vor ort : GESA SCHÖLGENS über besonders treue Nordrhein-Westfalen in Diedenshausen
Ähnlich wie Köln hat auch Diedenshausen in Südwestwalen eine „schäl Sick“ (falsche Seite). Seit 1532 trennt der Bach Elsoff das 360-Seelen-Dorf in zwei Teile: einen großen nordrhein-westfälischen und einen kleinen hessischen. Auf der hessischen Seite leben rund 50 Einwohner in der Siedlung Seibelsbach. Die meisten von ihnen haben seit Jahren nur einen Wunsch: „Echte“ Westfalen zu werden. So auch Johannes Hollenstein, der seit fünf Jahren in Seibelsbach lebt.
Gemeinsam mit 26 anderen Seibelsbachern hat Hollenstein im vergangenen Jahr ein Papier unterzeichnet, das die Anbindung an das Nachbarland fordert. „Unser Leben spielt sich in Nordrhein-Westfalen ab. Meine Kinder gehen in NRW in die Schule, ich arbeite dort, wir lesen die Zeitung und spielen Fußball im Verein“, erzählt Hollenstein. Wegen der Verquickungen seien Behördengänge oft mühsam. Zwar werden die Seibelsbacher von der hessischen Gemeinde Bromskirchen verwaltet. Doch gehen sie in NRW zur Kirche. Auch Wasser, Strom und Post werden vom westfälischen Bad Berleburg aus gestellt. Sogar die Telefonvorwahl ist westfälisch.
Wählen können die Seibelbacher aber nur den hessischen Bürgermeister der Gemeinde Bromskirchen und andere „kommunalpolitisch Fremde“. Das stört Johannes Hollenstein und seine Mitstreiter besonders, denn sie haben keinen Einfluss auf die Politik in NRW. „Schulen und Kindergärten werden geschlossen, und ich kann nicht diejenigen wählen, die dagegen sind“, klagt Hollenstein.
Um Diedenshausen „einzuwestfälischen“, müsste zuerst der Bromskirchener Rat darüber abstimmen. Falls sich eine Mehrheit für die Verlegung der Grenze ausspricht, können die Bürgermeister sie bei ihren Landesregierungen beantragen. Jürgen Rüttgers und Roland Koch (beide CDU) müssten dann in einem Staatsvertrag neue Grenzen festlegen.
Doch in Diedenshausen schlagen nicht alle Herzen westfälisch. „Die alteingesessenen Seibelsbacher wollen den Wechsel nicht“, sagt Joachim Dienst vom Heimatverein. „Sie haben immer mit der Grenze gelebt und nehmen sie gar nicht mehr wahr.“ Außerdem sei das Dorf durch die Teilung „etwas Besonderes“. Dienst sieht auch sonst Vorteile in der Spaltung. So hätten einige Westfalen auf hessischer Seite eine Garage gebaut, weil dort die Grundsteuer niedriger ist. Auch sein Abwasser werde über Hessen und damit einige Cent günstiger entsorgt. „Alles Dinge, die dann wegfielen.“
Auch Bromkirchens parteiloser Bürgermeister Karl Friedrich Frese ist zögerlich: „Der Verwaltungsaufwand ist enorm.“ Er sei nicht bereit, „die große Welle“ zu machen und sich einzusetzen, so lange nicht alle Seibelsbacher geschlossen für eine Grenzverschiebung seien. Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann (CDU) teilt diese Ansicht. Derzeit prüft die hessische Landesregierung, welche Kosten eine neue Grenze verursacht. Anschließend soll wieder eine Bürgerversammlung stattfinden. Dann wollen sich die „gute“ und die „schäl“ Sick noch einmal mit ihren Bürgermeistern beraten.