vorlauf - bühne: Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Zuerst die gute Nachricht: Immer mehr Theaterwissenschaftler wenden die Theaterwissenschaft auch an. Nachdem zuletzt René Pollesch den Seminardiskursen so erfolgreich im Prater Beine machte, zeigen dort ab heute nun Helgard Hauf und Daniel Wetzel, was sie am Institut für angewandte Theaterwissenschaft in Gießen gelernt haben. Das Szenario von „Apparat Berlin“ klingt bekannt: eine geteilte Stadt, wo Menschen für einen Tag die Seite wechseln können, sowie moderierter Kontakt zwischen großer Politik und deren Versuchspersonen. Ansonsten weihnachtet es – nicht nur auf den Spekulatiuspaletten bei Aldi, sondern auch in den Theatern. Im Friedrichstadtpalast kann man seit gestern die Girls in der Weihnachtsrevue „Jingle Bells“ die Beine schwingen sehen. Schrägeren Gemütern empfehlen wir die Uraufführung des Märchenmusicals „Cinderella passt was nicht“ von Thomas Zampfke und Peter Lenz in der Neuköllner Oper (30. 11.). Mythisch mag es der türkische Regisseur Mustafa Avkiran, der mit dem neuen Stück von Murathan Mungan im Hebbel-Theater zu Gast ist (30. 11.-2. 12.). Mungan, einer der bekanntesten Autoren der Türkei, sucht sein Material gern in den Ursprungslegenden der türkischen Kultur. „Dumrut und Azrael, der Engel des Todes“ spielt in biblischer Vorzeit, deren Mythen die monotheistischen Religionen, deren Fundamentalisten sich heute blutig bekämpfen, in weiten Teilen noch gemeinsam haben. Vom Tod handelt auch das letzte Stück von Sarah Kane (1971–1999), das Falk Richter an der Schaubühne (ab 3. 12.) inszeniert: „4.48 Psychosis“. Die kryptische Zahl im Titel bezeichnet eine Uhrzeit am frühen Morgen: den Moment, wo die Entscheidung fällt, das eigene Leben zu beenden. Noch eine schlechte Nachricht? Sebastian Hartmanns Inszenierung von Ibsens „Gespenster“ ist am Donnerstag zum letzten Mal in der Volksbühne zu sehen.
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