter, Recklinghausen
Ein Trauerspiel
betr. „Ein Fall für Interpol“,taz vom 28. 9. 17
Herr Eisenbergs Anregung, deutsche Strafverfolgungsbehörden gegen Justizbeamte in der Türkei ermitteln zu lassen, hat durchaus Charme. Die rechtliche Aufarbeitung des SED-Unrechts sollte dabei jedoch nicht als Beispiel dienen.
Es wurde zwar gegen Strafverfolger und Regierungsverantwortliche der DDR ermittelt, eine von Ihnen behauptete flächendeckende Verurteilung fand jedoch nicht statt – im Gegenteil.
Im Zusammenhang mit SED-Unrecht wurden gegen rund 105.000 Personen Ermittlungsverfahren eröffnet. Rechtskräftig verurteilt wurden davon jedoch nur 0,7 Prozent der Verdächtigten. Die wenigen Verurteilten kamen in fast allen Fällen mit einer Geld- oder Bewährungsstrafe davon.
Von den Verantwortlichen für die Verfolgung Andersdenkender – Staatsanwälte, Richter und Stasi-Mitarbeiter – landeten nur fünf im Gefängnis. Selbst die politische Führungsriege blieb zum Großteil verschont. Von den zwanzig Mitgliedern des Politbüros wurde nicht einmal ein Drittel verurteilt, darunter Egon Krenz und Günter Schabowski.
Die strafrechtliche Ahndung von DDR-Verbrechen war also keine Erfolgsgeschichte, an der sich heutige Ermittlungen orientieren sollten. Sie war vielmehr eher ein Trauerspiel, in dem Politik und Justiz versagt haben. André Kockisch, Berlin
Binsenweisheiten
betr. „Der Mensch ist nicht rational, sondern sozial“, taz vom 10. 10. 17
Liebe Ulrike Herrmann, ich liebe Sie! Aber nicht für diesen Artikel. Neulich haben Sie diesen Pseudo-Nobelpreis noch total köstlich durch den Kakao gezogen, heute meinen Sie offenbar, der Satz „Amerikanische Wissenschaftler haben entdeckt“ sei kein Witz mehr. Meine Frau und ich (beide Physiker) charakterisieren mit ihm immer die Verherrlichung von Binsenweisheiten.
Fragen Sie doch einfach mal die Tankstellenbesitzer. Leute fahren viele Kilometer, um den Sprit für einen Cent pro Liter billiger zu bekommen, und geben dann in der Kneipe dreimal so viel Trinkgeld, wie sie gerade eingespart zu haben glauben.
Leute sehen bei einer mehrfachen Verdoppelung nicht mehr, dass die Absolutwertdifferenzen steigen, und versagen „rational“ wie alle Fußballer, die mit einem Unentschieden zufrieden sind, weil sie die Wahrscheinlichkeiten nicht wichten gelernt haben.
Rationalskalierte Werte wie Geldmengen erlauben „Rationen“, also Verhältnisse. „Rational“ ist in diesem Zusammenhang als Beschreibung eines menschlichen Fehlverhaltens gegenüber Rationen also ungewollt ein sehr witziger Begriff! Die Psyche ist aber unseren Sinnen angepasst, und die sind wesentlich logarithmisch eingestellt.
Es ist immer wieder lustig anzusehen, wenn Elfenbeinturm-Wissenschaftler irgendwann auch noch mitkriegen, was Wirtschaftspraktiker schon längst wissen und nutzen. Ein Blick auf millionenteure Produktwerbung verrät mehr über den geistigen Zustand einer Nation als jede proklamierte „Leitkultur“.
Meine Liebe für Sie bleibt aber trotzdem unerschütterlich. Versprochen! Joachim Adolphi, Dresden
Nein zu Atomwaffen
betr. „Atomkraft? Nein danke!“,taz vom 7. 10. 17
Sowohl die Kolleg*innen von ICAN als auch die Aktiven der Kampagne „Büchel ist überall! Atomwaffenfrei jetzt“ geben den taz-Überschriften-Schmieder*innen gerne Nachhilfe zum Unterschied zwischen Atomkraft und Atomwaffen. Es besteht zwar ein enger Zusammenhang zwischen den beiden (die Urananreicherung für zivile und militärische Nutzung ist identisch, Plutonium wird in AKWs erzeugt), beim Nobelpreis ging es aber eindeutig um Atomwaffen, beziehungsweise um deren Abschaffung.
Auf jeden Fall aber: Gratulation an die ICANies! Regina Hagen, Darmstadt
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