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Archiv-Artikel

wahnsinnige kühe und verspätete bahnen von RALF SOTSCHECK

Die Schildbürger sind ausgewandert – und zwar nach Dublin. Dort haben sie die Regierung an sich gerissen. Die irische Hauptstadt leidet seit Jahren unter einem Verkehrsinfarkt. Mit kleinen Gehässigkeiten wie der Umkehrung von Einbahnstraßen oder kilometerlangem Abbiegeverbot wollte man den Dublinern das Autofahren verleiden, versäumte es aber, den öffentlichen Nahverkehr und den Gütertransport auf Vordermann zu bringen.

Das soll nun anders werden. Die Lastwagen, die bisher vom Hafen durch die Hauptstraße im Zentrum müssen und das Chaos multiplizieren, sollen im nächsten Jahr durch einen Tunnel zur Ringautobahn geleitet werden. Vor kurzem stellte man überrascht fest, dass der Tunnel 30 Zentimeter zu niedrig ist, sodass große Lastwagen gar nicht hineinpassen. Eine Aufstockung würde die Eröffnung des Tunnels um zwei Monate verzögern und 20 Millionen Euro kosten. Aber darauf kommt es nun nicht mehr an, die ursprünglich genannten Kosten für den Tunnelbau in Höhe von 125 Millionen haben sich ohnehin verfünffacht.

Transportminister Seamus Brennans Lieblingsprojekt, die Straßenbahn, wird auch nicht viel billiger. Seit Jahren sind zwei Strecken geplant, eine davon aus den südlichen Vororten in die Innenstadt ist ewig schon im Bau. Neulich wies ein Verkehrsexperte darauf hin, dass die Straßenbahn laut Plan mitten durch den „Red-Cow-Kreisverkehr“ führen wird, das schlimmste Nadelöhr im ganzen Land. Täglich bricht dort der Verkehr zusammen, sodass die Stelle inoffiziell „Mad-Cow-Kreisverkehr“ heißt. Schickt man nun auch noch die Tram ins Verderben, werden nicht nur die Rinder wahnsinnig.

Brennan hat vorgeschlagen, die Bahn „auf Stelzen“ über den Kreisverkehr zu führen. Die würden 50 Millionen Euro kosten und die Eröffnung der gesamten Strecke um 15 Monate verzögern. Durch die Bauarbeiten wäre nämlich das Straßenbahndepot von der Umwelt abgeschnitten, die Trams wären dort gefangen.

Aber das sind sie ja schon seit Jahren, weil man sie bestellt hat, bevor die erste Schiene gelegt war. Der parlamentarische Ausschuss wies vorige Woche Gerüchte zurück, wonach die Garantie auf die Waggons abgelaufen sei, wenn sie endlich in Betrieb genommen werden. Es sei auch unwahr, dass man bei einer Probefahrt gemerkt habe, dass der Radstand mit der Schienenbreite nicht übereinstimme. Gewundert hätte das niemanden, schließlich beobachtet die Bevölkerung schon länger interessiert, wie dieselben Straßen wegen der Tram ständig aufgerissen und wieder zugeschüttet werden. Eine Straße soll innerhalb von acht Monaten siebenmal neu asphaltiert worden sein. Und die Parade zum St.-Patricks-Tag, dem irischen Nationalfeiertag, muss im nächsten Jahr kleiner ausfallen: Den Umzugswagen ist eine Höhenbegrenzung auferlegt worden, damit sie sich nicht in den Oberleitungen verheddern.

Straßenbahnchef Frank Allen versteht die ganze Aufregung um den Mad-Cow-Kreisverkehr nicht: Bei der Computer-Simulation habe alles tadellos geklappt, die Straßenbahn brauchte keine Minute, um über den Bildschirm zu huschen. Und keins der virtuellen Autos hat gehupt. Vielleicht wäre Irland ja mit einer virtuellen Regierung besser bedient.