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Archiv-Artikel

vor ort MAREN MEIßNER über eine fragwürdige Bahnpolitik im Bergischen Land

Jürgen Seinsche ist wütend. So wütend, dass der Diplomingenieur aus Waldbröl im Bergischen Land Emails an dutzende Zeitungs- und Fernsehredaktionen verschickt hat, um seinem Ärger Luft zu machen. „Ich will nicht, dass meine Enkel später sagen was müssen das für Idioten gewesen sein, dass die die Bahn einfach kaputtkloppen“, sagt er. Genau das soll allerdings mit der Wiehltalbahn nach dem Willen der anliegenden Kommunen Engelskirchen, Wiehl, Reichshof, Waldbröl und Morsbach geschehen. „Das muss man mal öffentlich machen!“, sagt Seinsche, der sich in den letzten Monaten intensiv mit der drohenden Bahnschließung und ihren Folgen beschäftigt hat.

Im Jahr 1994 hatte sich die Deutsche Bahn (DB) entschlossen, den Schienengüterverkehr auf der Strecke Osberghausen - Wiehl - Waldbröl/Morsbach stillzulegen. Um die Strecke vor dem Ausverkauf zu schützen, wurde der „Förderkreis zur Rettung der Wiehltalbahn“ ins Leben gerufen. Dieser pachtete die Strecke – mit großem Erfolg. Durch eine Kooperation mit der Rhein-Sieg-Eisenbahn konnte die Strecke 1999 wieder in Betrieb genommen werden, diesmal für touristische Zwecke. Bis heute fährt einmal im Monat ein Dampfzug durchs Wiehltal, Sonderveranstaltungen locken zusätzliche Besucher an. Über 280 Mal rollten im vergangenen Jahr Züge durchs Bergische Land. Seit Mai 2005 auch wieder Güterzüge, die vor allem Holz für lokale Betriebe transportieren.

Eine positive Entwicklung, die der Verein gerne weiter vorangetrieben hätte. „Ein Gutachten belegt, dass auch der reguläre Personenverkehr gute Chancen hätte“, sagt Gerhard Mansel, Vorsitzender des Förderkreises. Die Verkaufsgespräche mit der DB waren schon in vollem Gang, als im vergangenen Jahr die CDU die Landtagswahl gewann und Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) eine Wende in der Verkehrspolitik versprach – und sogleich die Wiehltalbahn aus dem Schienenbedarfsplan strich.

Der Kölner Regionalrat empfahl darauf die Schließung der Strecke; die Industrie- und Handelskammer Köln jubelte: „Endlich können Planungs- und Investitionshemmnisse aus dem Weg geräumt werden“. Was für die DB bedeutete, dass sie nun nicht mehr mit dem Förderverein, sondern mit den anliegenden Kommunen verhandeln konnte. Die wollen die Bahn nun kaufen und dann schließen. Mit dem Ziel, die freien Flächen teilweise an ortsansässige Firmen zu verkaufen, sowie eigene Straßenbauprojekte zu realisieren.

Dabei ist keinesfalls sicher, dass die Bahnschienen überhaupt abgebaut werden dürfen. Denn dazu müssten sie erst entwidmet werden – und dies kann nur geschehen, wenn sicher ist, dass auf der Strecke keine Züge fahren und fahren werden. „Unser Ziel ist es, den Betrieb so lang wie möglich aufrecht zu erhalten“, sagt deshalb Vereinsvorsitzender Mansel. Warum die Kommunen das Risiko eingehen, eine Strecke zu kaufen, die womöglich gar nicht stillgelegt werden kann, versteht Jürgen Seinsche nicht. „Wir leben im Mittelgebirge, da ist der Horizont nicht so weit“, vermutet er.