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Archiv-Artikel

vorlauf Leipzig ist eben auch nur ein Dorf

„Tatort: Außer Kontrolle“ (So., 20.15 Uhr, ARD)

Außer Kontrolle – der Titel ist Programm. Denn in dem leidlich spannenden Serienkrimi entziehen sich verschiedene Charaktere der Überwachung demokratischer Ordnungspolitik. Und ein Protagonist verliert – unter Zuhilfenahme diverser Alkoholika – wiederholt die Kontrolle über den eigenen Geist und Körper.

 Dass Letzterer dem Berufsfeld der Ordnungshüter zuzurechnen ist, verleiht dem filmischen Ablauf eine gewisse Komik und einen Hauch von Suspense. Der mehrfach trunkene Polizeibeamte ist kein anderer als MDR-„Tatort“-Kommissar Kain (Bernd Michael Lade), der mit seinem Kollegen Ehrlicher (Peter Sodann) in Leipzig den Tod eines Obdachlosen untersuchen muss.

 Und wie es der Drehbuchzufall mal wieder will, ist der Tote dem jungen Kommissar als alter Schulfreund bekannt, ebenso wie die nur dezent trauernde Witwe, die wiederum ganz zufällig mit einem Polizisten Heim und Bett teilt, der – unsere künftige Olympiastadt ist halt auch nur ein Dorf – zufällig den Verstorbenen ersoffen am Flussufer entdeckte.

 Dass der Ertrunkene, der sich zu Lebzeiten noch immer rechtmäßig im Ehestand befand, ausgerechnet von jenem Mann gefunden wurde, welcher nun an dessen statt das warme Zuhause und den nicht minder temperierten Körper der Gattin genießen darf, erfüllt den Ermittler Kain mit nagendem Misstrauen. Es wird zusätzlich dadurch genährt, dass sich in das Revier des ihm unsympathischen Kollegen offenbar keine Obdachlosen trauen und die Straßenzüge eine ungewöhnliche Sauberkeit aufweisen. Für Kain ist klar: Irgendetwas ist hier außer Kontrolle geraten.

 Letzteres muss leider auch für den Film an sich diagnostiziert werden. Denn trotz interessanter Ansätze fehlt es dem Drehbuch an einer klaren Linie. Die Zusammenhänge erscheinen zu konstruiert, die Lösung des Falls ist nicht etwa homogen in die Handlung eingebettet, sondern unmotiviert an das Ende angeklebt. Und bei den endlosen Kamerakreisfahrten, mit denen wohl ausufernde Dialoge kaschiert werden sollten, scheint es nie eine Kontrollinstanz gegeben zu haben.

JAN-RÜDIGER VOGLER