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Archiv-Artikel

vor ort PASCAL BEUCKER über den sturen Kampf der Kölner Sporthochschule für einen Straßennamen

Noch liegt die in Köln ansässige Deutsche Sporthochschule am Carl-Diem-Weg – und wenn es nach dem Willen des Rektors Walter Tokarski gehen würde, bliebe dies auch so. „Ich finde das alles ärgerlich“, sagt der 59-jährige Professor. Was Tokarski so erbost: Aus dem „Carl-Diem-Weg“ soll demnächst „Am Sportpark Müngersdorf“ werden. So hat es die zuständige Bezirksvertretung in Köln-Lindenthal am Montag Abend beschlossen. Zum Leidwesen der Sporthochschule, deren Gründungsrektor Diem war und die ihn bis heute als die „bedeutendste Persönlichkeit der deutschen Sportbewegung im 20. Jahrhundert“ verehrt.

Allerdings war er noch mehr: Als in Köln die Nazi-Barbarei bereits besiegt war, da bemühte Carl Diem noch den spartanischen Dichter Tyrtaios: „Schön ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland ficht, für das Vaterland stirbt.“ So versuchte er am 18. März 1945 auf dem Berliner Reichssportfeld das letzte Aufgebot zum „Endkampf für Führer, Volk und Vaterland“ zu motivieren. Die Rede war nur die letzte bittere Konsequenz einer unheilvollen Liaison, die der „Vater des deutschen Sports“ mit den braunen Machthabern eingegangen war. Obwohl kein glühender Nazi, hatte Diem in der Weimarer Republik einem deutschnationalen, antidemokratischen und militaristischen Denken angehangen. Sein Credo: „Sport ist freiwilliges Soldatentum.“ Und: Der Krieg sei „der vornehmste, ursprünglichste Sport“. 1933 bewarb er sich – vergeblich – bei den Nazis als „Reichssportführer“. Gerne nahmen sie indes seine Dienste als Organisator der Olympischen Spiele von 1936 in Berlin in Anspruch. Von 1939 bis 1945 diente er ihnen als Leiter des „Gaues Ausland“ des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen.

Öffentlich bereut hat der 1962 in Köln gestorbene Diem solche Sätze bis seinem Lebensende nicht. Nichts desto trotz wurden nach seinem Tod quer durch die Republik Straßen, Plätze, Hallen und sogar Schulen nach dem „großen deutschen Sportführer“ benannt. Inzwischen haben sich die Zeiten jedoch geändert. Als erste Gemeinde im Rheinland entschied sich Meerbusch 1996 zur Umbenennung einer nach ihm benannten Straße. Auch in Frechen und Düren erfolgten 2001 Namensänderungen.

2003 hat sich sogar sein Geburtsort Würzburg dafür entschieden, die größte Veranstaltungshalle der Stadt nicht mehr mit seinem Namen zu versehen: Er stehe „nicht für die Zukunft des Sports, sondern für das dunkelste Kapitel in der deutschen Vergangenheit“, begründete CSU-Oberbürgermeisterin Pia Beckmann die Ratsentscheidung.

Nur in Köln gingen bislang die Uhren anders. Doch nun hat sich eine große Koalition aus CDU, FDP, SPD und Grünen doch noch zur Umbenennung des Carl-Diem-Wegs durchgerungen – nur die rechtsextremistische „Bürgerbewegung „pro Köln“ war dagegen. Und die Sporthochschule. Sie will nun juristische Schritte prüfen, kündigt Rektor Tokarski an. Er fordert, erst die Ergebnisse einer Studie über die Rolle Diems im Dritten Reich abzuwarten. Die soll 2007 fertig sein. 62 Jahre nach Kriegsende.