vor ort : KATHARINA HEIMEIER über einen modernen Kirchenbann in einer Gelsenkirchener Gemeinde
Harald Ahnfeld ist mittlerweile vorsichtig geworden. Seit knapp zwei Wochen steht er unter einer Art modernem Kirchenbann. Der evangelische Christ darf die Gottesdienste in seiner Markus-Kirchengemeinde in Gelsenkirchen-Buer-Hassel nicht mehr besuchen. Außerdem hat er zwei Unterlassungserklärungen bekommen. „Ich will keine dritte riskieren“, sagt er. Deshalb wählt er die Worte sorgsam, als er von der Vorgeschichte berichtet. Das Thema müsse vom Tisch, um Schaden von der Kirche fortzuhalten. Moderate Töne. Doch die Situation ist längst eskaliert.
Ahnfeld liegt im Clinch. Mit seiner Kirchengemeinde und vor allem mit der Pfarrerin Kirsten Sowa. „Er stiftet in hohem Maße Unfrieden in der Gemeinde“, sagt sie. Ausgangspunkt des Streites, der die 2.000 Gemeindemitglieder zurzeit bewegt, ist eine Kündigung gegen den Hausmeister. Eine Kündigung, die von der Pfarrerin und zwei Presbytern unterschrieben wurde und deren Zustandekommen umstritten ist. Einer der zwei Presbyter soll aus Protest gegen die Kündigung von seinem Amt zurückgetreten sein. Ist er überrumpelt worden? „Das Zustandekommen der dritten Unterschrift wird arbeitsgerichtlich überprüft“, sagt Ahnfeld. Pfarrerin Sowa sieht dies anders: „Die Kündigung wird arbeitsgerichtlich überprüft.“ Aus ihrer Sicht ist sie notwendig gewesen. „Die Gemeinde ist pleite.“
Die Markus-Kirchengemeinde gibt pro Jahr 150.000 Euro mehr aus als sie zur Verfügung hat. Bis 2008 muss das Defizit ausgeglichen werden. Das müsse Ahnfeld eigentlich wissen, meint Sowa. Schließlich sei er bis zum Jahr 2003 selbst für die Finanzen der Gemeinde zuständig gewesen.
Ahnfeld war Kirchmeister. Jetzt hat er ein Flugblatt verfasst. Kirsten Sowa organisiere „anscheinend den Abschied und Niedergang von einer jahrelang gut funktionierenden und viel gelobten Gemeinde-, Jugend-, Familien- und Seniorenarbeit“, heißt es da. Und weiter unten: „Frau Pfarrerin Kirsten Sowa, wir kennen keinen weiteren Fall, in dem sich Predigt und Handeln einer Pfarrerin so widersprechen.“
Seit der Flugblattaktion bekommt Ahnfeld viel Post. Eine ältere Dame aus der Gemeinde schickte ihm sogar einen Brief, den er sich übersetzen lassen musste. Er war in der alten Schrift Sütterlin verfasst. „Ich konnte allerdings schon lesen, dass es kein Lobesbrief war“, sagt Ahnfeld. Vom Rechtsanwalt der Pfarrerin erreichte ihn eine Unterlassungserklärung. Drei Tage später kam ein weiteres Schreiben – von der Pfarrerin selbst. Ein Hausverbot. Notfalls werde es mit polizeilicher Gewalt durchgesetzt.
„Das ist ein sehr ungewöhnlicher Schritt“, sagt der Superintendent des Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid, Rüdiger Höcker. Der Mann, den das Hausverbot trifft, formuliert drastischer: „Fast 500 Jahre nach der Reformation wird der Kirchenbann durch ein Hausverbot für kirchenkritische Menschen ersetzt.“
Ein Kirchenbann wie einst gegen den Reformator Martin Luther? Keinesfalls, sagt Superintendent Höcker. Ahnfeld habe kein Verbot bekommen, mit seinem Gott zu sprechen oder in einen Gottesdienst zu gehen.