vor Ort: Dortmund : JOHANNA RÜSCHOFF über Brandanschläge auf türkische Einrichtungen in der Nordstadt
Mitte Februar wurden erst Brandsätze auf eine Straßenkreuzung geworfen, dann folgten Brandanschläge auf ein türkisches Reisebüro und eine türkische Bank. Vor einer Woche traf es einen türkischen Kulturverein neben einer Moschee. Viele türkische Geschäfte und Vereine in der Dortmunder Nordstadt haben Angst vor erneuten Anschlägen. An einen rassistischen Hintergrund glaubt die Staatsanwaltschaft Dortmund aber nicht.
„Wir wissen nicht, ob die Taten überhaupt in einem Zusammenhang stehen. Ziemlich sicher wissen wir jedoch, dass die Täter keine Nazis sind. Sie wurden von Zeugen als Personen mit südländischer Herkunft beschrieben“, sagte die Oberstaatsanwältin Ina Holznagel. Einen „kurdisch-extremistischen“ Hintergrund könne sie dagegen nicht ausschließen. Auffällig ist es schließlich schon, dass es immer wieder türkische Einrichtungen trifft. Gleichzeitig lasse das Vorgehen der Täter nicht gerade auf Professionalität schließen, so Holznagel. „Das sind ganz normale Flaschen mit allgemein zugänglichen brennbaren Flüssigkeiten“.
Die Überlegung, die Täter könnten aus einem kurdischen Umfeld stammen, kam nach dem zweiten Anschlag am 15. Februar auf: an diesem Datum jährte sich zum achten Mal der Tag der Verhaftung Abdullah Öcalans. Bis zu seiner Verhaftung hatte Öcalan die Untergrundorganisation „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) geführt, deren ursprüngliches Ziel es war, ein von der Türkei unabhängiges Kurdistan zu gründen. Heute nennt sich die Organisation „Volkskongress Kurdistan“ und wird von der EU als terroristische Vereinigung eingestuft. Öcalan sitzt seit Februar 1999 in Isolationshaft auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmara-Meer. Eigentlich war Öcalan vom Staatssicherheitsgericht in Ankara unter anderem wegen Hochverrats und Mordes zum Tode verurteilt worden. Erst 2002 war das Urteil auf europäischen Druck hin in lebenslange Haft umgewandelt worden.
Hinweise, die eine Verbindung zur PKK untermauern würden, gibt es aber keine. „Außer dem Jahrestag der Verhaftung gibt es keine Verbindungen. Es liegen auch keine Bekennerschreiben vor. Es kann genauso gut sein, dass sich eine Truppe von jungen Leuten aus der Nordstadt da einen dummen Spaß erlaubt“, sagt Holznagel. Bis jetzt sind noch keine Personen verletzt worden, lediglich das Reisebüro beklagt einen Sachschaden von 25.000 Euro. Zwischenzeitlich waren vier Jugendliche festgenommen worden, die aber alle ein Alibi für die Tatzeit aufweisen konnten. Holznagel musste sie gehen lassen und weitere Verdächtige hat sie nicht.
Die Menschen im türkischen Kulturverein fühlen sich von der Stadt allein gelassen. „Ich weiß nicht, wer für die Anschläge verantwortlich ist, wir haben nie Ärger mit irgendjemandem gehabt. Was wir jetzt haben ist Angst“, erklärt der Vorsitzende des allgemeinnützigen Vereins Ilyas Carpisan. „Was uns am meisten ärgert, ist, dass die Polizei nicht genug tut. Bei der Synagoge stehen fast rund um die Uhr Polizisten. Die müssen auch bei den Moscheen öfter vorbeikommen, damit so was nicht mehr passiert“.