piwik no script img

was tun in hamburg?

Intoniert die Abhängigkeitserklärung: ein sehr gemischter Chor Foto: Benjamin van Bebber

Do, 12. 4., 21 Uhr, Kampnagel

Selbsterfahrungstrip

Schwer verdaulich und Geschmackssache ist immer, was Jamie Stewart mit seinem Projekt Xiu Xiu auf Platten und Bühnen serviert: radikal von der Norm abweichende, stilistisch schwer fassbare und oft brutal verzweifelte musikalische Selbsterfahrungstrips, kathartisches Genre- und Selbst-Recycling als schrille Kakophonie oder narzisstischer Klang-Solipsismus – irgendwo zwischen düsterem Post-Punk, New-Wave-Kitsch und Art-Pop. Besonders eindringlich ist das, wenn es auf Stewarts Anteil am Projekt eingedampft wird. Auf nur wenigen Solokonzerten kann man das jetzt erleben. Eines davon findet am Donnerstag auf Kampnagel statt.

Mi, 11. 4., 19.30 Uhr, Literaturhaus

Akribischer Beobachter

Er war ein akribischer Beobachter und einer, der seine Beobachtungen ebenso prägnant wie nachdenklich – lakonisch, ironisch, politisch, ohne die Widersprüche befrieden zu wollen – zum Ausdruck bringen konnte. Die Romane des Hamburger Schriftstellers Gerd Fuchs, geprägt von seinen Kindheitserlebnissen in der Kriegs- und Nachkriegszeit, sind unbequeme Studien. Sie setzen die individuelle Verunsicherung und die sich daraus ergebende Sinn- und auch Sprachsuche, die da jemand erleidet, immer in Bezug zum Zeitgeschehen und zur Geschichte.

Seit 1968 arbeitete Fuchs als Schriftsteller und Lektor, gab die „AutorenEdition“ mit heraus – wurde vom Literaturbetrieb aber kaum wahrgenommen. 2007 gab’s immerhin den Italo-Svevo-Preis. Vor zwei Jahren ist Fuchs in Hamburg gestorben. Am Mittwoch erinnert das Literaturzentrum an ihn. Aus seinen Romanen liest die Schauspielerin Cornelia Schramm.

Sa, 7. 4., 19 Uhr, Kampnagel

Wandelbares Kollektiv

Seit fünf Jahren arbeiten sich der Musiktheaterregisseur Benjamin van Bebber und der Komponist Leo Hofmann am Essay „Politik der Freundschaft“ des Philosophen Jacques Derrida ab. Nicht leicht, denn die Suche nach den Stimmen in der Schrift des Begründers der Dekonstruktion darf ja nicht der Illusion erliegen, die Derrida als „Phonozentrismus“ bezeichnet: dass die gesprochene Sprache der Schrift vorgängig sei und das autonome Subjekt im Sprechen zu sich komme.

„Abhängigkeitserklärung“ nennen van Bebber und Hofmann ihre aktuelle Versuchsanordnung und auch diesmal geht es um die Stimme und die Möglichkeit, gesellschaftliche Strukturen musikalisch zum Ausdruck zu bringen: „Wie kann der Chor als wandelbares, kollektives Gefüge weitergedacht werden?“, fragen sie sich gemeinsam mit dem Komponisten Lukas Huber, der Bühnenbildnerin Zahava Rodrigo und einem „extrem gemischten Stimmensemble“. Wie kann man darin dem Rhythmus und der Fremdheit ebenso viel Platz zugestehen wie dem Gemeinsamen und der Harmonie? Am heutigen Samstagabend ist das szenische Konzert noch mal auf Kampnagel zu hören.

Mi, 11. 4., 20 Uhr, Schauspielhaus

Kiez-Legende

Der im vergangenen Jahr verstorbene Wolfgang „Wolli“ Köhler war auf dem Kiez eine Legende: Weltenbummler, Koberer, Rotlichtkellner und marxistischer Puff-Chef, der sein Bordell zum sozialistischen Betrieb machen wollte, war der Mann – aber auch Intellektueller und Künstler. Hubert Fichte porträtierte ihn in seinem Buch „Wolli Indienfahrer“. Nun bringt Köhlers später Wegbegleiter Rocko Schamoni Fichtes „Puff-Interviews“ mit Köhler als szenische Lesung mit Lina Beckmann, Bastian Lomsché, Michael Weber und Linda Zervakis in der Reihe „FAQ-Room“ auf die Bühne des Schauspielhauses. (matt)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen