wahlkampf um berlin : Noch ist Rot-Rot nicht verloren
Überrascht waren sie alle. Mit der Niederlage von Rot-Grün in NRW hatte man in den Berliner Landesverbänden von SPD, CDU, PDS und Grünen gerechnet, nicht aber mit vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag. Das Chaos noch perfekter zu machen, in dem auch die Wahlen zum Abgeordnetenhaus vorgezogen werden, wollte dann aber doch niemand verantworten. So stehen Berlin also zwei Wahlkämpfe bevor.
Kommentar von UWE RADA
Genau das ist die Chance von Rot-Rot. Ein Doppelwahlgang im Herbst 2006 hätte den Berliner Urnengang zwangsläufig zur Abstimmung über Gerhard Schröders Kanzlerschaft gemacht. So aber steht in anderthalb Jahren die Landespolitik im Vordergrund. Und da braucht sich Rot-Rot nicht zu verstecken. Nicht zuletzt die steigenden Umfragewerte verdeutlichen die Zustimmung zu einer SPD-geführten Koalitionspolitik. An der hat nicht nur eine schwache CDU ihren Anteil, sondern auch die Geschlossenheit der Hauptstadt-SPD, die es nicht einmal nötig hatte, auf den Zug der Müntefering’schen Kapitalismuskritik aufzuspringen. Lag die Zustimmung zur SPD auf Landesebene bislang immer unter der bei Bundestagswahlen, könnte dies schon 2006 umgekehrt sein.
Voraussetzung dafür ist freilich, dass sich an der schlechten Performance der Landes-CDU nichts ändert. Eine Trumpfkarte nämlich hat der designierte Landeschef Ingo Schmitt mit den vorgezogenen Bundestagswahlen: Die Suche nach einem prominenten Kandidaten von außen ist einfacher geworden. Wer im Herbst nicht als Minister ins Kabinett Merkel geht, kann sein Glück ein Jahr später in der Landespolitik versuchen. Demgegenüber steht freilich die Tatsache, dass die Berliner CDU weiterhin eher als Endstation denn als Karrieresprungbrett gilt.
Die zweite große Unbekannte für Rot-Rot ist der Zustand der PDS. Die Wahl in NRW hat gezeigt, dass mit Anti-Hartz kein Blumentopf zu gewinnen ist. Eine PDS, die zum zweiten Mal den Einzug in den Bundestag verpasst, wird aber auch für die Berliner Koalition zur Bürde. Schon im Wahlkampf könnte es bald vorbei sein mit der rot-roten Konsenspolitik. Angesichts der schlechten Umfragewerte der PDS wird die SPD keinen rot-roten, sondern einen eigenen Wahlkampf führen. Die PDS wäre automatisch gezwungen, als soziales Gewissen dagegenzuhalten. Der Richtungsstreit, den man ursprünglich in der SPD befürchtet hatte, könnte dann ein Problem für die Koalition im Roten Rathaus werden.
Bleiben die Grünen. Sie könnten nach einem Regierungswechsel im Bund auf Landesebene wieder zulegen. Kämen die Grünen im Herbst 2006 auf deutlich mehr Stimmen als die PDS, würden sie andere Ansprüche stellen, als nur als Juniorpartner in eine rot-rot-grüne Koalition zu gehen. Ob die Zeichen dann aber auf Schwarz-Grün stehen? Wohl eher nein. Schließlich ist jede Stimme für Grün dann auch eine Stimme gegen eine Kanzlerin Angela Merkel.
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