was macht eigentlich senator a.d. josef hattig? : Der scharfzüngige After-Dinner-Speaker
Lange nichts gehört von Josef Hattig? Es ist ja nicht so, dass der ehemalige Bremer CDU-Senator, der nach der Bürgerschaftswahl im letzten Jahr die Verantwortung für Wirtschaft und Häfen abgab, nichts mehr zu tun hätte. Der Ex-Geschäftsführer der Brauerei Beck’s ist auch mit 73 Jahren noch Aufsichtsratschef von Deutscher Post AG und Bremer Lagerhaus Gesellschaft. Und er hält Reden. So zum Beispiel auf dem „Altstipendiatentreffen“ der Konrad-Adenauer-Stiftung, das dieses Jahr in Bremen stattfand. Nachdem die honorige Gesellschaft am Freitag im Atlantic-Hotel am Universum das Abendessen eingenommen hatte, servierte ihr Hattig „einige Anmerkungen“ zum Thema „Wirtschaft und Politik, Politik und Wirtschaft“, eine gut gepfefferte und gesalzene „After-Dinner-Speech“.
„Das wird lustig“, gluckste ein Zuhörer, ehe Hattig auch nur einen Ton gesprochen hatte. Und sollte durchaus Recht behalten. Mit der Hattig eigenen Mischung aus Sarkasmus, zuspitzender Scharfzüngigkeit und Latinizismen blickte der Redner auf seine Zeit als „in der Politik tätiger“ Wirtschaftsmann zurück. „Mindestens einmal pro Woche“ habe er „allen Grund gehabt aufzuhören“, gab Hattig zu. „Eine hohe Schmerzunempfindlichkeit“ müsse man für ein politisches Amt mitbringen. „Dass ich das sechs Jahre lang ausgehalten habe, halte ich persönlich für eine Leistung erster Klasse.“
Hattig sprach sich gleichwohl energisch dafür aus, dass sich mehr Wirtschaftsleute als Politiker versuchen sollten. „Warum können Unternehmen nicht mal vier Jahre lang auf einen Mitarbeiter verzichten?“, fragte er. Und: „Wieso kann jemand nach Singapur gehen, aber nicht ins Parlament?“
Dabei falle einem Spitzenmanager der Spagat hinein ins politische Geschäft natürlich alles andere als leicht, so Hattig: „Da macht Ihnen der Fahrer schon auf hundert Meter Entfernung die Türe auf, und dann müssen Sie abends in einen Ortsverein gehen und 20 Leuten erklären, warum die CDU die richtige Partei ist.“ Allerdings habe alles Grenzen: „Ich kann nicht jedes Niveau des Zuhörers zum Niveau des Inhalts machen.“
Heftig kritisierte Hattig eine „Allzuständigkeit“ der Parteien, die zudem nahezu völlig auf Taktik fixiert seien. Inhalte würden häufig nur mehr daraufhin abgefragt, ob sie der eigenen Taktik nutzten. „Politik ist heute fast nur noch ein Reflex auf das Innenleben der Parteien.“ Auch die Auswahl von Direktkandidaten für Mandate kritisierte Hattig scharf: „Da ist das Plakatekleben oft wichtiger als der berufliche Erfolg – auf die Listenplätze drängen die Parteiverdienten“, ätzte Hattig.
Längst sei es in der Politik nicht mehr möglich, „ohne Emotionen Rationalität zu erreichen“, bedauerte Hattig. Im Wesentlichen gelte es BILD-Zeitungs-gerecht zu formulieren, fröhlich zu sprechen und sympathisch rüberzukommen. Der Politiker müsse so tun, als ob er dauernd etwas Bedeutendes zu sagen habe, zu allem und zu jedem, und am besten konzentriert auf knackige Überschriften. Eine „unerträgliche Blähsprache“ herrsche im politischen Betrieb vor. Da wären einmal die Parteiprogramme: „Ein Paradies auf Erden“, giftete der ehemalige Senator, werde darin dargestellt. „Gehen die davon aus, dass das niemand liest?“ Oder Parlamentsvorlagen. Dort werde auf 20 Seiten verquast formuliert, was locker auf eine Seite passen würde. Oder die Reden im Plenum: „Ich muss doch von einem Parlamentarier erwarten können, dass er seine eigene Meinung vorträgt und nicht eine Rede vom Blatt liest, die vom Parteisekretär aufgeschrieben wurde.“ Hattigs kurzes, bitteres Fazit: „Wir gehen mit der Sprache um, als wäre sie keine.“ jox