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Archiv-Artikel

vor ort SIMON LENARTZ über den Militäreinsatz „gegen Gewalt und für Verständigung“ in Bochum

„Gegen Gewalt und für Verständigung an unseren Schulen“. Mit diesem Slogan wirbt der Lions-Club Bochum-Kemnade für ein Wohltätigkeitskonzert, das morgen Abend im Bochumer Ruhrcongress stattfindet. Mit Jazzklängen und Märschen wird das dritte Musikcorps der Luftwaffe für eine Aktion werben, mit der die Pausenhöfe an Bochums Grundschulen friedlicher werden sollen. „An unseren problembehafteten Schulen ist es nicht selten, dass Schüler aus über 30 Nationen zusammentreffen. Durch fehlende Verständigung und Vertrauen führt dies zu Konflikten, die oft durch Gewaltaktionen in den Klassen und auf den Schulhöfen ausgetragen werden“, heißt es in dem Faltblatt des Lions-Club, das das Jugendamt der Stadt an zahlreichen Bochumer Schulen verteilt hat und das farbenfroh in schwarz, rot und gold gestaltet ist.

15 Euro kostet der Eintritt für das Wohltätigkeitskonzert. Der Erlös geht an die Yehudi Menuhin-Stiftung „MUS-E“, deren Ziel die soziale und künstlerische Erziehung von Kindern ist. Und dass Musik und Kunst die Gewaltbereitschaft senkt, davon sind Lions-Club-Mitglieder in Bochum überzeugt. Warum für diesen wohltätigen Zweck ausgerechnet die Bundeswehr eingeladen wurde, fragen sich in Bochum nur einige wenige.

Reinhard Wegener vom Friedensplenum Bochum etwa findet es „skurril, die Bundeswehr als pädagogische Instanz gegen Gewalt an Grundschulen heranzuziehen. Das verbietet sich eigentlich von selbst“, sagt er.

Mit Unverständnis reagierte Heinrich Hölting, Präsident des Lions-Club, auf die Vorwürfe. Er meint, dass die Bundeswehr für den Frieden und nicht für den Krieg stehe. „Die Bundeswehr hat in meinen Augen eine Polizeifunktion“, sagt Hölting. „Das ist mehr oder weniger Verteidigung.“ Dass er mit dieser „Mehr-oder-weniger-Polizeifunktion“-Ansicht nicht allein steht, beweise auch das Verhalten der Bochumer Schulverwaltung, sagt Reinhard Wegener. Die hält weiterhin an dem Projekt fest und unterstützt das MUS-E-Projekt. „Ich kann die Aufregung nicht nachvollziehen“, sagte der Pressesprecher der Stadtverwaltung. Ob und wer von den Faltblättern gewusst hatte, konnte die Verwaltung bis zum Redaktionsschluss nicht genau sagen.

Die weitgehend unkritische Haltung gegenüber der Bundeswehr hat laut Reinhard Wegener in Bochum Tradition. Bereits im September des vergangenen Jahres hatte die Schulverwaltung der Bundeswehr bei ihrem 50. Jubiläum den Rücken gestärkt, hatte einer Militärparade zugestimmt, hatte sogar Pläne gehabt, auf einigen Schulhöfen Panzer aufzustellen. Das passierte nicht, wohl auch aufgrund der öffentlichen Proteste.

Dieses Mal sind die Proteste allerdings leiser. Nur das Bochumer Friedensplenum hat sich im Internet gegen das Konzert gewandt. Reinhard Wegener ist der festen Überzeugung, dass der Militäreinsatz für den guten Zweck eine reine PR-Aktion der Bundeswehr ist. Die Schulverwaltung mache Werbung für die Armee. Er findet es auffällig und skandalös, dass es keinen Zweifel an den Absichten der Bundeswehr gebe.