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Archiv-Artikel

„wie retten sie die welt?“ heute: carsten-stephan graf von bothmer „Die Welt verbessert man durch Freude“

Auf dem G-8-Gipfel vom 6. bis 8. Juni in Heiligendamm treffen sich die Mächtigen der Welt, um zu besprechen, wie es mit unserem Erdball weitergehen soll. Antworten – das ist jetzt schon klar – werden sie keine finden. Sie brauchen Nachhilfe. „Wie retten Sie die Welt“, fragt die taz deswegen bis zum Gipfeltreffen jeden Tag eine/n interessante/n Berliner/in.

„Ich glaube ja, dass ich täglich die Welt rette. Das mag vermessen klingen. Aber tut das nicht fast jeder Mensch jeden Tag? Nehmen Sie einmal meine Stummfilmkonzerte. Ich begleite ja Stummfilme am Klavier. Manchmal sprechen mich Leute noch ein Jahr später darauf an und erzählen, wie ergriffen sie von dem Konzert heute noch sind. Da hab ich doch etwas erreicht. Das ist ein Urerlebnis, jemanden innerlich durch das, was man tut, so zu berühren. Und umgekehrt auch von jemandem berührt zu werden. Wenn es so was nicht gäbe, dann wäre die Welt längst untergegangen.

Die Welt verbessert man durch Freude. Um Freude erleben zu können, braucht man, wie ein Kind, Offenheit und die Aufmerksamkeit durch andere. Damit aber hapert es. Denn wir haben eine Gesellschaft gebaut, in der junge Menschen keinen Platz haben. Wer aber Kinder ausschließt, der schließt sich selbst aus. Kinder brauchen echte Aufmerksamkeit. Die eigenen Seele braucht das auch.

Vielleicht klingt das alles sehr idealistisch und selbstbewusst. Aber ich musste Selbstbewusstsein auch lernen. Ich denke, es entsteht, wenn man seine wahre Größe kennt. Früher habe ich mich entweder zu groß oder viel zu klein gemacht. Das ist auch normal, wenn man jung ist. Aber als Erwachsener muss man Verantwortung übernehmen und seine eigene Größe finden. Verstehen Sie, die eigene, nicht die geliehene, wie sie etwa durch meinen adligen Namen daherkommt. Früher hatte ich Probleme damit. Ich wollte keine Privilegien.

Mein Vater ist Landwirt und Politiker. Lange hat er über den Landtag versucht, Umweltideen populär zu machen. Jetzt hat er eine Biogasanlage gebaut, das finde ich prima.

Mich treibt das Umweltthema um, seit ich 14 bin. Aber derzeit engagiere ich mich mehr gesellschaftlich. Ich wurde in den Quartiersrat Magdeburger Platz in Tiergarten gewählt. Ich halte Bürgerbeteiligung für wichtig. Wenn Menschen selbstreflektiert handeln, erinnern sie sich ihres Menschseins. Wer sich zurücklehnt und andere machen lässt, darf sich nicht wundern, dass die anderen es sich für sich selbst bequem machen.

Ich habe auch einen Elternrat in der Kita meiner Tochter gegründet. Sie ist in ihrer Gruppe die Einzige mit zwei deutschen Eltern. Wir haben sie auf eine staatliche Kita geschickt – das heißt nicht, dass wir sie auch auf eine staatliche Schule schicken werden. Im Elternrat sind es auch kleine Dinge: Wir wollen einen Nutzgarten mit Gemüse und Blumen anlegen. Wir geben einen deutsch-türkischen-arabischen Newsletter raus und haben einen Flohmarkt gemacht. Standmiete war ein Kuchen. Von den Einnahmen kaufen wir eine Kleinkindschaukel. Der wichtigste Effekt der Aktionen war aber: Die Eltern kommen in Kontakt miteinander. Weil es mir darum geht, dass wir nicht immer nur an das eigene Kind denken und wie wir es möglichst durch die Nadelöhre Kita und Schule bekommen, sondern auch an die anderen.

Ich glaube eben, dass das Weltverbessern an kleinen Dingen hängt. Gelingt es mir, bin ich stolz darauf. Aber nur ein wenig, weil es ja kleine Dinge sind.“

PROTOKOLL: WALTRAUD SCHWAB

Carsten-Stephan Graf von Bothmer, 36, ist Pianist, Komponist und Klavierlehrer. Er vertont Stummfilme neu.