piwik no script img

Archiv-Artikel

von disco zu disco: die clubkolumne Einführungen in die Clubkultur

Out of Pfullendorf

Seit ein paar Monaten erreichen mich permanent pralle Pakete mit großartigem griechischem Bergtee. Ihr Absender B., ein befreundeter Clubaktivist hellenischer Herkunft, hat einen Hintergedanken: Er will mir damit auf die Sprünge helfen, ein altes Thema frisch aufzubrühen.

Vor ein paar Monaten hatte er mich um meine persönliche Definition des Begriffs „Club“ gebeten: „Was bedeutet für dich Club? Ist es ein Style? Ist es ein Vibe? Ein Groove oder eher ein Flavour? Ist es Möbeldesign? Woher kommen, was sind und wohin gehen Clubs?“

Klar, dass ich versuchte, auf Zeit zu spielen und mich erst mal um eine Antwort zu drücken. Je näher ich den Begriff betrachtete, desto ferner blickte er zurück: Club, Klub, Klubbb hämmerten die Worte auf mich ein: Club Rotation, Club Tools, Club Bad, Club of Rome, Lions Club, Club der toten Dichter.

Überhaupt alle Fußballclubs. Aber die heißen ja auf Deutsch Fußballvereine, haben Zeug- und Kassenwarte. Doch wahre Clubs sind keine Vereine, nur das nicht.

Clubs sind traditionell eher etwa wie … englische Herrenclubs: gediegene Gleichgesinntheit in einem Ambiente, auf das man sich einigen kann, mit Clubsesseln und guten Getränken. Oder englische Punkclubs: gleiche Gleichgesinntheit, andere Gediegenheit, andere Drinks. Das sind die Säulen, auf denen das Clubbing ruht.

Auch mein erster Klub funktionierte nach diesem tryptischen Prinzip. Das Jugendzentrum der Stadt, in der ich aufwuchs, war in einer ehemaligen Großmolkerei untergebracht und hieß entsprechend „Molke“. Im Kellergeschoss befand sich ein weiß gekachelter Raum, ursprünglich ein riesiges Milchbecken. Dort war nach der Renovierung zunächst salbungsvoll der „Jazzkeller“ untergebracht worden. Für das erwachsene Planungsgremium der städtischen Jugendzentrumsbetreiber ein wichtiger, motivierender Faktor: Hier konnte ihr eigener anspruchsvoller Kulturclub stattfinden. Alle ECM-Platten waren auf Kassette kopiert worden, nur sie durften gespielt werden.

Doch der Jazzkeller hatte nur ein kurzes Leben. Denn war schon die Kachelästhetik mit der entsprechenden Kachelakustik vom Wesen her völlig unjazzig – ein Jazzkeller ohne Alkohol ging so gar nicht. Das macht einfach kein Jazzfan über 20 mit, schon gar nicht in der schwäbischen Provinz: ein Brötzmannkonzert nur mit Pfirsichsaft zu überstehen. Der Keller war schnell vakant. Es war um 1980.

Zum Glück hatten wir ein paar Türen weiter mit unseren Oberstufen-Punkbands schon die Proberäume okkupiert. Wir schlugen vor, in der grellen Kachelatmo einen zünftigen New-Wave-Klub zu machen: Uns schwebte ein Ding wie in Düsseldorf vor, der alte Ratinger Hof. Mit gelber Farbe pinselten wir groß den neuen Namen an die Tür: Klub der bösen Buben.

Bei Donald Duck treffen sich im KDBB die Panzerknacker, um Pläne auszubaldowern, gelungene Unternehmen zu feiern oder gescheiterte zu beweinen.

Die Tatsache, über einen Treffpunkt zu verfügen, mit Theke und Tapedeck, halb öffentlich, aber auch halb privat, beflügelten Tatendurst und Kreativität. Der Klub der lustigen Spinner zog ähnlich gelagerte, noch eben minderjährige Aktivisten aus Kunst, Politik, Fashion, Forschung und Entertainment an. Die Leute kamen bis aus Grünkraut, um unserer Interpretation von Modetänzen zu bewundern. Dann wurde auch uns das zu kindisch.

Wir hatten jetzt das ausgehfähige Alter erreicht und heizten mit den Autos der Eltern durch die Nächte nach Pfullendorf, in richtige Clubs wie die Grüne Burg: mit Türstehern, die einen bald kannten. Mit Kassen, an denen man bald vorbeigewunken wurde. Mit Toiletten, in denen sich Szenen abspielten. Mit einem richtigem DJ, wie man es dann selbst bald wurde.

Ein Club war doch etwas ganz anderes als eine normale Disco. In eine Disco kann man gehen wie ein Tourist: Spaß haben, ohne dazuzugehören. Sich passiv unterhalten lassen, zahlen und verschwinden. Ein guter Klub dagegen ist ein Stück Glück und Heimat, eine Vertrauenssphäre, in die man sich begibt, um mitzumischen. Um Sachen zu machen. Oder sich mal gepflegt aufs Ohr zu hauen. Ein Ort, an dem man Ruhe in der Aktivität entwickelt. Wie einst im Klub der Bösen Buben eben. HANS NIESWANDT