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Archiv-Artikel

vorlauf Der Wahnsinn in Schalen

„Das Loco-Fieber“ (Arte, 20.45 Uhr)

Einladend präsentiert sich das Meer in Blaugrün und fügt sich mit der schroffen Küste zu einem Ensemble von herber, malerischer Schönheit. So rau und herzhaft wie die Landschaft sind auch die Menschen in Porto Galo, tief im Süden Chiles.

Mangels Polizei ist der Padre die höchste Autorität vor Ort, zumal er auch für die Produktion der täglichen Radio-Novela verantwortlich ist. Ansonsten verläuft das karge Leben hier in ruhigen, arbeitsamen Bahnen, wenn nicht gerade die kurze, aber intensive Muschelsaison ansteht. Wie elektrisiert jagen die Bewohner dann nach jenen seltenen „Locos“, für die ein stattlicher Preis gezahlt wird.

Die Aussicht auf schnellen Reichtum hat auch das Schlitzohr Canuto zurück nach Porto Galo gespült. Er bietet mit einem japanischen Importeur das Doppelte pro Kilo für die Delikatesse und gewinnt auch seinen alten Kumpel Jorge nach einigem Zögern für das Geschäft.

Kaum ist die Tauchsaison eröffnet, beginnen freilich auch die ersten Beziehungsprobleme. Was recht gut passt, denn den „Locos“ werden aphrodisische Eigenschaften zugeschrieben.

Während Canuto wieder mit seiner resoluten Jugendfreundin und Barbesitzerin Sonja anbändeln will, verliebt sich Jorge in die Servierin Nelly. Als mit der Hoffnung auf die Superprofite mit zahlungskräftigen Japanern auch Prostituierte im Fischerdorf anlanden, gerät der Alltag in Porto Galo endgültig aus den Fugen …

„Loco-Fieber“ (La fiebre del Loco) hat Andrés Wood sein Lehrstück über flüchtige Momente von Glück und fragwürdigem Erfolg überschrieben, das als hintersinniges wie komisches Melodram angelegt ist. Der chilenische Regisseur lädt uns ein zu einer bizarren Reise ans Ende der Welt, wo die Menschen für einen kurzen Moment durchdrehen und am Ende für ihre Fehler bezahlen müssen.

Atmosphärisch stimmig inszeniert lässt uns Wood mit seiner erlesenen Fotografie und seiner starken Crew vor der Kamera (Tamara Acosta, Loreto Moya, Emilio Bardi und Luis Darbó) fast vergessen, dass seiner Geschichte kein Happy End beschieden sein kann.RAINER BRAUN