vorlauf : Sex sells
„Die Sitte – Flüstertöne“ (21.15 Uhr, RTL)
Viel geredet wird nicht bei der Kölner Sitte, der für Sittlichkeitsdelikte und Sexualstraftaten zuständigen Einheit der Kriminalpolizei. Gelächelt schon gar nicht. Ist eben alles zum Heulen: Nur die miesesten und widerlichsten Fälle warten auf Kommissarin Hannah Koch (Iris Böhm), Kommissar Lenny Winkler (Dirk Heinrichs) und die Staatsanwältin Marion Brandt (Cathlen Gawlich).
RTL hat mal wieder eine neue Kriminalserie mit Ermittler-Doppel- bzw. Drillingspack auf den von ähnlichen Serien rumorenden Markt geschmissen, nach altem, bewährtem Muster mit starker Frau (Koch), ruppigem, aber eigentlich gutherzigem Mann (Winkler) und latentem Gebrutzel zwischen beiden zu graublauen, regnerischen Stadtbildern.
Der erste Fall verschlägt die nachdenklichen, von allen Beteiligten mit komplett zuckungsfreien Mundwinkeln ernst durchgespielten PolizistInnen auch sofort ins volle, grausame Leben: Die Leiche eines fünfzehnjährigen türkischen Mädchens wird gefunden, schnell erhärtet sich der Verdacht, das Mädchen habe mit selbst getragenen, gebrauchten Slips gehandelt, um sein Taschengeld aufzubessern. Und schnell rücken einige Männer aus dem Umkreis des Mädchens (der Käufer, der Penner, der Vater der Freundin) ins Zwielicht.
Das Milieu, in dem die AutorInnen der Serie diesen Fall angelegt haben, ist realistisch und prima beobachtet – Sex als Businesszweig zum einen, die integrierte türkisch-deutsche Familie mit den bekannten Ehre-und-Moral-Konflikten zum anderen, etwas platt zwar, aber man hat auch nur 45 Minuten und dreht nur fürs Fernsehen. Wenn sich jetzt noch etwas Realismus in die Dialoge schmuggeln würde und Kommissar Winkler dafür aufhörte, immer ungefähr sieben Ganztöne unter seiner normalen Stimmlage zu brummen und sich in den Ermittlungspausen seiner romantischen Ader hinzugeben, könnten sich Krimiserienfans vielleicht an dieser Sittengeschichte festgucken.
Bei den wahllos (vermutlich „stimmungsvoll“) hineingeschnittenen, atmosphärischen Wackelbildern könnte man allerdings auch rausgehen und ein bisschen die Küche aufräumen. JENNI ZYLKA